Anstoß

Bauernproteste: „Wir sind hier, weil wir die Schnauze voll haben“

Wer am 22. Oktober in der Innenstadt Münchens unterwegs war, konnte ein ungewöhnliches Bild beobachten. In den Straßen um den Odeonsplatz standen unzählige Traktoren, Stoßstange an Stoßstange. In und um die Maschinen standen und saßen Landwirte, denen man schon am säuerlichen Gesichtsausdruck ansah, ganz und gar nicht zufrieden zu sein.

Auf die Nachfrage, was denn hier los sei, erntete man zunächst eisige Blicke. Dann ließ sich doch ein Landwirt dazu bewegen, den Grund für diese Bauernparade zu nennen: „Wir sind hier, weil wir die Schnauze voll haben“, kam die ruppige Antwort in bestem Bayerisch. „Es kann so nicht weitergehen“, fügte ein anderer hinzu. Gespräch beendet.

2.000 Landwirte und 1.000 Traktoren

Insgesamt gingen zehntausende Landwirte bundesweit in mehreren Städten auf die Straße und sorgten für ein erhebliches Verkehrschaos. Allein in München waren es rund 2.000 Landwirte und nicht weniger als 1.000 Traktoren, die ihrem Unmut Luft machten. Aufgerufen dazu hatte die Bauerninitiative „Land schafft Verbindung“, der sich innerhalb kürzester Zeit einige zehntausende Landwirte angeschlossen hatten.

Als Grund für die Demonstrationen nannte die Initiative die „permanente negative Stimmungsmache“, die gegen die konventionelle Landwirtschaft gemacht werde. Von „Bauernbashing“ ist die Rede. Gerichtet ist diese Aussage vor allem gegen Umweltschützer und Politiker, die keine Gelegenheit auslassen würden, die konventionelle Landwirtschaft als Risikofaktor für die Umwelt zu stigmatisieren.

Unter anderem verantwortlich für das schlechte Image der deutschen Landwirte seien einzelne Vorfälle, bei denen Bauern sich eindeutig inkorrekt verhalten hätten. Wie neulich, als herauskam, dass in einem Milchbetrieb im schwäbischen Bad Grönenbach die Tiere in nicht zumutbaren Verhältnissen gehalten wurden.

Deswegen die ganze Zunft an den Pranger zu stellen, sei jedoch nicht zielführend und schade langfristig nur. So heißt es auf der Homepage der Initiative: „Wir Landwirte und Akteure aus der grünen Branche setzen uns für unsere Arbeit ein, für unsere Leidenschaft. In den letzten Jahren haben Politiker, Medien und Aktivisten ein negatives Bild von uns skizziert. Wir sind keine Tierschänder und Umweltverschmutzer. Wir haben ein Herz für unser Unternehmen. Die Unzuverlässigkeit der Regierung und der Behörden ist der Grund unsere Meinung friedlich zu äußern und zum lösungsorientieren Austausch einzuladen.“

Bürokratie – überall

Und in der Tat hat es die Regierung den Landwirten hierzulande alles andere als leicht gemacht. So wurden beispielsweise 2017 zum Schutz des Grundwassers die Düngeverordnungen deutlich verschärft. Das gilt auch für die Obergrenze für das Ausbringen der Gülle auf den Feldern. Und für das Pestizid Glyphosat hat die Bundesregierung massive Einschränkungen geplant. Allgemein steigt der Druck auf deutsche Landwirte zunehmend durch immer mehr Regulierungen und immer schärfere Umweltauflagen.

Freilich gibt es hierfür auch gute Gründe. So liege der massive Rückgang der Insekten- und Feldvogelpopulation laut dem Bundesamt für Naturschutz vor allem an der intensiven Landwirtschaft. Auch die Grundwasserqualität würde darunter leiden. So liegt aufgrund der Überdüngung der Nitratspiegel vielerorts über der zulässigen Menge. Bundesweit war der Nitratgehalt an einem Drittel aller Messstationen zu hoch.

