Anstoß

Wasser predigen und Wein trinken

Wer kennt sie nicht, die linken Heuchler? Im Studium, auf der Arbeit, im Freundes- und Bekanntenkreis, überall gibt es die linken Prediger, die sich selbst am wenigsten an ihre eigenen Gewissensideale halten.

„Gleiches Geld für alle“, brüllt der erste, bevor er zur Bank fährt und sein Konto füttert. „Multikulti ist großartig“, brüllt der nächste, bevor er in sein Einfamilienhaus  auf dem katholischen Land fährt. „Meinungsfreiheit ist das höchste Gut“, tönt ein anderer, bevor er ein „Das darfst du doch nicht sagen“ herausquetscht. Doch sie haben Vorbilder. Kluge Köpfe, berühmte Politiker, hohe Funktionäre, predigen seit Jahrhunderten Wasser und trinken selber Wein.

Platz 4: Verteilungsgerechtigkeit unter den (eigenen) Armen

Der ehemalige brandenburgische Landtagsabgeordnete Peer Jürgens wurde im Februar zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (auf Bewährung) verurteilt. Er hatte über zehn Jahre hinweg falsche Angaben zu seinen Wohnsitzen und Fahrtkosten gemacht und so Zuschüsse im Wert von über 80.000 Euro erschlichen. Aufgrund falscher Angaben trat er auch in seinem Nicht-Heimat-Wahlkreis an und verfälschte dadurch das Wahlergebnis. Hätte er dies aus politisch-ideologischen Gründen getan, hätte Jürgens dies zumindest moralisch rechtfertigen können. Ihm ging es einzig und allein um die erhöhten Zahlungen.

Man stelle sich einmal vor, ein AfD-Politiker hätte eine ähnliche Tat begangen. Er wäre am Nasenring durch die mediale Arena geschleift worden, obwohl er, trotz des kriminellen Verhaltens, nicht in dem Ausmaß wie Linke von Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit faselte. Jürgens bezeichnet sich auf seinem Blog als „Homo Politikus“ und kämpft für eine faire Umverteilung, gerade was Bildung und Studieren anbelangt. Die Bundesregierung folgt, so Jürgens in einer Rede, der „Forderung der Linken, nämlich dass sich die Bundesregierung stärker finanziell im Wissenschaftsbereich engagiert.“ 80.000 Euro könnten ja jetzt zusätzlich in den großen roten Top fließen? Aber Moment! Jürgens muss nur eine Geldstrafe von 7.200 Euro zahlen? Immerhin etwas.

Platz 3: Ein harter Kerl in Knast und Wildnis

Der junge amerikanische Intellektuelle Henry David Thoreau ging mit seinen bekanntesten Büchern Walden (Walden: Oder das Leben in den Wäldern) sowie Civil Disobedience (Über die Pflicht zum Ungehorsam über den Staat) in die Geschichte der politischen Philosophie ein. Thoreau lebte für einige Jahre zurückgezogen in den Wäldern und beeinflusste mit seinem Aussteigerdenken über Generationen junge Intellektuelle. Doch ganz so wild und einsam war sein Leben dann doch nicht. Angeblich, so berichten mehrere Quellen, besuchte er regelmäßig wohlhabende Verwandte zum Dinner und brachte seiner Mutter die schmutzige Wäsche.

Auch die Basis seines bekanntesten Werkes Pflicht zum Ungehorsam erscheint nicht gerade schrecklich. Thoreau verbrachte eine (in Zahlen: 1!) Nacht im Gefängnis, weil er sich weigerte Steuern zu zahlen, mit denen der amerikanisch-mexikanische Krieg bezahlt werden sollte. Später fand man heraus, dass die Steuerschulden viel älter waren, also Thoreau sich nicht aus ideologischen Gründen weigerte.

Das dichtete er später hinzu. Nach dem kurzen Aufenthalt im Gefängnis wurde die Schuld von einem wohlhabenden Verwandten bezahlt und Thoreau war wieder ein freier Mann. Mexiko wurde besiegt, mit dem Geld Thoreaus, der sich danach nicht scheute aus seinem erfundenen Pseudo-Aktivismus Kapital zu schlagen, indem er durchs Land reiste und Vorträge hielt. Heute ist er linksintellektuelles Vorbild vieler „Widerständler“ und beeinflusste durch sein Buch auch Mahatma Gandhi und Martin Luther King.

