Gesichtet

Der Tyrann in uns

Nichts trennt uns mehr von der Tyrannis. Dass das nicht längst jedem ins Auge gefallen ist, liegt an einem Denkfehler sowie am Vorwalten des tyrannischen Menschentyps.

Dank der evolutionistischen Denkweise sind wir gewohnt, einen Gegenstand mit seinen Voraussetzungen zu begründen und sogar mit ihnen zu verwechseln. Auf die Frage, wie das Leben auf der Erde zustande gekommen ist, würde mehr als ein Paläobiologe antworten: „Die Voraussetzungen dazu waren gegeben.“ Die vorwissenschaftliche Weltsicht erklärte sich Dinge, die sie sich anders nicht zu erklären wusste, kurzerhand mit dem Wunder.

Evolutionistische Irrtümer

Der vorwissenschaftliche Wunderglaube ist dabei weit weniger naiv zu nennen als der wissenschaftliche, er spricht das Wunder nämlich offen aus. Bei der wissenschaftlichen Ableitung aus den Voraussetzungen jedoch wird erneut das Wunder bemüht. Anders geht es nicht, soll sich aus den Voraussetzungen überhaupt etwas ergeben. Tatsächlich aber ergibt sich Leben nicht so einfach aus seinen Voraussetzungen, etwas, was uns die Exobiologie glauben machen möchte. Nur weil es unter bestimmten Voraussetzungen (Bedingungen), die man sogar angeben kann, einen rechnerisch ermittelbaren Wahrscheinlichkeitsgrad für Leben gibt, lässt sich noch lange kein wirkliches Leben ausfindig machen.

Der Regimewechsel kommt immer sehr plötzlich zustande

Die evolutionistische Denkweise einmal abgelehnt, müssen wir uns auch den politischen Regimewechsel anders als durch ein Wunder erklären. Die Nähe z.B. der Demokratie zu Despotismus und Tyrannis, ihre Neigung in „Diktatur“ umzuschlagen, erklärt nicht den tatsächlichen Regimewechsel. Das Aufkommen von Despotismus, Tyrannis oder Diktatur ist anhand seiner wirklichen Ursachen zu untersuchen.

Die Demokratie bleibt dabei eine ihrer Voraussetzungen. Evolutionistisch würde sich die Untersuchung des Regimewechsels auf die „fließenden Übergänge“ konzentrieren. Der Regimewechsel kommt aber nicht „fließend“ zustande, sondern ist bedingt durch ein sehr plötzliches Umschlagen der Quantität in die Qualität. Gerade das aber ist es, was die mit Quantitäten arbeitende Demokratie so verhängnisvoll macht: sie hat von Anfang an das Potential, in ihr angebliches Gegenteil umzuschlagen.

Die Demokratie ist also nicht bloße Voraussetzung des Despotismus. Mit ihr ist der Despotismus grundsätzlich bereits mit angelegt. Ob Tyrannei und Despotismus auch tatsächlich aus der Demokratie hervorbrechen, hängt jeweils davon ab, inwieweit der tyrannische bzw. despotische Menschentypus in ihr vorwaltet.

Die Demokratie ist schon von Haus aus bunt

Ist der despotische und tyrannische Mensch als Urheber von Despotismus und Tyrannis einmal erkannt, stellt sich die Frage, was den despotischen bzw. tyrannischen Menschentyp ausmacht. Die bekannten Studien zur „autoritären Persönlichkeit“ wie auch die gegenteiligen zur „demokratischen Persönlichkeit“ sind zu sehr in zeitbedingten Verfassungsdebatten befangen. Sie verwechseln ideologiebedingt „autoritär“ mit tyrannisch bzw. despotisch und gehen so am offensichtlichsten vorüber.

Das offensichtlichste an der Demokratie z.B. ist der Pluralismus sowie die Freiheit, die sie dem Einzelnen gewährt. „Pluralismus“ heißt aber seit Plato immer noch „bunt“. Die Demokratie ist schon von sich aus bunt. Das darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass zur Demokratie notwendig ein Menschenmischmasch gehört, auch wenn es letzten Endes eine ihrer Konsequenzen ist.

Die Demokratie ist bunt, weil man so ziemlich alles in ihr zu sehen bekommt. Die Demokratie ist geradezu ein Feuerwerk der Meinungen und Ansichten sowie ein Karneval – oder ein Christopher Street Day – der Formen individueller Entfaltung. Abgesehen davon, dass dieses demokratische In-die-Zügel-schießen-lassen der Ansichten, Triebe und Leidenschaften die Menschen ihrem eigenen Tyrannen überantwortet – nämlich dem, der in ihnen selber steckt – nimmt es ihnen auch die Kraft und den Willen zur Mündigkeit. Vor allem schneidet es ihnen den Nerv der Vernunft durch.

