Gesichtet

Der Zug als Alternative

Züge haben mich schon immer fasziniert. Bereits als kleiner Junge war es das größte für mich, wenn mich mein Opa einlud, mit ihm in einer historischen Dampflock mitzufahren.

Der Himmel auf Erden für einen sechsjährigen Jungen. Aber nicht nur Dampfzüge; alles, was auf Schienen rollt. Es gehört zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen, mit meinem besten Jugendfreund einen Tag lang mit der Stuttgarter U-Bahn kreuz und quer durch die Stadt zu fahren.

Öffentliche Verkehrsmittel sind die Zukunft

Auch heute noch fahre ich gerne Zug. Bevorzugt ICE. Zumal ich kein Auto habe, bin ich auf den Zug angewiesen, wenn ich meine Eltern besuche, in die Berge fahre oder in die Uni. Generell bin ich der Meinung, dass öffentliche Verkehrsmittel die Zukunft sind. Obwohl alles andere als grün, ist auch mir der Autoverkehr zuwider. Ständig sind die Straßen verstopft. Und zur Rush-Hour sitzt zumeist immer nur eine Person im Wagen, die sich durch den Verkehr schleppt. Das nennt sich Ressourcenverschwendung.

Aber was will man machen, wenn Zugfahren keine Alternative ist, weil man dadurch nicht wirklich Geld sparen kann oder wesentlich schneller ist? Da gönnt man sich doch lieber den Luxus und fährt mit dem eigenen Auto. Um die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver zu gestalten, muss also Geld in die Hand genommen werden. Die Infrastruktur muss ausgebaut, das Schienennetz verdichtet werden. Und natürlich müssen die Preise runter!

Österreich macht´s vor!

Aber genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Dass Fahrkarten billiger werden, hat man hierzulande wohl schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt, man ist ja schon froh, wenn sie nicht andauernd teurer werden. Auch werden immer wieder schöne Angebote der Bahn gestrichen. So beispielsweise der Nachtzug. An sich eine tolle Sache, jedoch rentiere sich das Konzept nicht. Also rollen keine Nachtzüge mehr über Deutschlands Gleise, zumindest keine deutschen Nachtzüge. Denn die ÖBB hat die Gelegenheit beim Schopfe gepackt. Nun fahren halt Liegewägen aus Österreich durchs Land. Und die wollen ihr Angebot sogar noch ausweiten.

Seltsam, weil es sich doch angeblich nicht lohnt. Vielleicht lohnt es sich ja doch, wenn man nicht jahrzehntelang zu wenig Geld in die Infrastruktur steckt und die Gleise und Züge verkommen lässt. Klar lohnt sich bei diesem Konzept eine Investition irgendwann nicht mehr.

Jedoch: Enak Ferlemann, Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, beklagt die derzeitige Sparpreispolitik der Deutschen Bahn. Er sei überrascht, „wie viele Rabatte angeboten werden“. Demnach müsse „das Rabattsystem auf den Prüfstand“. So ließen sich die Ausgaben nicht decken. Das neue Rabattsystem der Deutschen Bahn, eine Reaktion auf den aufblühenden Busfernverkehr, ohnehin mit gewaltigem Pferdefuß, soll also schon wieder weichen. Die Folge wären noch teurere Preise für die Bahnkunden.

Preiserhöhung statt „Super-Sparpreis“

Zunächst einmal: Das neue Rabattsystem ist in Wirklichkeit keines. Die Einführung eines neuen „Super-Sparpreises“, der den normalen Sparpreis von 19,90 Euro ersetzt, ist nämlich nicht billiger, sondern nur ohne das „City-Ticket“ ausgestattet. Der normale Sparpreis, den es immer noch gibt, ist einfach teurer geworden. Das Ende vom Lied: der Super-Sparpreis ist nicht super, sondern nur Sparpreis – bei dem allerdings nicht mehr so viel gespart wird wie früher. Eine Preiserhöhung, die nicht wirklich als solche wahrgenommen wurde.

