Rezension

Arno Breker: Im Strahlungsfeld der Ereignisse

Arno Breker gilt als einer der umstrittensten Künstler des 20. Jahrhunderts. Nachdem Albert Speer mit der Planung „Germanias“ beauftragt wurde, holte er sich Breker, der nicht nur Bildhauer, sondern auch Architekt war, ins Boot und beide arbeiteten wie besessen an der Verschönerung der Reichshauptstadt.

Arno Breker war – wider den heutigen „Anbräunern“ – kein Nationalsozialist. Er war ein Kind seiner Zeit, mit einem griechisch-deutschen Ideal und einer schier unvorstellbaren Gabe, den Menschen in all seiner Schönheit und Emotionalität darzustellen.

Seine Autobiographie Im Strahlungsfeld der Ereignisse ist der ultimative Geheimtipp für alle, die Jahrzehnte später Antrieb und Werdegang eines gigantischen deutschen Künstlers nachvollziehen wollen, aber auch um die Epoche des Nationalsozialismus besser zu verstehen. Brekers Aufzeichnungen beginnen in den 20er Jahren. Er ist chronisch pleite, tourt durch Europa und erhält endlich ein Stipendium in Italien. Doch die politischen Entwicklungen machen ihm einen Strich durch die Rechnung und er muss zurück nach Deutschland.

Bildhauer ersten Ranges

Nach und nach avanciert er zum Bildhauer ersten Ranges und schließlich erhält er vielleicht den größten Auftrag, den jemals ein Künstler erhalten hat: Sein Kunstwerk soll Berlin sein. Sein Kunstwerk soll Germania werden. Doch lange bevor seine Pläne und Werke fertiggestellt werden, endet der Krieg und die Alliierten besetzen Deutschland. Ein Teil seiner Jahrhundertkunst fällt den Bomben zum Opfer. Ein noch größerer Teil wird mutwillig von den Alliierten zerstört. Nach Angaben Brekers wurden 90 Prozent seiner Kunst, die er zwischen 1937 und 1945 erschuf, von den Amerikanern vernichtet.

Breker selbst wird als Mitläufer eingestuft – also freigesprochen. Seine Tantiemen, die er nie angebrochen hatte, werden eingezogen. Er muss neu starten. Doch schnell wird er zur Zielscheibe des neuen, linken Kulturbetriebs. Das alternde Männlein mit seiner gottgleichen Schöpfungskraft wird verleumdet, beschmutzt, ausgeschlossen. Der Rheinländer ist eines der ersten Opfer der „68er-Republik“, ohne wirklich zu verstehen, was er falsch gemacht hat. Einem falschen Herren gedient, mehr kann man ihm nicht anlasten.

Ein Humanist

Breker war Humanist – im schöpferischen, wie auch im charakterlichen Sinne. Er rettet beispielsweise Pablo Picasso das Leben, nachdem dieser für die Kommunisten im besetzten Frankreich Geld geschleust hatte und zum Tode verurteilt wurde. Er versuchte die „Entartete Kunst“ zu retten und beschützte Juden vor der Verfolgung. Wer Breker einen Nazi nennt, hat nichts verstanden. Wohl kaum ein Kunstschaffender kann eine derartige Diskrepanz zwischen öffentlicher Darstellung, Realität und subjektivem Erleben vorweisen wie Arno Breker. Um das zu verstehen, muss man die „Strahlungsfelder“ lesen.

Ob seine Aufzeichnungen objektiv sind? Natürlich nicht! Aber sie sind um Längen näher an der Realität als das, was das bundesdeutsche Feuilleton mit präziser Regelmäßigkeit, selbst 29 Jahren nach Brekers Tod, in den Blätterwald posaunt. „Michelangelo des Dritten Reiches“ ist noch eine der freundlichen Titulierungen. „Nazi-Günstling“, „Am Größenwahn gescheitert“, „Auf zweifelhaftem Ruhm gebaut“ usw. sind Bezeichnungen im Monatstakt.

Im Gespräch mit Elfriede Jelinek

1979 führt Elfriede Jelinek ein Interview mit dem fast 80-jährigen Breker. Wie ekelhaft man mit dem Bildhauer umgegangen ist, zeigt ein kleiner Ausschnitt, stellvertretend für hunderte Gemeinheiten gegenüber dem „Nazi-Günstling“:

Breker: Diese politischen Diffamierungen haben natürlich Konsequenzen gehabt.

Jelinek: Welche?

Breker: Die, dass ich keine Aussagekraft als Bildhauer mehr hatte. Ich habe in vierunddreißig Jahren nur zwei offizielle Aufträge bekommen.

Jelinek: Aber das hat doch nichts mit Diffamierung zu tun. Ihre Aussagekraft ging verloren, weil das Regime, in welches diese Aussage passte, vorbei war. Es ist doch naiv, zu erwarten, dass die Bundesrepublik Deutschland Ihnen im selben Maße Aufträge erteilt wie Hitler, der dieses Land in den Abgrund geführt hat.

Breker: Ich weiß gar nicht, warum ein Künstler, wenn er einen Auftrag bekommt, etwas Politisches sein muss. Dann hätte ja auch die Lieblingsfirma Hitlers, nämlich Mercedes, heute keine Daseinsberechtigung mehr.

Jelinek: Mercedes ist ja ein Privatunternehmen.

Breker: Ich bin ja auch ein Privatunternehmen.

Jelinek: Ja, aber Sie erwarten, dass der Staat Sie beschäftigt. Als Privatunternehmer haben Sie ja ausreichend Kundschaft und ein gesichertes Leben. Warum wollen Sie unbedingt Staatsaufträge?

Breker: Ich will überhaupt nichts. Ich will meine Ruhe haben, verstehen Sie? Ich habe nichts gemacht, was gegen das Künstlerische verstößt, gegen die Ehre und Mentalität des künstlerischen Berufes.

Jelinek: In welcher Form werden Sie denn belästigt?

Breker: Ich habe nach dem Krieg nicht mehr ausstellen können. Man hat mich nicht eingeladen.

Jelinek: Aber dann haben Sie ja die Ruhe, die Sie sich wünschen.

(…)

Wer Brekers Sicht auf 40 Jahre Deutschland haben will, sollte seine Autobiographie lesen. Dort erfährt er auch, wie über Nacht Teile des Expressionismus zur entarteten Kunst erklärt wurden und warum Kronprinz Wilhelm nur noch verdünntes Bier saufen musste. Absolut spannend, absolut authentisch.

Einer der letzten, die sich trauten, offen für Breker Partei zu ergreifen, war der Schauspieler Sir Peter Ustinov: „Es gibt immer kleine Kläffer, die große Hund anbellen. So geht es Arno Breker mit unqualifizierter Kritik an ihm. Als Künstler kann ich fühlen, welche Leistung dieser Mann vollbracht hat.“

(Bildhintergrund: Atamari, CC BY-SA 3.0)

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