Tyrannische Menschen und demokratische Wahne

Zweifellos lebt es sich angenehm in der Demokratie, weil nur sie die wunderbarste Vielfalt in allen Bereichen des Lebens gewährt. Ob aber derjenige noch zur Demokratie passt, der auf der Suche nach „seinem“ Selbsthilfebuch ist, eine Essstörung hat, in irgendeinem Belang süchtig ist und auch sonst eine aus den Fugen geratene „bunte“ Persönlichkeit aufweist, danach fragt keiner.

Aber auch das Überhandnehmen von Vielwissern und Fachidioten, die ewig und unversöhnlich mit- und auch untereinander im Krieg liegen, ist mit einem demokratischen Regime unvereinbar. Und das obwohl sowohl die Vielwisserei, das Dilettanten- wie auch das Spezialistentum, in der Demokratie erst so richtig aufgekommen sind. Die Krönung des Ganzen bildet dabei die ins unermessliche wachsende Merkwürdigkeit der politischen Ansichten. Dazu zählen vor allem die die Demokratie beherrschenden Grundwahne „Gleichheitswahn“ und „Menschheitswahn“ mit ihren Varianten „Genderwahn“ und „Buntheitswahn“.

Vielfalt, gute Verwaltung und Despotismus sind nicht unvereinbar

Wer seine Freude hat an der fortschreitenden Durchmischung und Farbenfrohmachung der Bevölkerung – so wie ein Kind oder ein Schwachsinniger an bunt schillernden Seifenblasen oder Benzinschlieren auf einer Pfütze seine Freude hat – der wird folgendes natürlich belanglos finden: Der Tyrann Dionysios festigte seine Herrschaft über Syrakus, indem er die angestammte griechische Bürgerschaft durch die Aufnahme Fremder schwächte.

Oder Kaiser Friedrich II.: Sein anderthalb Jahrtausende nach Dionysios errichteter unteritalienischer Beamtenstaat herrschte ohne Unterschied über Italiener, Normannen, Byzantiner und Araber. Er herrschte damit bürokratisch, d.h. ohne irgendwelche Konzessionen an die Demokratie machen zu müssen. Wie jede rein rationale Verwaltung, so kümmert sich auch die Bürokratie genauso wenig um die Demokratie, wie sie sich um die Ethnizität oder das religiöse Bekenntnis ihrer Subjekte schert.

Eine solche Verwaltung, und sei sie noch so gut, ist aber schon ein Schritt in Richtung Despotismus. „Gut“ heißen ja gegenüber der Verwaltung immer nur drei Dinge: technische Ausgefeiltheit, gutes Funktionieren („Effizienz“) sowie „Augenbinde“, sprich: liberalistische Gerechtigkeit bezüglich aller nicht verwaltungsrelevanten Charakteristika der von ihr Verwalteten.

Die Tyrannei ist genauso erträglich wie unerträglich

Die Demokratie ist reif für die Diktatur. Nur ist diese werdende Diktatur nicht, wie man sie sich üblicherweise vorstellt, sondern eine, die die Gepflogenheiten und Formen der Demokratie fortführt. Und auch sonst ist zu genüge für Despotismus und Tyrannei gesorgt. Der heute vorherrschende Menschentypus ist mit dem despotischen und tyrannischen Menschen identisch. Der individuelle Tyrann und Despot von heute ist nicht unbedingt autoritär im Sinne von herrschsüchtig. Oftmals ist er genauso milde, wohlwollend und fürsorgend, wie es in den Augen Alexis de Tocquevilles der sich anbahnende totale Verwaltungsstaat war.

Und wie dieser staatliche Despotismus, so ist auch jene Tyrannei den Leuten genauso erträglich wie unerträglich. Dieser scheinbare Widerspruch ist schnell aufgelöst angesichts der Tatsache, dass diese Leute eben tyrannische Menschen und daher selbst, im kleinen, ihr eigener Tyrann sind. Der Tyrann hält sich zwar selbst nicht aus, ihm bleibt aber nichts anderes übrig als mit sich selbst auszukommen, und das bis zu seinem Tode. Auf das Zweigesicht demokratisches Regime – tyrannisches Regime lässt sich das gut übertragen, ohne auf irgendwelche „Ableitungen“ zurückgreifen zu müssen.

(Bild: Pixabay)

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