Gesichtet

Angela Merkel: „Si fecisti, nega“

Die Wahl ist vorbei und die neue-alte Kanzlerin heißt – wenn eine schwarz-gelb-grüne Koalition geschlossen wird – Angela Merkel. Parteien kommen und gehen, werden größer und verlieren, sie aber bleibt.

So bleibt die Kanzlerin augenscheinlich unbeeindruckt von der ständigen Talfahrt der SPD und dem erneuten Erscheinen der FDP im Bundestag. Auch für die „offenen Rassisten“, „völkischen Nationalisten“ oder „Antidemokraten“ hat sie kaum Worte übrig. Man hat das Gefühl, sie sitzt nach wie vor fest im Sattel. Umfragen zufolge ist immer noch eine Mehrheit, wenn auch eine hauchdünne, für die Kanzlerschaft Merkels. Auch der drastische Verlust „ihrer“ Union vergangenen Wahlsonntag scheint sie kalt zu lassen. Denn so lange noch auf dem Klingelschild des Kanzleramtes ihr Name steht, ist ja alles in Ordnung.

Warum kann Merkel nach der Wahl so ruhig bleiben?

Dabei muss man sich manchmal wirklich an den Kopf fassen und fragen, wie Merkel nach diesem Wahlkampf noch so ruhig scheinen kann. Es ist nicht eine öffentliche Wahlveranstaltung vergangen, in der Merkel nicht ausgebuht und beschimpft wurde. Man erinnere sich nur an den letzten ihrer Auftritte vor der Wahl in München. Ein wahres Pfeifkonzert. Aber ein Monarch ihres Kalibers lässt sich wohl nicht durch den Pöbel die gute Laune verderben. Es ist schließlich alles noch in bester Ordnung.

Na gut, der ehemalige Koalitionspartner wurde auf 20 Prozent runter geschrumpft und verabschiedet sich damit aus der Regierung. Die jetzigen Koalitionspartner verheißen keine ruhige Legislaturperiode. Die Grünen werden auf ihrem Kurs der Hypermoral beharren und die Einwanderung weiter forcieren wollen. Die FDP dagegen ist in der unangenehmen Lage einen zutiefst populistischen Wahlkampf geführt zu haben. Es wurde von Christian Lindner und Konsorten immer wieder ein strenger Kurs in der Flüchtlingspolitik gefordert. Jetzt wird man sich aus diesem Dilemma wieder herauswinden müssen, wie auch immer. Auf jeden Fall wird man, wenn man koalieren will, seine Wähler enttäuschen müssen, jedenfalls in einer Koalition mit Schwarz und Grün.

CSU in Bayern vor wohl schwerster Landtagswahl

Aber damit hatte die FDP in der Vergangenheit ja noch nie sonderlich große Probleme. Ob das ihr die Wähler durchgehen lassen werden? Vor allem vor dem Hintergrund, dass rund zwei Drittel der Wählerschaft der FDP das Thema „Flüchtlinge“ als sehr wichtig angaben. Und dann wäre ja auch noch die CSU, die nicht minder an ihrer Glaubwürdigkeit feilen muss.

Schließlich ist nächstes Jahr im Freistaat Landtagswahl. Da schafft es nicht gerade Vertrauen, wenn sie sich in Sachen Flüchtlingspolitik wie ein Fähnchen im Wind dreht und stets bellt, aber nie beißt. Die krachende Niederlage, die die CSU einfahren musste (Zweitstimmen nur noch 38 Prozent in Bayern) bei zeitgleichem Erstarken der AfD sind dann wohl auch die Quittung dafür.

Aber zurück zu Angela Merkel. Sie strahlt weiterhin die Zuversicht einer Trauerweide aus. Was den Deutschen wohl imponiert. Nicht einmal der Verlust ihrer eigenen Partei wird wohl zu einem Umdenken führen. Aber wieso? Merkel hat Machiavelli gelesen, verstanden und weiß es anzuwenden, was der Vordenker des klassischen Machtpolitikers geschrieben hat. In den Augen Immanuel Kants wäre die Kanzlerin wohl der Prototyp eines „politischen Moralisten“, der sich dadurch auszeichnet, immer nur den eigenen Vorteil, Machtausbau und Wohlstand im Blick zu haben. Jedoch nie das, wozu er gewählt wurde: um ein Volksvertreter zu sein.

Das Volk und die ganze Welt preisgeben

In seiner Schrift zum Ewigen Frieden aus dem Jahre 1795 analysiert Kant diesen Typus eines Politikers und kommt zu dem Schluss: „Statt der Praxis, deren sich diese staatsklugen Männer rühmen, gehen sie mit Praktiken um, indem sie bloß darauf bedacht sind, dadurch, daß sie der jetzt herrschenden Gewalt zum Munde reden (um ihren Privatvorteil nicht zu verfehlen), das Volk und womöglich die ganze Welt preiszugeben.“ Denn es ist offensichtlich, der Satz: „Ehrlichkeit ist die beste Politik“ widerspricht der täglichen politischen Realität nur allzu oft.

