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Angriff von Rechtsaußen: Ronny Blaschke fühlt sich unwohl in deutschen Stadien

Wer am Sonnabendnachmittag regelmäßig seine Zeit in Fußballstadien verbringt, hat dabei vermutlich wenig politische Hintergedanken. Sollte man jedenfalls meinen. Ganz anders sieht das nämlich Ronny Blaschke, Sportjournalist und Buchautor, der 2009 vom Medium Magazin zum Sportjournalisten des Jahres gekürt wurde. Was war das Thema seines Artikels? Klar, Nazis! Mit seinem Artikel „Angriff von rechts außen“ habe er „eindrucksvoll den Blick auf Tabuthemen im Profisport“ gelenkt, „mit außerordentlichem Mut und beharrlicher Recherche“, so die Begründung der Jury. Nun, mit der Verarbeitung dieses Themas scheint man einigermaßen Geld verdienen zu können. Bereits 2007 hatte Blaschke mit „Im Schatten des Spiels – Rassismus und Randale im Fußball“ eine „umfassende Analyse der Fußballfankultur“ (Deutschlandradio Kultur) vorgelegt. Schon damals hatte er die vollständige Kommerzialisierung der englischen Liga als Normalisierung gefeiert, da jetzt der klassische englische Hooligan keinen Zugang zu Stadien mehr erhalte.

Jetzt ist sein neues Buch Angriff von Rechtsaußen: Wie Neonazis den Fußball missbrauchen erschienen. Das wäre nun alles herzlich wenig interessant, wenn Ronny Blaschke nicht vergangenen Freitag dem Deutschlandradio Kultur ein Interview gegeben hätte, bei dem er und der Moderator sich gegenseitig über rassistische Fans, die rassistische Gesellschaft und eben das klassische Thema der Unterwanderung durch fiese Nazis hochschaukelten. Rechtsextremismus und Rassismus sind ein dauerhaftes Thema im Fußball, stets begleitet von ihren hässlichen Geschwistern Sexismus und Homophobie. So der Tenor des Buches. Und was gibt es da schöneres für einen Autor, der derartiges aufdecken will, wenn sein Interviewer so gut auf das Thema abfährt:

Sie sprechen übrigens mit einem, der erst einmal in seinem Leben in einem Fußballstadion war, das war Berliner Olympiastation, Deutschland – Argentinien, WM 2006. Ich bin seither nie wieder hingegangen, weil ich die versteckten Hitlergrüße der Fans einfach unerträglich fand – ein ganzer Block brüllt „Sieg!“, lässt das „Heil“ weg und streckt statt der flachen Hand die Faust gen Himmel. Habe ich das falsch verstanden oder spielen da die Fans mit dem Tabu eines Nazisymbols?

Der moralisch selbst erhöhende Unterton ist unüberhörbar und fast meint man, Moderator Stephan Karkowsky laufe dennoch ein wohliger Grusel über den Rücken, wenn er an die ganzen Zombies denkt, die dort ihren vermeintlichen Hitler grüßen. Dankbar nimmt Blaschke den perfekten Pass in den Lauf an, auch wenn er wahrscheinlich weiß, was für eine absurde Analogie Karkowsky da zieht:

Ich glaube, die meisten sind sich gar nicht bewusst, was das auch sein kann, was das auch für ein Symbol sein kann, aber ich finde das genau so martialisch und ich fühle mich da genau so unwohl in dieser sehr männlich geprägten, robusten patriarchalischen Struktur. Und der Fußball an sich, wenn wir beim Thema bleiben, der hat Befehl, Gehorsam, das sind alles ritualisierte Aktionen, wo Rechtsextreme immer wieder andocken, denn Fußballfans definieren sich ja auch über ihre Unterschiede zu anderen Gruppen, über ihre Unterschiede und Ausgrenzung. Das wird ja da richtig kultiviert und konserviert, und ich fühle mich da auch nicht so wohl.

Die tatsächlichen Beispiel für die „Unterwanderung“, die er im Interview nennt, sind dann leider mehr als dürftig, ein Schiedsrichter in der Kreisliga, der gleichzeitig in der NPD ist und einen kleinen Verein aus Thüringen, den ein Neonazi gegründet habe, der mit dem Verein Jugendliche an Kameradschaften heranführen wolle. Blaschke hat sich sogar getraut mit den Nazis zu reden. „Fair und aufschlussreich“ findet das Karkowsky, langweilig klingt das Ergebnis. Und da es viele Vereine gibt, die sich ausdrücklich gegen rechts stellen, weil Fußballfunktionäre Wert auf „saubere Stadien“ (Karkowsky) legen, „Fans aussortiert“ (wieder Karkowsky) werden, die „Szenekleidung“ tragen, weil auch DFB-Präsident Theo-„Más Integracion“-Zwanziger so ein wackerer Gegen-Rechts-Kämpfer ist, scheint das Thema irgendwie nicht so den richtigen Volltreffer zu bringen.

Doch da haben wir die Rechnung ohne Blaschke und den Allzeit-Edeljoker Wilhelm Heitmeyer gemacht. Den hat Blaschke nämlich auch befragt. Heraus kommt Altbekanntes: Über 50 Prozent der Deutschen sind gruppenbezogen menschenfeindlich, weil sie meinen, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Blaschke: „Also, rechtsextreme Einstellungen gehen bis tief in die Gesellschaft, und da kann die NPD immer wieder andocken.“

Mit Heitmeyer habe er „über den schmalen Grat zwischen Patriotismus und Nationalismus“ gesprochen. Und dieser habe in einer Studie belegt, dass die Fremdenfeindlichkeit nach der WM 2006 angestiegen sei. Außerdem seien Nazis gar nicht mehr nur rassistisch sondern weichen, geschickt wie sie sind, auf Homophobie und Sexismus aus. Als Beispiel dafür führt Blaschke ein Wortgefecht aus dem Jahr 2007 an, in dem Dortmunds Torwart Weidenfeller den damaligen Schalker Asamoah als „schwarzes Schwein“ bezeichnet haben soll. Nachweisen konnte man ihm nichts, mit dem DFB einigte man sich dann auf „schwules Schwein“ und Weidenfeller erhielt statt ursprünglich sechs nur drei Spiele Sperre.

So bleiben die Fälle also recht dürftig. Vielleicht sind sie im Buch ja ausführlicher, aber selbst Moderator Karkowsky fragt sich, ob nicht der „Abwehrreflex der Gesellschaft gegen Rechts womöglich stark genug ist, um den Rechten im Fußball am Ende doch keine Chance zu lassen?“ Das sollte man meinen, wenn selbst bei Hansa Rostock NPD-Angehörige handgreiflich aus dem Stadion geschmissen werden. Blaschke jagt also weiterhin Gespenstern der Vergangenheit hinterher, während andere Probleme (hier, hier und hier) wesentlich drängender sind.

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