Gesichtet

Angst: Schmiermittel der Demokratie

Angst ist dieser Tage in der Presse ein geflügeltes Wort. Und zwar immer dann, wenn es gilt, einen Wahlsieg der sogenannten „Rechtspopulisten“ zu erklären. Neuster Hit: Ungarn.

Schon seit einiger Zeit geht in Europa dieses Gespenst um, dass in Schreibstuben deutscher Qualitätspresse offenbar für Kopfschmerzen sorgt. Verständlich. Denn deutsche Journalisten sind in der Regel linke Journalisten. Und linke Journalisten (wie im Übrigen Linke generell) haben sich eine Arroganz zu eigen gemacht, die ihnen die Fähigkeit verleiht, alle anderen Meinungen zu ignorieren, zu diffamieren. Und das alles, ohne sich auch nur im geringsten mit diesen beschäftigt zu haben. Des Weiteren weisen jene Schreiberlinge oft ein gewaltiges Maß an Realitätsresistenz auf.

Aus Angst rechts gewählt?

So ist eine gängige Erklärung, wie rechte Parteien mit erschreckender Regelmäßigkeit (Auch im Nie-wieder-Land Deutschland) Wahlerfolge einfahren, während linke Parteien oft an Gewicht und Bedeutung einbüßen, die Angst der Wähler. Die These: Sobald Wähler vor irgend etwas Angst haben, wählen sie rechts. Des weiteren würden rechte Parteien diese Angst noch schamlos befeuern. So auch die Süddeutsche Zeitung, die verkündete, Viktor Orban und seine Parteifreunde hätten vor allem mit der Angst vor Einwanderung ihren Wahlkampf geschmissen.

Anders sei das Ergebnis von weit über 50 Prozent nicht zu erklären. Weiter die These, Wähler würden in dem Moment nicht mehr rechts wählen, wenn sie die Angst verlören. Angst werde aber genommen durch die guten, also linken Parteien. Somit ist ein rechter Wahlsieg lediglich der gescheiterte Versuch der moralisch überlegenen Linken, den Menschen ihre (unbegründete und daher irrationale) Angst zu nehmen.

Quintessenz dieser These ist, „Rechtspopulisten“ könnten nur aufgrund bürgerlicher Irrationalität in Wahlen gewinnen. Das an den Forderungen der Rechten (hier der Stopp von muslimischer Einwanderung nach Ungarn und Europa) etwas dran sein könnte, wird nicht einmal in Betracht gezogen, weil sonst das oben skizzierte Kartenhaus zusammenbrechen würde. Wie soll man sich noch auf seine wie auch immer geartete Überlegenheit berufen, wenn die anderen nicht generell unrecht haben?

Politik muß Ängste thematisieren

Ist es aber so verwerflich, die Ängste der Wähler in der Politik zu behandeln? Darauf einzugehen? Diese Frage lässt sich unterschiedlich beantworten. Entscheidend ist, wie man Angst definiert. Man kann Angst natürlich als ein irrationales Moment innerhalb einer sonst rationalen Welt erklären. Demnach hat Angst keine Daseinsberechtigung, da sie den Mensch davon abhält, vernünftige Entscheidungen zu treffen. So ist es nicht rational vor einer Spinne oder Schlange Angst zu haben, die gar nicht giftig ist. So wäre es rational die dicke schwarze Spinne in der Badewanne einfach zu entfernen, um sich anschließend duschen zu können.

Ganz und gar unsinnig ist es hingegen, schreiend durchs Haus zu rennen und zu kreischen, bis ein anderer die Spinne entfernt hat. Wenn deutsche Journalisten abfällig von der „Angst der Wähler“ schreiben, vertreten sie offensichtlich diese Definition von Angst. Andernfalls würde ihre Argumentation keinen Sinn ergeben. Projiziert man dies nun auf den Wahlkampf Orbans (aber auch auf den der AfD), so würde das bedeuten, die Angst vor muslimischer Einwanderung ist durchaus irrational, weil nicht jeder Muslim, der unsere Grenzen überschreitet ein Frauen vergewaltigender und mordender Irrer ist.

