Anstoß

Aus dem Tal der Ahnungslosen (VI): Tautenhain

Tautenhain

Wer über die Vorzüge der Globalisierung spricht, darf über Tautenhain nicht schweigen.

So in etwa könnte man die Quintessenz der ARD-Reportage über „Herr und Frau Petry“ vom Montag zusammenfassen. Zum Glück verfehlte der Film von Eva Müller damit seine eigentliche Intention, brachte aber ein viel wichtigeres Thema als die gescheiterte Ehe und politischen Differenzen der Petrys vermutlich unbeabsichtigt zum Ausdruck.

Die Gespräche mit den Bürgern und eingefangenen Eindrücke aus dem sächsischen Tautenhain, das eine Dreiviertelstunde südlich von Leipzig liegt, offenbarten, warum es im Osten rumort. Es geht hier um den Konflikt zwischen Zentrum und Peripherie. Von der Weltoffenheit und dem derzeitigen Wirtschaftswachstum profitieren nur die Städte, wo man indisch essen geht, Universitäten besucht und zwischen mehreren hochtechnisierten Arbeitsplätze wählen kann.

In Tautenhain und anderen Nestern schließen derweil die Bäcker, Fleischer, Schulen und wenigen kulturellen Angebote. Den Internetausbau hat die sächsische Regierung verpennt, so daß es völlig unmöglich ist, sich in der Pampa mit einem innovativen Start-up selbständig zu machen. Die Abwanderung der klügsten Kinder, die das Gymnasium besuchen, wird sich somit fortsetzen, wenn auch nicht in dem erschreckenden Tempo der letzten 25 Jahre.

Das alles wissen die Einheimischen aus eigener Erfahrung, obwohl sie über das Fernsehen mit anderen Nachrichten versorgt werden, die überhaupt nicht zu diesen Alltagseindrücken passen. Die Älteren haben traurig mit ansehen müssen, wie ihre Kinder sich verabschiedeten, bekommen jetzt aber erzählt, es sei aus wirtschaftlichen Gründen notwendig, ausländische „Fachkräfte“ direkt bei ihnen in der Region anzusiedeln.

Unverständnis und Widerstand sind da vorprogrammiert. Abgesehen von überschaubaren Einzelerscheinungen wie der Ausbreitung radikaler Muslimbrüder ist der Islam natürlich kein Problem in Sachsen. Dieses liegt an ganz anderer Stelle: Von den immer wieder vertrösteten Bürgern in Tautenhain zu erwarten, daß sie etwas ihnen Wesensfremdes als neuartige „Bereicherung“ anerkennen und Menschen helfen, zu denen sie überhaupt keinen Bezug haben, ist eine bodenlose Frechheit der Politik.

Und die Ignoranz gegenüber den Sorgen und Nöten der kleinen Leute setzt sich fort. Vor einigen Tagen kündigte das Unternehmen BOSCH an, in Dresden eine neue Halbleiterfabrik zu bauen. Zu den Kosten von einer Milliarde Euro schießt unser Staat 200 Millionen Euro zu, damit 700 neue Arbeitsplätze entstehen. Für die Entwicklung des „Internets der Dinge“ stehen also pro Angestelltem Steuergelder in Höhe von 300.000 Euro zur Verfügung, die auch in Tautenhain mühsam erwirtschaftet werden mußten.

Wann sich diese Investition des Staates rentiert, wann BOSCH also mehr als 200 Millionen Euro an Steuern in Sachsen gezahlt haben wird, rechnete der Wirtschaftsminister übrigens nicht vor. Das ist die Arroganz der Macht. In Tautenhain darf man deshalb zu Recht fragen, warum die Herren Politiker nicht bei ihnen vorbeigekommen sind und jedem ein paar hunderttausend Euro geschenkt haben. Mit diesem Geld ließen sich vielleicht die Kinder und Enkelkinder zurückholen.

„Rückkehrprogramm Ost“ – das wäre doch mal was! Sachsen kann aktuell jeden guten Lehrer, Polizisten, Unternehmer und Arzt gebrauchen. Nötig wäre für eine solche Strategie aber eine grundsätzliche Wende: Statt eine Politik für Großstädte, Großunternehmen und die internationale Vermischung zu betreiben, gehören endlich wieder die natürlichen Interessen der kleinen Leute in den Mittelpunkt unserer Überlegungen.

(Bild: Jwaller, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

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Geboren 1985 in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften, Politik und BWL in Halle. Lebt in Meißen.

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