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Benn und Jünger wegschmeißen! Die große NEON-Bildungsoffensive kommt

An dunklen, nebligen Oktoberabenden stelle ich gelegentlich fest, daß ich ungleich vitaler bin, wenn ich zum Essen das Licht einschalte. Ein weiterer Launemacher ist handelsübliches LSD oder ein Ausflug der ganz besonderen Sorte. An solchen Abenden kreuze ich gelegentlich eine halbe Stunde vor Ladenschluß, also gegen 21.32 Uhr im Netto auf, um dort in Barbour-Jacke, Jogginghosen und mit aristokratischem Minenspiel in aller Ruhe die NEON zu lesen, so wie in alten Zeiten. Während hinter mir die Alkoholiker kistenweise erzgebirgische Brautradition wegkarren, treffe ich im Heft alle meine Freunde wieder, bin wieder voll im NEON-Modus.

Und was das Beste ist, die NEON wird nämlich immer intellektueller: Als ganz großer Kracher wird ja jetzt zufällig auf dem Weg zu Weihnachten die NEON-HÖRBUCH-EDITION beworben. Im aktuellen Heft wird sogar in eins der vertonten Bücher hi-nein-ge-lesen, weil da nämlich auch ein Roman von einem NEON-Autor dabei ist!!! Man stelle sich das vor!

Jedoch, worum geht’s? Zehn hochkarätige Weltklasse-Hörbücher sind nun im neonfarbenen Schuber zu 79 Euro erhältlich und verdeutlichen vor allem eines: Ich habe mich mit meiner Einschätzung der NEON-Phänotypen ganz dolle geirrt, denn niemand ist so belesen und gebildet, wissenshungrig und ernsthaft wie die Leser meines Lieblingsmagazins. Da sind „große Autoren, große Geschichten, große Themen“ im Angebot, die sich speziell „an die NEON-Zielgruppe der 20- bis 35-Jährigen richten“: beispielsweise Susane E. Hintons „Coming-Of-Age“-Roman Die Outsider, das unverzichtbare Standardwerk Unterwegs von Jack Kerouac oder der weltbekannte Hyper-Bestseller von Jeffrey Eugenides namens Die Selbstmord-Schwestern. Aber auch eher weniger bekannte Bücher wie Mängelexemplar einer gewissen Sarah Kuttner, die das auch selbst liest oder High Fidelity von Nick Hornby sind am Start. Für die, die auf Insidertips stehen.

Die NEON-Chefredakteurin Vera Schroeder macht deutlich, wie treffsicher diese ausgewogene Mischung zustande kam. Nämlich in dem man

einprägsame Titel auszuwähl[te], ohne stumpf den gängigen Kanon zu wiederholen – und ohne Unverzichtbares zu unterschlagen.

Zur Unterschlagung siehe §§ 246 ff. StGB. Aber es geht noch um viel mehr. Der offizielle Auftrag der großen NEON-Bildungsoffensive lautet:

mit der NEON-Box präsentieren wir den literarischen Soundtrack einer Generation.

Und weil die NEON-Leser so sehr belesen und gebildet, wissenshungrig und ernsthaft sind, können sie sich noch zusätzlich zwei weitere Hörbücher runterladen: Huckleberry Finn und Das kunstseidene Mädchen. Die Anleitung zum fachgerechten Gebrauch gibt’s idiotensicher auf dem beiliegenden Download-Zettel:

Der Vorteil von Download-Hörbüchern: du kannst sie auch unterwegs auf deinem Smartphone, Tablet oder MP3-Player hören, ob in der U-Bahn, auf langen Autofahrten, beim Joggen oder im Fitnessstudio.

Das wiederum stelle sich nun bitte einer vor: Eine ganze Generation von Bologna-Bachelor-Gammlern sitzt nach „superanstrengendem“ Drei-Stunden-Unitag mit Lederschühchen und Aztekenmuster-Strickware in der U-Bahn und vertieft sich in Hörbücher. Nie mehr dummes Geschwätz in den Linien Richtung Uni, nie wieder Selbstdarstellungs-Flashs von Politik-Soziologie-Marketing-Studierenden! Nie wieder Party-Auswertungen von hippen Edeltussen, die mit gespitztem Mündchen und ohne den Hauch eines Dialekts Bonmots ablassen und auf alle Einwürfe ihrer Jack-Wolfskin-Mitstudierenden mit einem eher gefragten „Okay“ antworten! Denn alle hören jetzt NEON-Hörbücher! Und sahnen dazu noch Bildung satt ab, Kultur pur, mit der kompletten Bandbreite, die die europäische Gegenwartsliteratur gerade zu bieten hat! Diesmal hat die NEON aber wirklich den ganz großen Coup gelandet! Wenn diese Offensive nicht einschlägt, dann weiß ich auch nicht mehr…

NEON-HÖRBUCH-EDITION. 51 CDs, 79 Euro. Random House Audio 2012.

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