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Aufgeschnappt: Die Herkunft der Diskriminierung

Der gerade regierende Kaiser Wilhelm II., dessen Sinn für reine Männergesellschaft entschieden größer war als der für Frauen und Familie, verkehrte damals im Kreise der sogenannten Liebenberger Tafelrunde, deren Gastgeber sein persönlicher Freund, der Fürst Philipp zu Eulenburg auf Schloß Liebenburg, war. Dem Kreise gehörten weiterhin an: die Grafen Lynar, Schulenberg, Moltke, Bülow und andere mit weniger bekannten Namen. Man wußte, daß die Abende dieser Tafelrunde der Pflege und Besprechung der sogenannten Gobineauschen Rassentheorie sowie der kulturphilosophischen Ansichten H. St. Chamberlains galten, der damals auf der Höhe seines Ruhmes stand. Diese Ansichten aber waren ausgesprochen antisemitisch. […] Diese Tatsache nun erfuhr der Jude Isidor Witkowski, der unter dem hochgermanisierten Mimikrynamen „Maximilian Harden“ eine fast nur von ihm selbst in jiddischem Sprachbarock geschriebene Zeitschrift „Die Zukunft“ herausgab. Er hatte die für seine Rasse natürliche Beklemmung, der Kaiser könnte einen antisemitischen Kurs einschlagen, und beschloß, unter dem Vorwande, deutsche Interessen zu vertreten, den Kaiser aus der Umklammerung durch die antisemitische Tafelrunde zu lösen. Er hatte Material in der Hand, und wie das der Journaille – um einen gelunegenen Ausdruck Eugen Dührings zu gebrauchen – so eigen ist, er beschuldigte die prominentesten Mitglieder dieses Kreises „homosexueller“ Praktiken. Damit war er der erste Litterat, der es unternahm, im politischen Kampfe nicht die Sache selber anzugreifen, sondern deren Träger persönlich zu diffammieren. Hitler, der kein Latein konnte, bildete diese Methode, die er „diskriminieren“ nannte, seinem jüdischen Lehrmeister nach und baute sie in sein politisches System als terroristische Verstärkung ein. Seitdem reden die Deutschen, die kein Latein können, von „diskriminierten Personen“, und denken dabei, das habe etwas mit „crimen“ und „kriminell“ zu tun, also mit dem Verbrecherischen, statt mit „discrimen“ – was nur der Unterschied heißt. Es wird schwer sein für das Deutsche Volk, aus der Harden-Hitler-Denkweise wieder herauszukommen, wozu freilich nicht nur Lateinkenntnis, sondern auch moralische Umdisponierung gehört.

Dem Harden gelang der Schlag; und so etwas wird immer gelingen, wenn das allgemeine Bildungsniveau so tief bleibt, wie es schon damals war, von heute ganz zu schweigen.

Mit diesen Worten belehrte der Chronist des Wandervogels, Hans Blüher, seine Leser in seiner Selbstbiographie Werke und Tage im Jahre 1953 über die Herkunft der vieldiskutierten „Diskriminierung“, einem der Wieselworte revolutionärer politischer Infamie im Nachkriegsdeutschland. (Hinweis: Die Wortwahl entstammt dem Original und ist aus der Zeit und dem Kontext heraus zu lesen, zu verstehen und gegebenenfalls wiederzugeben.)

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