Ist Angst ein politischer Begriff? Wenn man den aktuellen Wahlkampf in Bayern betrachtet wohl schon.
Schließlich ist kaum ein anderes Schlagwort so omnipräsent. Vor allem wird es in Kombination mit anderen Worten besonders häufig angetroffen, wie „machen“ oder „schüren“. So lautete der Titel einer Demonstration „gegen eine Politik der Angst“ und der Slogan der Grünen im Wahlkampf: „Mut geben statt Angst machen.“
Dabei sind die Rollen eindeutig verteilt. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die Mut machen wollen für die Zukunft, den Bürger bei der Hand nehmen. Auf der anderen Seite hingegen wird Angst gemacht. Eine Erklärung der Grünen vom 11. September ist hierbei als erhellend zu bezeichnen. Es gelte, die „Gesellschaft zusammenzuhalten“. Schließlich stehe nichts Geringeres auf dem Spiel als „die Zukunft unserer Demokratie“.
Tauschen die Grünen wirklich so bereitwillig Argumente aus?
Beschrieben wird ein Zustand, in dem dieses Land sich befindet, der es in sich hat. Demnach gehe ein tiefer Riss durch die Gesellschaft. Sich gegenüber stehen zwei unversöhnliche Gruppen. Es stehe der Wille zu einer Gesellschaft, in der „alle dazugehören“ gegen „Ausgrenzung und Hetze“. Einerseits „Austausch von Argumenten“, andererseits „Populismus und Parolen“. Anders gesagt: auf der einen Seite stehen „Demokraten“. Diesen gegenüber rotten sich „Rechtsextreme“ zusammen. Ein Szenario, das endzeitliche Stimmung verbreitet. Jetzt fehlt nur noch Schwefelgestank und Feuer, das vom Himmel regnet.
Dabei sind die zwei Parteien nicht genau benannt, aber jeder wird wohl wissen, wer damit gemeint ist. Es sind die „demokratischen Parteien“ gegen die „Nazis in Nadelstreifen“. Wahlkampftechnisch durchaus verständlich. Man versucht sich selbst immer als den Guten darzustellen, den politischen Gegner hingegen als im Unrecht liegend. Hinzu kommt offensichtlich noch eine gute Prise moralischer Verurteilung. Und fertig ist eine Wahlkampfstrategie, die gänzlich ohne Argumente auszukommt. Böse nämlich gleich irrational und irrational lässt sich nicht mit Argumenten beikommen.
Interessant dabei ist die Formulierung: Wenn in der Erklärung der Grünen davon gesprochen wird, man werde das Schüren von Ängsten nicht hinnehmen. Ein Blick in den Duden zeigt, man kann nur etwas schüren, was schon da ist. Als Synonyme werden unter anderem „anstacheln“ „entfesseln“ und „anfachen“ genannt. Man gesteht dem Wähler also durchaus zu, Ängste zu haben. Ängste vor der Zukunft, vor den Massen an Asylanten, vor steigender Gewalt von Ausländern gegenüber Deutschen, davor auf offener Straße mit einem Küchenmesser abgestochen zu werden.
Grundlose Ängste und feindselige Stimmungen
Annehmen muss man sich dessen aber nicht wirklich. Es reicht dem Wähler zu versichern, er habe grundlos Angst. Denn wo immer das Wörtlein Angst auftaucht, wird es sogleich in den Kontext der „Hetze“ gestellt. Auch hier ist ein Blick in den Duden hilfreich. Schlägt man besagtes Wort nach, heißt es: „Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen und Handlungen, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden, etwas erzeugen.“ Wenn es also dieser Anstrengung benötigt die Angst beim Wähler aufrecht zu halten, kann diese gar nicht ernstzunehmend sein. Schließlich verflüchtigt sie sich, sobald diese Hetze aufhören würde.
Festgemacht wird das daran, dass viele Leute ihre Angst vor diesem oder jenem nicht genau ergründen können. Verständlich. Schließlich hat nicht jeder eine aktuelle Polizeistatistik im Kopf oder wird gar ständig von Ausländern angegriffen. Daraus zieht man dann den Schluß: die Angst ist unbegründet, also falsch. Aber ist es nicht ein Wesenszug der Angst, nicht immer rational begründet zu sein? Denn das bedeutet noch lange nicht, diese sei nicht vernünftig.
Zumal man in den meisten Fällen wohl nicht von Angst im eigentlichen Sinne reden kann, sondern eher von einem tiefsitzenden Misstrauen und Skepsis. Wie denn auch sonst? Man hört und liest andauernd von Menschen, die am helllichten Tag erstochen und Frauen die durch Gruppen vergewaltigt wurden. Das gab es in diesen Ausmaßen vor einigen Jahren noch nicht in unserem Land. Dann stellt sich in den allermeisten Fällen heraus, dass es sich bei den Tätern um Ausländer, meist muslimischen Glaubens und als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, handelt. Ist es da verwunderlich, wenn das als Bedrohung aufgefasst und misstrauisch – oder auch ängstlich – beäugt wird?
Kampf gegen rechts ist auch Hetze
Dies alles vorausgesetzt; was genau wird eigentlich unter einem Schüren der Angst verstanden? Die „Nazis in Nadelstreifen“ nennen die Dinge schließlich nur beim Namen und fordern Konsequenzen. Und überhaupt? Wenn man alle, die so denken, pauschal als „Rechtsextreme“ betitelt und nach einer völlig unbegründeten Beobachtung durch den Verfassungsschutz schreit, ist das dann keine Hetze, sondern ein Kampf für ein „Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“?
Wenn jede Äußerung der AfD im Bundestag als Rassismus diffamiert wird, wenn Anschläge auf AfD-Politiker und auf ihren Besitz (Häuser, Autos, etc.) toleriert werden, gar gebilligt, wenn man die ganze Zeit von Menschheitsfeinden und Demokratiegegnern spricht – was ist dann das? Hier wird mit den Anschuldigungen der Hetze und des Angst-Machens selbst Hetze betrieben und Angst gemacht, wird ausgegrenzt!
Dabei wäre sich doch nur zu wünschen, wenn die Grünen und ihre „demokratischen“ Kampfgenossen ihre eigene Forderung beherzigen würden. „Setzen wir in den kommenden Wochen und bei der Landtagswahl klare Zeichen: gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung. Für unsere Demokratie. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und für einen menschlichen Umgang miteinander.“
(Bild: Bayerns grünes Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, Quelle: Dominik Butzmann)