Nun soll es aber zukünftig noch mehr kosten. Der Traum von billigen Tickets ausgeträumt? Dabei wäre es nicht schlimm, wenn die Deutsche Bahn AG Verluste machen würde. Man tut zwar immer so, als ob die Bahn ein Privatunternehmen sei, was sie aber eigentlich nicht ist. 1993 fusionierten die deutsche Bundesbahn mit der deutschen Reichsbahn der DDR und gingen in der Aktiengesellschaft DB AG auf. Aktiengesellschaften sind in der Regel darauf ausgerichtet, Gewinne für die Aktienhalter zu erwirtschaften. Soweit richtig. Jedoch ist in diesem Fall der einzige Aktienhalter der deutsche Staat. Die Deutsche Bahn ist nach wie vor zu 100 Prozent ein Staatsbetrieb. Die Angestellten kosten nur nicht mehr so viel. Sie sind ja schließlich keine Beamten mehr.

Steuergeld für Nahverkehr

Warum also muss ein Staatsbetrieb, der wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur ist, sich selbst tragen. Kein städtischer Nahverkehr trägt sich selbst. Soll er ja auch gar nicht. Vielmehr wird er mithilfe von Steuergeldern bezuschusst. Wozu sonst bezahlt man auch Steuergelder? Damit die Gesellschaft am Laufen gehalten wird. Was die U-Bahn in der Stadt, ist die deutsche Bahn für alles andere. Wie der Oberbürgermeister Tübingens, Boris Palmer (Grüne), für den Stadtbus gänzliche Kostenfreiheit fordert, könnte auch der Bund die Bahn erheblich billiger machen. Dabei ist die Idee, Preise für den öffentlichen Personentransport zu reduzieren und den Rest durch Steuereinnahmen zu decken gar nicht so schlecht.

Denn dadurch wäre das Auto erst wirklich zu einem Luxusgut erhoben. Wenn Zugfahren für jedermann erschwinglich wird, die preiswerte Variante zum eigenen Auto, kann sich niemand mehr beschweren über die hohen Mineralölsteuern. Schließlich könnte man einwenden, dass man doch auf den Zug umsteigen soll, wenn man nicht so viel zahlen will. Ich bin davon überzeugt: wenn die Preise reduziert werden, gleichzeitig das Schienennetz endlich in entsprechender Dichte ausgebaut wird, werden sich die Personen, die mit den „Öffentlichen“ reisen, vervielfachen. Auf der Straße wäre dies als deutliche Entlastung zu spüren.

Huckepackverfahren für Lkw

Ein weiterer Punkt: Verluste werden neben dem Nahverkehr vor allem im Gütertransport verbucht. Der Güterverkehr liegt derzeit weit hinter dem Volumen zurück, das er eigentlich haben könnte. Dazu ist aber ebenfalls ein Ausbau des Schienennetzes notwendig. Vor allem für den Güterverkehr wurde in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig gemacht. Dabei hätte man genug politische Gestaltungsspielräume, hier etwas zu ändern und die Lage im Güterverkehr zu verbessern. Zumal der Transport von Gütern über größere Distanzen und bei Auslastung auf der Schiene meist wirtschaftlicher ist.

Die „Lkw-Frage“ ist auf deutschen Straßen zu einem richtigen Problem geworden. Überall sieht man endlose Kolonnen von Brummis auf den Straßen, weil es sich einfach nicht lohnt auf die Schiene umzusteigen. Hier muss die Politik ansetzen und dafür Sorge tragen, dass die Zahl der Lkw auf deutschen Straßen nachhaltig reduziert wird. Beispielsweise könnte das Huckepackverfahren für Lkw insofern ausgebaut werden, als dass ausländische Unternehmen, die ihre Güter durch Europa transportieren und dabei notwendigerweise durch Deutschland müssen, an der Grenze auf die Schiene umsatteln. Der europäische Durchgangsverkehr würde sich dadurch deutlich reduzieren. Auch würde die Straße merklich entlastet, Unfälle reduziert und Kosten aufgrund des vermehrten Reparaturbedarfs gesenkt werden können.

Die Vernachlässigung des Güterverkehrs zugunsten des Lkw-Verkehrs muss aufhören. Genauso die Politik, welche die ganze Zeit an den Autofahrern rummäkelt, gleichzeitig jedoch keinen Finger krumm macht, um dem drängenden Problem des Personen- und Gütertransports Herr zu werden.

(Bild: Pixabay)

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