Gesichtet

Das Tribunal

Seit kurzem macht eine Aufnahme die Runde, auf der ein inoffizielles Verhör einer jungen kanadischen Universitätsdozentin heimlich mitgeschnitten wurde.

Lindsay Shepherd hatte in einem Grammatikkurs an der Wilfrid Laurier University die aktuelle Diskussion behandelt, ob Personen mit schwerwiegend gestörter Geschlechtsidentität (sog. Transsexuelle) statt mit den Geschlechtspronomina ‚he‘ oder ‚she‘ mit dem geschlechtsneutralen Plural ‚they‘ angeredet werden sollen. Richtig gehört, in Kanada gebührt den Transen inzwischen der Pluralis Majestatis.

Zu dieser Debatte spielte sie fünf Minuten aus einer einstündigen Diskussion ein, an der auch der in Kanada umstrittene Professor Jordan Peterson teilnahm. Peterson wurde als rechter Aktivist mit Nähe zur Alt-Right berühmt, nachdem er sich geweigert hatte, geisteskranke Studenten zu „they-tsen“.

Smart Centrist

In Wirklichkeit ist der Kerl natürlich nur einer jener Zentristen, die glauben, den gesunden MenschenverstandTM  für sich gepachtet zu haben, weil sie irgendeine Marotte der äußersten Linken nicht mitmachen. Selbstverständlich distanziert er sich scharf gegen rechts, hält Identitätspolitik für das schlimmste überhaupt. Im Chor: „Wir sind alle In-di-vi-due-n.“ Das ganze Programm eben.

Das ist insofern bemerkenswert, als zumindest einer der drei Verhörer bzw. Ankläger im Verlauf des Gesprächs eine gewisse Kenntnis dieses Milieus offenbart – zu dem Zwecke Shepherd durch Nennung von Namen wie Milo Yiannopoulos oder Richard Spencer einzuschüchtern.

Doch was diese Aufzeichnung so faszinierend macht, ist die Scheindebatte zwischen Shepherd und ihren Verhörern, die die Illusion einer akademischen Diskussion aufrechterhalten soll. Die Argumentation der Verhörer gibt die ganze universitäre Antidiskriminierungspolitik in kondensierter Form wieder.

Hintertürgesetzgebung

Selbstverständlich fehlt bei diesen Freunden der Freiheit nicht der autoritative Rückgriff auf die entsprechenden Vorschriften der Universität über Antidiskriminierung, Gender und sexuelle Gewalt, sowie auf die kanadische C 16-Bill von 2016. Dieses Gesetz bedroht das – nicht näher definierte – Verbreiten von Haß gegen „identifizierbare Gruppen“ mit bis zu zwei Jahren Haft.

Das hindert einen der Verhörer nicht daran, Petersons Seriosität mit der Begründung zu bestreiten, daß dieser wahrheitswidrig behauptet habe, das C-16-Gesetz könnte dazu führen, daß jemand wegen Verwendung des falschen Pronomens gegenüber einem Transsexuellen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird.

Dieses Gesetz ändert Subsection 318 (4) des kanadischen Strafrechtes. Section 318 betrifft nur Aufruf zum Völkermord und Subsection 4 bestimmt, welche Gruppen durch dieses Gesetz geschützt werden. Auf Section 318 folgt allerdings 319, wo die „vorsätzliche Verbreitung von Haß“ unter Strafe gestellt wird. In deren Subsection 7 steht dann, daß „identifiable group“ hier dieselbe Bedeutung hat, wie in Section 318. Sexuelle Orientierung und Genderidentität fallen also darunter.

Durch diese Hintertürgesetzgebung ist dann die Orwelleske möglich, in der Dissidenten gleichzeitig mit dem Strafrecht bedroht und als Verbreiter von Fake News hingestellt werden, sobald sie behaupten, daß man sie mit dem Strafrecht bedroht.

Peer Review

Ein weiteres Argument greift die akademische Legitimität Petersons an. Dieser habe in Zeitschriften und bei Verlagen veröffentlicht, die kein „Peer review“-Verfahren verwenden. Dies bedeutet, daß ein Text vor der Veröffentlichung anonymisiert an Fachkollegen verschickt wird und nur nach einem positiven Gutachten der Kollegen überhaupt veröffentlicht wird. Der Autor selbst erfährt dabei auch nicht, wer eventuell die Veröffentlichung unterbunden hat.

Der Sache nach ist das die Übernahme des orientalischen Wahrheitsverständnisses, wonach Wahrheit identisch mit einem Konsens der Gelehrten sei. Entgegen der Behauptung eines Verhörers hat „Peer review“ nichts mit der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zu tun. Diese fällt in die Sphäre der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, die, zumindest was umstrittene Themen betrifft, durch diese Kontrollinstanz beseitigt wird.