Aber was bleibt den Landwirten auch anderes übrig? Durch die Globalisierung müssen deutsche Landwirte heute mit Agrarproduzenten auf der ganzen Welt konkurrieren. Und genau hier gestalten sich die vielen Auflagen und Vorschriften als Grund dafür, dass jedes Jahr tausende Bauern in Deutschland ihren Beruf an den Nagel hängen – schlicht, weil es sich nicht mehr rechnet.

Importe zu Spottpreisen

Denn die strengen Umweltauflagen treiben den Preis in die Höhe. Gleichzeitig werden Agrarprodukte zu Spottpreisen aus Übersee importiert, da es dort keine, zumindest keine gleichwertigen Regulierungen der Landwirtschaft gibt. So brennen Bauern in Südamerika jährlich abertausende Quadratkilometer Regenwald nieder, um dort anschließend Lebensmittel anzubauen. Fehlende Sicherheits- und Umweltvorschriften, sowie billigere Produktionskosten drücken den Preis.

Und obwohl dort Lebensmittel unter Bedingungen produziert werden, die hierzulande jeden Bauern an den Galgen, beziehungsweise ins Gefängnis bringen würden, hat die EU mit vier südamerikanischen Staaten ein umfassendes Handelsabkommen geschlossen, welches ihnen unter anderem einen erleichterten Zugang zum europäischen Markt für ihre Agrarerzeugnisse garantiert.

Für deutsche Landwirte bleibt oft nur eine Möglichkeit, diesem Preisdruck zu begegnen. Sie müssen ihrerseits die Landwirtschaft intensivieren – auf Kosten der Böden, des Grundwassers und der Natur.

Daher ist das Verständnis, welches Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) den unzufriedenen Bauern entgegenbringt, bestenfalls symbolischer Natur. Schließlich ist doch gerade die Politik maßgeblich für die missliche Lage der deutschen Landwirte verantwortlich. Denn, um eine nachhaltige deutsche Landwirtschaft etablieren zu können, bedarf es entsprechender Rahmenbedingungen. Soll heißen, die Rentabilität umweltschonender Landwirtschaft muss möglich sein.

Die erhöhten Erzeugungskosten durch schärfere Umweltauflagen schlagen sich naturgemäß auf die Lebensmittelpreise nieder. Doch Lebensmittel waren nie so billig zu haben wie heute. Daher muss jedem Umweltschützer klar sein, dass die Preise steigen müssen, soll die heimische Landwirtschaft trotz höherem Umweltbewusstsein erhalten bleiben.

Regionales Kaufen stärken

Das Mittel der Wahl wäre die heimische Landwirtschaft zu privilegieren durch höhere Importzölle für konkurrierende Lebensmittelsparten. Auch sollte die Politik das regionale Kaufen stärker in den Blick nehmen. Dadurch könnte womöglich auch wieder ein stärkeres Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln in der Bevölkerung erzeugt werden. Oder wie es auf einem Demonstrationsplakat stand: „Nicht vergessen, wir produzieren euer Essen.“

Andernfalls wäre es nur ehrlich, einen Schlussstrich zu ziehen und die deutsche Landwirtschaft aufzugeben. Die derzeitige Handhabe hat indes keine Zukunft. Den Markt mit billigen Agrarprodukten aus Entwicklungs- und Schwellenländern zu überfluten und gleichzeitig die eigene Landwirtschaft mit Subventionen am Leben zu erhalten, sie aber gleichzeitig überall zu gängeln, ist schlicht und ergreifend kein tragfähiges Konzept.

Aber vor allem die Deutschen sind wohl nicht bereit, fürs Essen eine angemessene Summe zu bezahlen. Lieber pumpt man jährlich Milliardensummen an Subventionen in die Landwirtschaft. Dafür kann man auch weiterhin Lebensmittel zu Schleuderpreisen kaufen. Ein wichtiger Schritt wäre diesbezüglich, die betroffenen Landwirte endlich in die Diskussion einzubinden und nicht ständig über die Köpfe der Bauern hinweg Entscheidungen zu treffen. So sollten vor allem diejenigen, die von den Regelungen betroffen sind ein Wort mitzureden haben. Immerhin ist es ihre Zukunft, die hier von der Politik so nachhaltig verbaut wird.

(Bild: Pixabay)

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