Rezension

Babylon Berlin

Am 13. Oktober startete „Babylon Berlin“ als teuerste deutsche Serie aller Zeiten auf dem Bezahlsender Sky 1. Was wird euch erwarten?

Der Start war vielversprechend: Die ersten beide Episoden hatten innerhalb einer Woche über eine Million Zuschauer. Worum geht es? Der Hauptkommissar Gereon Rath („Wer heißt denn so? Kommen Sie aus dem Mittelalter?“ – „Nein aus Köln!“) wurde in einer pikanten Angelegenheit nach Berlin geschickt. Es existiert Bild- und Filmmaterial von sexuellen Perversionen und Fetischen berühmter Politiker.

Diese sollen gefunden und zerstört werden um einen Skandal zu verhindern. Als neues Mitglied der Berliner Sitte versucht er mit seinem derben Kollegen Bruno Wolter der Sache auf die Spur zu kommen. Mit von der Partie ist die junge und vorlaute Charlotte Ritter, die sich als Hobby-Kommissarin überall einmischt. Die drei kämpfen sich, mal alleine, mal zusammen, durch die Berliner Unterwelt, die Drogen-, Sex-und Partyszene und die politischen Grabenkämpfe der Goldenen Zwanziger.

Gesamteindruck: 8/10

Zuallererst: Die Serie ist wirklich gelungen und beweist, dass wir Deutschen uns filmisch nicht zu verstecken brauchen. Trotz größter Skepsis gegenüber einheimischen Fernseh- und Serienproduktion muss man anerkennen, dass das Team um Tom Tykwer eine große Leistung abgeliefert hat. Gelegentlich etwas überzeichnet und schrill schaffen die Regisseure ein rundes Bild der Berliner Zwischenkriegszeit zu zeichnen.

Was davon dem Autor der Kriminalserie um den Kölner Gereon Rath, Volker Kutscher, geschuldet ist, kann ich leider nicht beurteilen. Der Plot ist spannend und vielfältig, wenn auch mit kurzen Durststrecken, aber voller Überraschungen und Wendungen. Babylon Berlin ist bildgewaltig inszeniert, schmutzig, verworren, unmoralisch, ekelhaft – und deshalb authentisch. So war Berlin. Freuen wir uns auf Staffel zwei. Oder überhaupt erstmal auf Staffel eins. Dazu später mehr.

Schauspieler: 10/10

Ganz ehrlich: Die schauspielerische Leistung von allen Schauspielern ist sensationell. Ein herausragender Volker Bruch spielt einen vielschichtigen Kölner, der ins verrückte Berlin kommt, von Selbstzweifeln zerfressen ist, mit Drogen sein Kriegstrauma und Schuldgefühle betäubt. Bruch scheint übrigens ein Faible für deutsche Geschichte und einen ziemlich guten Geschmack zu haben.

Wer interessiert ist, kann sich gerne seine Filmographie zu Gemüte führen. Fuck you, Göthe 2 darf man ihm verzeihen. Hoffen wir, dass Hollywood vor lauter Sexskandalen und Selbstbeweihräucherung nicht auf die Idee kommt den erst 37-Jährigen abzuwerben. Talent für die großen Bühnen hat er allemal.

Sein Kollege, Berliner Original, harter und raffinierter Bulle, gespielt von Peter Kurth, ist das genaue Gegenteil und passt deswegen perfekt in das ungleiche Ermittlerduo. Die junge Liv Lisa Fries ist eine überragende Besetzung für das anständig-verdorbene Berliner Mädel Charlotte. Auch die Nebenrollen sind erstklassig. Von der verwitweten Haushälterin (Fritzi Haberlandt) bis zum stolzen Generalmajor (Ernst Stötzner) ist das Bild absolut stimmig.

Dazu kommen in kleineren Rollen die altbekannten Schauspieler Benno Fürmann, Matthias Brandt, Mišel Mati?evi? und viele mehr. Man kauft jedem seine Rolle ab und im Gegensatz zur allzu häufigen, übersteigerten Pseudocoolness  der flachen Rollen aus den Staaten, lebt die Serie von den ruhigen, authentischen und deutschen Charakteren.