Einer der Verhörer ist der ernsthaften Auffassung, die Universität sei einer der ganz wenigen Orte in der Gesellschaft, die nicht von rechten Vorurteilen beherrscht wird und an dem man junge Menschen endlich einmal dazu bringen könnte sich neuen Perspektiven zu öffnen. Sein Kollege fügt gleich darauf hinzu, daß es sowieso nicht Shepherds Aufgabe als Tutorin eines Grammatikseminars sei, sich mit den politischen Aspekten zu befassen. Sie solle sich doch bitte auf Interpunktion und Rechtschreibung konzentrieren.

Vorbild Kirche

Was nicht genehmigtes Material anbelangt, so wirft einer der Verhörer Shepherd explizit vor, es jungen Studenten vorgeführt zu haben, die zwar Erwachsene seien, aber eben noch junge Erwachsene und deshalb nicht in der Lage damit umzugehen. In einem Fortgeschrittenenseminar wäre es ja eventuell etwas anderes gewesen.

Diese Herangehensweise stammt übrigens von der katholischen Kirche, in der es früher üblich war, daß Theologen, die schon höhere Abschlüsse erreicht hatten, befugt waren, verbotene Bücher zu lesen. Nur für den Fall, daß die ecclesia militans einmal in die unangenehme Situation kommen könnte, mit Ketzern diskutieren zu müssen, anstatt sie zu verbrennen.

Hochgradig labile Schocktruppen

Das Hauptargument und der Grund für die ganze Veranstaltung ist jedoch, daß transsexuellen Studenten durch die Vorführung Petersons Schaden zugefügt werde könnte. Das ist der Grund, aus dem die Opfer dieser Geisteskrankheit solch eine gute Klientel für Möchtegerninquisitoren abgeben. Die Behauptung stimmt nämlich. Wir haben es hier mit einer psychisch hochgradig labilen Bevölkerungsgruppe zu tun. Die Selbstmordrate von Transsexuellen liegt deutlich über dem Durchschnitt und auch noch über der von Homosexuellen.

Was dies betrifft, belasse ich es bei dieser ungefähren Angabe. Die meist in diesem Zusammenhang zitierte Zahl von 41 Prozent stammt aus der amerikanischen National Transgender Discrimination Survey. Sie bezieht sich erstens auf den bloßen Selbstmordversuch nach eigener Angabe der Befragten und ist zweitens mit einer Reihe von methodischen Mängeln belastet.

Die Daten und die darauf aufbauende Studie der American Foundation for Suicide Prevention und des Williams Instituts findet sich hier. Daß Transsexuelle deutlich überdurchschnittlich selbstmordgefährdet sind, ist angesichts dieser Ergebnisse kaum zu bezweifeln. Irgendeine zitierfähige Zahl geben sie allerdings nicht her.

Sichere Orte engen die Meinungsfreiheit ein

Es ist also nicht ganz auszuschließen, daß ein Transsexueller, der Peterson zuhören muß, sich hinterher die Pulsadern aufschlitzt. Wegen ihrer seelischen Überempfindlichkeit eignen  sich diese Personen daher ideal für jeden, der mit der Forderung nach „safe spaces“ die Rede und den Geist ersticken will. Damit Transsexuelle sich sicher fühlen, müßte man die ganze Universität in Watte packen. An einem Ort des freien Geistes haben solche Leute natürlich ebensoviel verloren wie ein Glasknöcherner in einem Boxring.

Der Unterschied ist freilich: Ein Glasknöcherner ist geistig zurechnungsfähig. Die Verantwortung, den Klitschko-Brüdern fernzubleiben, fällt ihm selbst zu. Im Falle von Transsexuellen fällt diese Verantwortung aber denen zu, die sie als Schocktruppen gebrauchen.

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser …

Wie die Sache ausging? Lindsay Shepherd bekam folgendes Angebot: In Zukunft würde sie ihre Vorbereitungsunterlagen für Seminare ihrem vorgesetzten Professor zur Kontrolle vorlegen, der auch manchmal ihre Stunden besuchen würde. Unter diesen Umständen könnte man die ganze Sache informell erledigen. Wie großzügig.

… Öffentlichkeit ist noch besser.

Die Veröffentlichung des Mitschnitts hat Shepherd allerdings mehr geholfen als dieser Hinterzimmerdeal. Die Universitätspräsidentin hat sich inzwischen offiziell entschuldigt. Ebenso der Hauptverantwortliche für dieses Verhör, Professor Nathan Rambukkana. Die Wortwahl ist dieselbe, wie die, die vorher gegen Shepherd aufgefahren wurde, weil sich jemand wegen des Peterson-Videos beschwert hatte. Nicht feinfühlig genug, entspricht nicht den Werten der Universität usw.

Feiges Pack!

(Bild: Rubin Report)

Hier geht es zur Aufnahme des Verhörs.

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