Jetzt ist es also die Heimat, die es zu retten gilt. Ganz neue Töne von Katrin Göring-Eckardt. Schließlich war sie es, die den belebenden Faktor des Islams in Deutschland betonte und Deutschland ohne Islam und Muslime als „langweilig“ empfand.
Daher ist es schon etwas überraschend, wenn sie verkündet: „Die Sehnsucht nach ‘Heimat’, nach Zuhause, danach sich zurechtzufinden, sicher zu sein, ist als solche nicht reaktionär, aber sie läßt sich für eine reaktionäre Agenda mißbrauchen.“ Kurz zuvor drückte sie sich noch fulminanter – man könnte fast schon patriotisch sagen – aus. „Wir lieben dieses Land. Es ist unsere Heimat. Diese Heimat spaltet man nicht. Für diese Heimat werden wir kämpfen.“ Klar, es geht letzten Endes gegen rechts. Aber Heimat? Das will dann doch nicht zu den Grünen passen. Selbst beschreiben sie sich immerhin oft genug als Weltbürger ohne Wurzeln und propagieren den Multikulturalismus, in dessen System so etwas wie Heimat nicht vorgesehen ist.
Grüne uneinig über ihren neuen Patriotismus
Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Grünenchefin für ihr Vorhaben, den Begriff „Heimat“ gegen die Rechten verteidigen zu wollen, parteiintern Gegenwind bekommt. Wie zum Beispiel von der Berliner Abgeordneten Anja Schillhaneck. Diese kritisierte, dass der Begriff Heimat „herkunftsbezogen und tendenziell ausgrenzend“ sei. Recht so. Immer schön kosmopolitisch bleiben.
Nun wäre es aber interessant zu wissen, welchen Inhalt Frau Göring-Eckardt in besagten Begriff füllen würde. Denn es lässt vermuten, dass hier mitnichten etwa eine konkrete Heimat gemeint ist, die dem Menschen Geborgenheit, Schutz und Zusammengehörigkeitsgefühl spendet. Heimat kann ein Ort sein. Zumeist der Ort, an dem man sich zu Hause fühlt. Das kann zum Beispiel die Gemeinde, das Dorf oder das Viertel sein. Wichtig ist nur, dass man sich selbst mit dieser Umgebung und den Menschen, die dort leben, identifizieren kann.
Dieser Heimatbegriff wird wohl auch dem einen oder anderen Weltbürger von heute zusagen, denn er ist zwar konkret, aber nicht notwendigerweise von Dauer. Aus dem Dorf oder Viertel kann man wegziehen und sich in eine neue räumliche Gemeinschaft integrieren.
Geistige Gemeinschaft ist Voraussetzung für Heimat
Heimat geht aber weit über diese rein räumliche Komponente hinaus. Heimat fußt letzten Endes immer auf einer geistigen Gemeinschaft, der man zugehörig ist, wie einem Volk – oder im kleineren Rahmen – einer Familie. Diese geistige Gemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie den einzelnen Menschen in einen größeren Zusammenhang stellt, eben dadurch, dass sie ihn in eine große Erzählung einbettet, die ihm Identität verleiht. Identität aber ist wichtig für den Menschen, nur wenn er weiß, wo er herkommt, wird es ihm möglich sein, seine Zukunft selbstbestimmt zu gestalten.
Heimat ist ein Gefühl der Verbundenheit. Zu Land und Leuten. Dort fühlt er sich geborgen, dort kennt er den Umgang, die Gepflogenheiten, die Sitten und Gebräuche und ist Teil davon. Daher ist es umso wichtiger, diese geistige Heimat des Menschen zu pflegen und zu schützen gegen jeden korrosiven Einfluss. Dieses Gefühl steigert die Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, weil man sich als Teil des Ganzen versteht. Ist dieses Gefühl nicht mehr vorhanden, so fehlt dem Gemeinwesen eine wichtige Stütze. Die Gründung einer Gemeinschaft begründet dieses Gefühl, die Tradition hält es am Leben.
