Anstoß

Das Fähnchen bleibt

Was für eine Überraschung. Seehofer bleibt – in beiden Ämtern. Seine „Liebe zu den Ämtern“ habe es ihm unmöglich gemacht, jetzt schon zurückzutreten.

Das glaubt man gerne. Schließlich ist es nicht das Schlechteste, Monarch von Bayern zu bleiben. Und mal ehrlich, einen Fassanstich auf der Wiesn ohne Seehofer ist doch nicht das Selbe. Die Wahrheit ist, dass niemand gerne Macht abgibt, auch der Löwe aus Bayern nicht. Überraschen dürfte das jedoch niemanden, auch nicht Merkel oder irgendjemand anderes aus dem Kanzleramt. Dazu ist sich das politische Spitzenpersonal zu ähnlich. Keiner gibt seine Regierungs- und Parteigeschäfte gerne ab.

Keine Kronprinzen in Sicht

Die Entscheidung des CSU-Parteivorsitzenden kommt also nicht von ungefähr. Auch die Partei begehrt nicht über diesen Sinneswandel auf. Den Reaktionen zufolge scheint es den Mitgliedern, wie den Funktionären eher gelegen zu kommen, dass der Monarch doch nochmal will. So äußerte sich Manfred Weber aus dem fernen Brüssel und EVP-Fraktionsvorsitzender: „Ich finde es gut, dass er weitermacht.“ Denn Horst Seehofer ist das bekannteste Gesicht der CSU und dieser daher Garant für gute Ergebnisse im September und für die noch viel wichtigere Landtagswahl 2018.

Diese Einstellung sagt aber einiges über die Verfassung dieser Partei aus. Denn die CSU steht im Grunde vor dem gleichen Problem wie ihre große Schwester. Beide, sowohl die Christsozialen wie auch die Christdemokraten haben keinen Inhalt, keine Konturen, keine Grundsätze mehr, außer dem, an der Macht zu bleiben. Kurz: Eine Sinnkrise.

Was man der CDU unter der Fuchtel Merkels deutlicher ansieht – man denke nur an den Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg (Atompolitik), die Verlotterung der Armee, das heruntergewirtschaftete Schulsystem oder das Liebäugeln mit den Grünen – trat in den vergangenen Jahren auch bei der CSU immer deutlicher hervor. Was vormals noch mit zünftigen Bierzeltreden und „Mir san Mir“-Sprüchen kaschiert werden konnte, trat in dem kopflosen Verhalten Seehofers und der kompletten Parteiführung während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ offen zutage. Die Richtung fehlt. Und weil man keine Inhalte mehr hat, setzt man eben auf Personenkult. Denn was bundesweit mit Angela Merkel klappt, klappt schon dreimal im Freistaat. Denn schließlich will der Bayer seinen König, dem er zujubeln kann.

Grenzschließung, Obergrenze, … – Herr Seehofer, war da nicht was?

Es zeigte sich aber, dass der stolze Löwe aus dem Süden der Republik in Wirklichkeit zahnlos ist. Mal polterte er gegen die Grenzöffnung und forderte eine sofortige Grenzschließung. Tags darauf nach einem Telefonat mit der Chefin aus Berlin war er aber wieder auf der alten Linie. Dann sollte eine Obergrenze unbedingte Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit mit der CDU sein. Auch das war einige Tage später wieder vom Tisch. Mama Merkel sagte „Nein“. Worte, die kann Seehofer. Aber Taten nicht. Und das ist das Problem: Mit Worten löst sich kein Konflikt von alleine, auch nicht die Migrationskrise.

So kann der Kanzlerin es eigentlich gleich sein, ja es könnte ihr sogar recht sein, dass Seehofer weitermacht. Aber nicht aus dem Grund, den die FAZ vermutet. So würden „Seehofer und die CSU doch die von der AfD anvisierte Leerstelle“ ausfüllen, „wo früher der rechte Flügel der CDU saß.“

Das macht die CSU mit Sicherheit nicht. Man denke nur an die geplante Lehrplanreform  in Bayern, die auch von der CSU angestrengt wurde, die doch sehr an ähnliche Reformen in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg erinnert. Dort wird sie statt von der CSU von den Grünen forciert, die eine vorbehaltlose Akzeptanz jedes Lebensentwurfs durchsetzen wollen, betreffe es jetzt ein schwules, lesbisches oder transsexuelles Paar. Natürlich kein heterosexuelles Ehepaar, denn das ist selbstredend „out“, von gestern, gar patriarchalisch und damit faschistoid. Eine Partei, die so etwas mitträgt, kann jedoch nicht rechts von der CDU stehen, auch nicht wenn es die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt.

Seehofer macht nichts, auch wenn das Haus brennt

Merkel kann es recht sein, weil sie bei Seehofer ganz genau weiß: Der macht nichts, auch wenn das Haus brennt. Und einen Bettvorleger kann man schließlich immer gut gebrauchen. Außerdem erfüllt Seehofer im System M eine wichtige Rolle: Er stellt mit seiner CSU den konservativen Part der Regierung dar. Die Betonung liegt jedoch auf „darstellen“. Gleich einem Schauspieler, der eine Rolle spielt, wenn die Kamera aber aus ist, wieder aus dem Kostüm schlüpft.

Man kann sich also in Bayern auf weitere Jahre der sinnentleerten Bierzeltreden freuen. Man kann sich auf ein regelmäßiges Poltern aus München gen Berlin freuen. Wohlgemerkt, ein folgenloses Poltern! Man kann sich auf weitere Jahre mit der Fahne im Wind freuen. Denn genau das ist Seehofer: Ein Fähnchen im Wind. Die nächste Bundestagsperiode wird es sehr schnell zeigen. Denn auch wenn jetzt noch eine Koalition mit den Grünen in München kategorisch abgelehnt wird, kann man sich sicher sein, dass, wenn die Zahlen im September auf schwarz-grün stehen sollten, ein weiteres Mal die Wende vollzogen wird. Denn wenn das in Bayern jemand hinbekommt, dann dieser Seehofer.

(Bild: Metropolico.org, flickr, CC BY-SA 2.0)

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