Politisierung: 3/10

Drei von zehn heißt in diesem Fall nichts Schlechtes, sondern das Gegenteil. Babylon Berlin basiert zwar zu großen Teilen auf dem politischen Geschehen der Weimarer Republik – Wie soll man auch drum herumkommen? – ist aber relativ neutral gehalten. Das Politische spielt meist nur die Hintergrundmusik und rahmt das Geschehen ein.

In diesem Sinne ist Babylon Berlin in Teilen eine politische Serie, aber nicht durchpolitisiert, wie man es aus heutigen Erhobene-Zeigefinger-Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender kennt. In Babylon Berlin kämpfen Trotzkisten gegen Stalinisten, die Roten gegen die Berliner Polizei und die „Schwarze Reichswehr“ plant einen Streich gegen die Republik.

Sogar ein österreichischer Intellektueller und Vertreter des Ständestaates hat eine kleine Rolle als verarmter und exzentrischer Schriftsteller. Alles in allem akzeptabel und kein stumpfes Schwarz-Weiß-Denken. Nur die Berliner Polizei kommt als „antikommunistische Truppe“ etwas zu schlecht weg, aber das mögen subjektive Einschätzungen sein.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Die Romanvorlage Kutschers reicht bis ins Dritte Reich hinein und das Ende der ersten Staffel hinterlässt viele offene Fragen – auch um die antidemokratischen Kräfte des Generalmajors.  Hoffen wir, dass die Serie die Balance behält und in der zweiten und letzten Staffel nicht ins stumpfe „Das sind die Bösen!“ abrutscht.

Produktionsformat: 0/10

Abschließend bleibt jedoch ein bitterer Beigeschmack. Die Produktion der sogenannten öffentlich-rechtlichen Sender (ARD Degeto) wird erst mit einem Jahr Verzögerung gezeigt. Die Premiere im Ersten ist für Ende 2018 angesetzt, allerdings wurde angekündigt, dass die Online-Mediathek schon vorher die Folgen bereitstellt. Wann genau, wurde noch nicht bekanntgegeben.

Dieses Doppelkonzept ist neu und wurde bereits scharf als Etablierung eines „Zweiklassenpublikums“ kritisiert. Trotzdem verteidigen die Verantwortlichen das Format: ARD Degeto ist nämlich nur zu knapp 50 Prozent Geldgeber, die andere Hälfte stammt von Sky, X Filme (Produktionsfirma), Beta Film und kleineren Film- und Fernsehförderern. Dementsprechend wären die privaten Produzenten nicht mit ins Boot gestiegen, hätten sie keine Vorzugsrechte erhalten. Warum soll man eine Serie koproduzieren, wenn sie danach ohnehin für alle „kostenlos“ zugänglich ist?

Dennoch: Es ist nicht gerade so, dass unsere öffentlich-rechtlichen Sender am Hungertuch nagen. Daher ist es für mich unverständlich, warum sie nicht die ganze Serie finanzierten. Als bestes Beispiel gilt der britische Sender BBC, der seit Jahren erstklassige Formate aus der Trickkiste zaubert. Rundfunkgebühren bezahlt man auf der Insel übrigens nur, wenn man das Angebot nutzen möchte.

Wer kein Interesse hat, wird in Ruhe gelassen. Trotzdem kostet die TV-Lizenz mit knapp 170 Euro im Jahr weniger als die deutsche Zwangsabgabe (210 Euro). Der Produzent von X Filme, Stefan Arndt, wehrte sich im Tagesspiegel gegen die Vorwürfe der unfairen Zuschauerbehandlung: „Ohne Sky hätte die ARD auf vier bis fünf Tatorte verzichten müssen.“

Da muss man sagen: Ja, das hätten sie mal besser gemacht. Gerne die überteuerten Folgen mit Til Schweiger. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass auch das ältere Publikum, also die eigentliche Tatort-Zielgruppe, einen spannenden Ausflug in die Weimarer Republik, der Sex, Crime und charaktervolle Ermittlungsarbeit zu bieten hat, einem Krach-Bumm-Tatort mit Zweiohrhasen-Schweiger und Buntquoten-Yardim vorgezogen hätte.

So müssen die Interessierten noch ein ganzes Jahr warten, Sky abonnieren oder anderweitige Quellen suchen. Das ist einfach nur schade und einer derart guten Produktion nicht angemessen.

(Bild: Pressefoto Babylon Berlin)

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