Der freiheitliche Rechtsstaat braucht Kultur
Kultur hat neben ihrer metaphysischen Funktion, den Mensch im Jetzt verwurzeln zu können, auch eine ganz pragmatische Funktion. Nur durch die Kultur werden Normen und Werte innerhalb einer Gemeinschaft zur Norm erhoben, an die es sich zu halten gilt. Durch kulturelle Erziehung werden gewisse Sitten Wertvorstellungen in den Köpfen der Menschen und zu Selbstverständlichkeiten. Aber nur durch diese Selbstverständlichkeiten wird ein freiheitlicher Rechtsstaat überhaupt erst möglich.
Ein Beispiel: In Deutschland gilt es als moralisch verwerflich, jemanden aus Motiven der Ehre zu töten und somit das Gewaltmonopol des Staates anzufechten. Nur weil die Deutschen diese Norm verinnerlicht haben und sich daher wie selbstverständlich an sie halten, ist es möglich, ihnen große Freiräume zu lassen, ohne dass ständig irgendwer irgendjemanden umbringt. Wäre dem nicht so, so müsste der Staat seine Bürger rund um die Uhr kontrollieren und es wäre dahin mit der Freiheit.
Jeder, der also an dieser geistigen Gemeinschaft, die nur durch eine spezifische Kultur und Tradition zusammengehalten wird, herumdoktert, sägt an dem Ast, auf dem er (oder sie) sitzt. Auch sollte der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die „Bereitschaft sich loyal gegenüber einer Einheit zu verhalten“ in dem Maße steigt, „wie sie als eigene erkannt wird.“ (Karlheinz Weißmann)
Die grüne Heimat: hart, schnell, grausam und wenig solidarisch
Man kann wohl getrost davon ausgehen, dass Göring-Eckardt mit Sicherheit nicht das im Sinn hatte, als sie ihrer „Liebe zur Heimat“ Ausdruck verlieh. Vielmehr wird hier Heimat ausschließlich – wie so oft bei den Grünen – in Negation definiert. Man sagt, was Heimat nicht sein soll: ein Kampfbegriff der Rechten. Aber was genau Heimat sein soll, bleibt wohl ihr Geheimnis.
Da aber Göring-Eckardt gleichzeitig an Utopien wie Multikulturalismus und offenen Grenzen bei gleichzeitigem Frieden festhält, drängt sich die Frage auf, was sie denn da verteidigen will. Wenn es nach ihr geht, gibt es doch bald so etwas wie eine Heimat, vor allem in geistigem Sinne, nicht mehr. Das Deutschland in den Zukunftsträumen der Grünen wird – wenn man Daniel Cohn-Bendit, ebenfalls einem Grünen, glauben darf – „hart, schnell, grausam und wenig solidarisch“ sein.
Vielmehr ist es geradezu lachhaft von Frau Göring-Eckardt, denjenigen, die das deutsche Volk erhalten wollen und damit den kulturellen Rahmen, der Geborgenheit und Sicherheit, kurz: Heimat gibt, vorzuwerfen, sie würden dieses Land spalten. Die einzigen, die dafür sorgen, dass sich dieses Land in naher Zukunft in die verschiedensten kulturellen Kleingruppen spalten wird, sind die Grünen selbst. Diese Position dann auch noch als „reaktionär“ zu betiteln verdeutlicht, dass Göring-Eckardt nichts verstanden hat, auch wenn sie noch so pseudo-patriotisch rumposaunen mag, wie wichtig es sei, für „unsere Heimat“ zu „kämpfen“. Denn diese „Reaktionäre“ sind derzeit die einzigen, die Prämissen erhalten wollen, die ein friedliches Miteinander in Deutschland überhaupt erst möglich machen.
Eine Heimat zu haben und verwurzelt zu sein, ist ein elementares Bedürfnis des Menschen. Dieser Meinung war auch die linke Philosophin Simone Weil, die bereits 1943 kommentierte: „Verwurzelung ist wohl das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.“ So bemerkte auch schon Samuel Huntington in seinem Kampf der Kulturen: „Was zuletzt für die Völker zählt, ist weder politische Ideologie, noch ökonomisches Interesse. Schicksal und Familie, Blut und Glaube sind das, was Völker identifiziert, wofür sie kämpfen und sterben.“ Anders ausgedrückt: Heimat ist das, was letzten Endes der tiefe Wunsch des Menschen ist.
(Bild: Schwarzwald, Pixabay)