Gesichtet

Deutschland im Fadenkreuz des spanischen Chauvinismus

Der von  der spanischen Regierung abgesetzte Präsident der katalanischen Regionalregierung, Carles Puigdemont, war vor seiner drohenden Verhaftung nach „Europa“ geflohen: von Belgien aus vertrat er weiterhin die Sache der Separatisten und war sogar erneut deren Kandidat für die katalanische Parlamentswahl am 21. Dezember vergangenen Jahres.

Der spanische Verfassungsrichter Pablo Llarena hatte inzwischen einen europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont ausgestellt wegen „Rebellion“ sowie Veruntreuung öffentlicher Gelder. Erst nach Monaten griff der Haftbefehl des regierungsnahen spanischen Verfassungsrichters, und zwar in Deutschland.

Stümperei der spanischen Justiz und Regierung

Puigdemont wurde in Haft genommen. Das Gericht in Neumünster prüfte die für ein Auslieferungsgesuch wesentlichen Anklagepunkte, die, wie zu erwarten, nicht stichhaltig waren. Puigdemont kam gegen eine Kaution auf freien Fuß und durfte weiterhin in Deutschland bleiben. Mit der „Rebellion“ hatten die spanische Regierung und Justiz eindeutig zu hoch gegriffen, abgesehen davon, dass es dafür in Deutschland keinen entsprechenden Straftatbestand gibt, auch wenn das den Spaniern schwer begreiflich ist.

Noch schwieriger ist es geworden, Puigdemont der Veruntreuung öffentlicher Gelder zu beschuldigen, nachdem derselbe spanische Finanzminister Cristóbal Montoro zum wiederholten Mal erklärt hatte, für den von Regierung und Justiz illegalisierten Volksentscheid vom 1. Oktober 2017 sei nicht ein Cent öffentlichen Geldes geflossen. Die Spanier stehen nun vor dem Forum der Welt nicht nur als autoritäre Unterdrücker eines anderen Volkes, das der Katalanen nämlich, sondern sogar noch als Stümper da.

Chauvinistische Reaktionen aus Spanien

Was der spanische Regierungschef, der liberalkonservative Mariano Rajoy, verbockt hat – nicht ein-, nicht zwei-, nein, gleich dreimal –, das sollen die Deutschen für ihn richten, so jedenfalls in der Traumvorstellung spanischer Chauvinisten.

Die Realität aber entspricht dieser Vorstellung nicht, deshalb hat sich auch die chauvinistische Presse in Spanien auf Deutschland und die Deutschen eingeschossen. Die Deutschen seien schlechte Europäer, ist das Freundlichste, was man zu hören bekommt. Deutschland wolle „Europa“ kaputtmachen, es befände sich auf dem besten Weg, ein neues rassistisches „Viertes Reiches“ zu errichten. Man sieht, diese seherischen Worte können nur aus dem Mund eines wahren Deutschlandkenners kommen.

Der Mund gehört Federico Jiménez Losantos, ein in Spanien bekannter Journalist, Radiosprecher und dilettierender Historiker. Für gewöhnlich schreibt er seine Kolumne für das liberale Internetmagazin Libertad Digital, die besser Digitale Tollheit hieße. Sogar die Bild-Zeitung ist durch einen Aufruf Losantos´ zur Gewalt gegen die auf Mallorca lebenden Deutschen auf dieses Rumpelstilzchen aufmerksam geworden. Wie so oft hat auch hier Losantos seinen Mund wieder einmal reichlich voll genommen.

„Patriotische“ Maulhelden

Eigentlich sollte man Mitleid haben mit Leuten wie Jiménez Losantos. Sie sind Chauvinisten wider Willen. Sie halten sich selbst nicht für Chauvinisten, sondern für gute Patrioten und „Verteidiger der Freiheit und Gerechtigkeit“. Dabei sind sie nur Maulhelden, deren Gerechtigkeit in verbaler Selbstjustiz besteht, und auch ihre Vaterlandsliebe ist nichts anderes als überhöhte Selbstliebe für die das Vaterland ein bloßer Vorwand ist – Chauvinismus eben.

„Chauvinismus“ ist dann auch noch im Spanischen ein französisches Lehnwort, also, wieder einmal nichts Eigenes. Auch haben viele Chauvinisten charakteristische  ideologische Wandlungen durchgemacht: von extrem linken, z.T. sogar terroristischen Positionen während der Franco-Zeit haben sie sich zu einem Neoliberalismus bzw. Neokonservatismus in spanischer Interpretation gemausert. Am Ende dieses Wandlungsprozesses steht die Anerkennung der positiven Leistungen des Franco-Regimes genauso wie die Entdeckung des Katholizismus „für sich“.

„Faschos“

Es wäre zu viel der Ehre, dem spanischen Chauvinismus seinen Liberalismus anzuerkennen, er ist nämlich weder konservativ noch liberal. Neo aber ist er schon, er besitzt nämlich keine „lange und glorreiche Vergangenheit“, wie sie z.B. der sozialistische Internationalismus selbst in Spanien vorweisen kann. Tatsächlich ist der heutige spanische Chauvinismus kaum älter als die spanische Demokratie selbst, und die datiert bekanntlich von 1978.

Aller linken Unkenrufe zum Trotz ist der spanische Chauvinismus nicht wirklich rechtsextrem, sondern einfach nur übermütig, „toll geworden“ würde man im Deutschen dazu sagen. Er schielt nur weiter nach rechts bzw. greift in die klerikale und franquistische Mottenkiste, wenn ihm wieder einmal die liberalen Argumente ausgegangen sind, was nicht selten geschieht.

Das ist auch der Grund, weshalb die Chauvinisten von den Linken zusammen mit allen möglichen Rechten und Konservativen in den einen Hut des „Faschismus“ gepackt und kurzerhand „fachas“ – d.h. „Faschos“, im übertragenen Sinn Rückwärtsler und Reaktionäre – genannt werden.

Der Chauvinismus ist nicht die Partido Popular

In Spanien gibt mindestens – ja, mindestens – genauso viele chauvinistische Positionen, wie es Chauvinisten gibt. Auch gibt es Leute die, ohne Chauvinisten zu sein, sich chauvinistische Eskapaden erlauben, wenn ihnen im chauvinistischen Sinne der Schuh drückt, ein Phänomen, das gerade unter Politikern der liberal-konservativen Partido Popular verbreitetet ist.

Dennoch beginge man einen groben Fehler, wollte man den Chauvinismus grundsätzlich mit den Interessen und Positionen der Partido Popular identifizieren. Es gibt da zwar durchaus ideologische Berührungspunkte sowie persönliche Überschneidungen. Auch übernimmt der Chauvinismus für die Partido Popular den ganz harten demagogischen Part, wenn es darum geht, die böse neue Linke von Podemos zu bekämpfen oder die patriotische Posaune zu blasen wie zur Zeit gegen Deutschland.

Als Verbündeter aber ist er dennoch unbequem, weil unberechenbar. Oft hat der Chauvinismus die Regierungen der Partido Popular kompromittiert. Dann noch meinen alle Chauvinisten, den Regierungen der Partido Popular vorschreiben zu können, wie sie zu regieren hat. Davon aber lässt sich die Partido Popular nicht beeindrucken. Bis jetzt noch hat sich jeder Chauvinist als Kläffer – nicht einmal als ein Wadenbeißer! – entpuppt. Und so sind sie auch,  perro ladrador, poco mordedor, mehr Kläffer als Beißer.

(Bild: Carles Puigdemont, Generalitat de Catalunya)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Datenschutzinfo