Der politische Moralist beugt das Gesetz der Moralität, um Politik nach dem eigenen Vorteil zu betreiben. Moral ist hierbei nichts als eine leere Worthülse, die zur Bemäntelung des eigenen Machtstrebens missbraucht wird. Diese Misshelligkeit sei dafür verantwortlich, dass ein Staat nicht zum ewigen Frieden gelangen kann. Erfahrungsgemäß erwächst nämlich der Friede am wenigsten aus einer Politik, die als einzige Maxime die persönliche Machtvermehrung kennt. Dieser Weg sei jedoch kurzsichtig und führe über kurz oder lang ins Verderben eines ganzen Staates.

Kant geht in seiner Schrift auch auf die Position Machiavellis ein, ohne dabei auch nur ein einziges Mal seinen Namen zu nennen. Der politische Moralist handelt im Wesentlichen nach drei Grundsätzen, die Kant so herrlich in einem zutiefst polemischen Abschnitt beschreibt. Erstens: „Fac et excause“. Sofern möglich, nimmt er alles in Besitz, was er nur zu fassen bekommt, egal ob es unrecht ist oder nicht. Die Hauptsache ist, dass es zum eigenen Vorteil gereicht.

Zweitens: „Si fecisti, nega“. Wenn der politische Moralist etwas verbrochen hat, also gegen das Gesetz gehandelt hat, um seinen Vorteil durchzusetzen, solle er diesen Umstand unter allen Umständen leugnen und die Schuld von sich weisen. Am besten noch einen Sündenbock erfinden. Und drittens: „Devide et impera“. Er soll in seinem Streben nach Macht jede Konkurrenz ausschalten, die seiner eigenen Machtfülle widerstehen könnte.

Merkel schreibt bei allen ab

Beim Lesen dieses Abschnittes drängt sich geradezu das Bild der deutschen Kanzlerin auf. Man möchte fast meinen, Kant habe diese Polemik einzig für sie geschrieben, vor über zweihundert Jahren. Merkel nimmt im Politischen alles in Besitz, was für sie von Vorteil ist. Sie geht „Fischen in fremden Gewässern“. Sei es nun der Atomausstieg von den Grünen, soziale Gerechtigkeit von der SPD, Marktliberalismus von der FDP und neuerdings auch verbale Forderungen nach konsequenter Abschiebung von der AfD. Diese Frau saugt alles auf wie ein Schwamm, der sich im deutschen Politikbetrieb festgesetzt hat.

Hat die Kanzlerin in ihrem Machstreben etwas Illegales oder moralisch Verwerfliches getan, so leugnet sie es oder einfach den Umstand, dass es illegal, beziehungsweise moralisch fraglich war. Von der Griechenlandrettung, bei der sie Milliarden deutsche Steuergelder verbrannte und europäische Verträge brach, über die Grenzöffnung im Herbst 2015, bis hin zur Einführung der Homo-Ehe. Überall wurde deutsches Recht gebeugt und gebrochen.

Stets wurde sich mit einer an Unverschämtheit grenzenden Kaltblütigkeit über Recht und Gesetz hinweggesetzt. Wenn sich jemand beschwerte, wurde meist keine Antwort gegeben oder das Volk von diversen Berufsquatschern so lange berieselt, bis es sich mit dem Rechtsbruch abgefunden hatte. Auch wurde immer mal wieder ein Bauernopfer gebracht, wie der Kölner Polizeichef, der nach jener besagten Silvesternacht seinen Schreibtisch räumen musste.

Gauland: Wir werden sie jagen

Wurde jemand Merkel in der Vergangenheit zur ernsthaften Konkurrenz, wurde er kurzerhand kaltgestellt. Ob es nun ein Friedrich Merz, ein Herr Seehofer oder ein gewisser Finanzminister war. Die Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Gemein haben all diese Namen, dass sie sich entweder der Kanzlerin bedingungslos unterordneten oder ihre politischen Karrieren plötzlich beendet waren.

Man darf sich wohl auf weitere vier Jahre Merkel einstellen. Denn man kann in der Zwischenzeit getrost sagen, Merkel sei die politische Einheitsfront in Deutschland. Parteien spielen da nur noch eine untergeordnete Rolle. So werden sich auch dieses Mal Koalitionspartner finden, die bereit sind, die Interessen der Wähler hintanzustellen. Interessant ist es dennoch wieder geworden. Denn mit der AfD ist jetzt eine Kraft in den Bundestag gespült worden, die der ewigen Kanzlerin wirklich mal einheizen könnte. Oder wie Fraktionsführer Alexander Gauland es ausdrückte: „Wir werden die (…) Kanzlerin jagen!“

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