Platz 2: Aufklärung und Mündigkeit für die lieben Kleinen

Jean-Jacques Rousseau, weltbekannter Philosoph der französischen Aufklärung und Mitbegründer eines „urlinken“ Denkens in seinen philosophischen Schriften, äußerte sich nicht nur zum Staat und zur Politik. Er entwickelte auch eine moderne Erziehung für Kinder, die nicht mehr mit Zucht und Gewalt vollzogen werden dürfe, sondern spielerische Freiräume schaffen müsse. In seinem Roman Emile von 1762 forderte Rousseau die kindliche Entdeckungslust zu fördern und die Erziehung an das Alter der Kinder anzupassen. Wichtige Tugenden sind Mitleid, die vom Erzieher, der als „Freund“ des Kindes zu agieren hat, vorgelebt und beigebracht werden.

Das hört sich doch alles ziemlich gut an: Rousseau hat seine Vorschläge auch selbst beherzigt und war ein liebender und fürsorgender Vater. Spaß beiseite. Rousseau hatte fünf Kinder mit einer Geliebten. In seiner Autobiographie gab Rousseau zu, dass er alle seine Kinder in ein Waisenhaus hat bringen lassen. Praktisch hatte Rousseau also keinerlei Erfahrungen, doch beeinflusst er bis heute ganze Generationen von Verfechtern der Freundschaft zwischen Kindern und Erwachsenen. Es handelt sich also um ein Denken, das noch nie so richtig funktionierte, aber in der Theorie an Schönheit und Funktionalität nicht zu überbieten ist. In der Theorie.

Platz 1: Rechtsstaatlicher Rosinenpicker

Abseits der Öffentlichkeit verfasste Bundesjustizminister Heiko Maas einen „Brandbrief“. Spiegel-Online berichtete am 3. März 2017, dass sich Maas mit seinem Schreiben an den türkischen Justizminister wandte und unsere anatolischen Freunde vor einem „Abbau des Rechtsstaates“ warnte. „Eine freie Presse, unabhängige Richter und eine freie Anwaltschaft seien für jeden Rechtsstaat unverzichtbar“, zitierte beispielsweise die FAZ unseren Justizminister. Dumm nur, dass beide Zeitungen es nicht für nötig hielten, den Brief zu veröffentlichen, obwohl er „vorliegt“. Die Zeitungen erhalten eine Originalquelle, schlachten diese aus, aber weigern sich den Brief zu veröffentlichen. Und dann wundert man sich noch, dass das Vertrauen fehlt. Aber genug der unsauberen Arbeitsweise und zurück zur Heuchelei.

Sie ahnen es bereits: Maas plant seit einiger Zeit ein „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Elf Tage nach dem brennenden Brief an seinen türkischen Kollegen für Meinungsfreiheit, Pluralismus und Demokratie, stellte Maß sein neues Zensurgesetz vor. Betreiber von sozialen Netzwerken sollen zukünftig bis zu 50 Millionen Euro zahlen, falls sie „Hasskommentare“ nicht binnen 24 Stunden löschen.

Zudem sieht das Gesetz ein simples und übersichtliches Meldesystem vor, damit das Anschwärzen leichter gemacht wird, sowie ein Verbot der Wiederveröffentlichung eines bereits als „Hasskommentar“ eingestuften Inhalte und einen verpflichtenden Rechenschaftsbericht, den Unternehmen regelmäßig im Bundesanzeiger veröffentlichen müssen. Bleibt die abschließende Frage, was ein Hasskommentar ist? Das weiß dann keiner, aber die Unternehmen werden den Begriff lieber etwas weiter auslegen, sonst drohen empfindliche Geldstrafen. Dergleichen kann sich kein George Orwell besser ausdenken.

(Bild: Heiko Maas, Metropolico.org, flickr, CC BY-SA 2.0)

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