Anders herum wird aber auch ein Schuh draus. Definiert man Angst als rationales Moment, so macht es durchaus Sinn, diese Ängste in die Politik mit einzubeziehen. Das Kreischen und im Haus herumrennen einmal beiseite gelassen, ist es unter Umständen durchaus gut und richtig, eine gewisse Angst vor Spinnen und Schlangen zu haben. Denn wenn man nicht gerade ein Spinnenexperte ist, wird man mit Sicherheit nie ganz sagen können, ob nun besagte Spinne giftig sei oder nicht. Vor allem, wenn die Spinne anders aussieht, wie bisherige Otto-normal-Spinnen.

So kann Angst Leben retten, wenn man statt vertrauensselig die Spinne in die Hand zu nehmen (und einen Spinnenbiss zu riskieren) sie einfach totschlägt. Sicher ist sicher. Oder deutlicher: Wenn man von einem messerschwingenden Typen angegriffen wird, ist es klüger auf seine Angst zu hören und die Beine in die Hand zu nehmen.

Mehr muslimische Einwanderung = mehr Kriminalität

Im Falle der „Ängste“ der Wähler und deren Bedienung durch die „Rechtspopulisten“ hießt das für den Wahlkampf Viktor Orbans, dass ein nicht zu leugnender Zusammenhang zwischen muslimischer Masseneinwanderung in bestimmte europäische Länder und einem signifikanten Anstieg an Vergewaltigungen, Morden in der Öffentlichkeit und Terrorakten in besagten Ländern besteht.

Überspitzt formuliert: Muslimische Masseneinwanderung gleich Verlust der öffentlichen Sicherheit. Aufgrund dieser Schlussfolgerung ist es nicht nur gestattet, sondern mithin geraten, Angst vor Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern zu haben. Und von der Politik sei verlangt – wenn sie nicht als vollkommen unfähig gelten will – diese Angst ernst zu nehmen und etwas dagegen zu unternehmen.

Nun aber der klassische Einwand linker Fantasten, in Ungarn (ebenso wie in Ostdeutschland) gäbe es kaum Muslime und dadurch auch keinen Anstieg an Terrorakten oder Vergewaltigungen: Wieso hätten dann diese Menschen Angst? Dafür gäbe es doch keinen Grund, was die Angst wiederum irrational mache. Weit gefehlt! Denn um vor einer Entwicklung Angst haben zu können, muss man diese nicht zwingend am eigenen Leib erfahren haben. Man zweifelt schließlich auch nicht daran, dass der Apfel vom Baum fällt, auch wenn einem selbst noch nie einer auf den Kopf gefallen ist. Denn so funktioniert nun einmal Logik.

Ist Luftverschmutzung erst nach Lungenkrebs schlimm?

Und überhaupt: Auf welch unverfrorene Art und Weise wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Schließlich machen alle Parteien mit den Ängsten und Befürchtungen der Wähler Politik. Werben die Grünen nicht auch mit den Folgen des Klimawandels? Darf man sich erst Sorgen um die verschmutzte Luft machen, wenn man an Lungenkrebs krepiert ist?

Und was ist mit den Sozialdemokraten? Diese machen doch auch mit der Angst vor Altersarmut Stimmung. Das heißt, sie versuchen es. Nur nimmt ihnen das niemand mehr ab. Außer die FDP. Die finden einfach nur ihren Christian Lindner toll. Toll genug immerhin, um dessen Konterfei überallhin zu tapezieren. Zusammen mit so sinnfreien Sprüchen, dass man meinen könnte, sie stammten aus der geschlossenen Abteilung einer Irrenanstalt.

Insofern ist und bleibt Angst das Schmiermittel für jeden demokratischen Wahlkampf. Eine andere Frage ist, ob die Angst begründet ist oder nicht. Im Falle des Wahlkampfthemas Viktor Orbans und anderer lässt sich der rationale Gehalt nicht leugnen und ist daher nicht nur legitim, sondern geradezu notwendig in den Wahlkampf einzuflechten. Denn wenn es legitim ist, Politik auf der Angst vor Erderwärmung zu machen (die vom Menschen nicht beeinflusst wird!), dann ja wohl auch damit, dass die Leute Angst haben, in naher Zukunft in einem Land zu leben, in der Begriffe wie Menschenrechte oder Meinungsfreiheit Fremdwörter geworden, in der Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradiert worden und das Schweineschnitzel aus dem Grillsortiment verschwunden ist.

(Bild: Viktor Orban, European People’s Party, flickr, CC BY 2.0)

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