Gesichtet

Die Angstbeißerei der alten Meinungsmacher

Hackerangriffe werden neuerdings in einem Atemzug mit Desinformationskampagnen genannt. CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach formulierte es so: Er sehe „die Gefahr der Einflussnahme durch gezielte Infiltration von außen mit dem Ziel der Manipulation von Fakten oder Meinungen“ in Bezug auf die Bundestagswahl 2017.

Die Deutungsmacht wird durch Feindbilderkennung aggressiv vorangetrieben. Hier wird nicht nur eine internationale Drohkulisse à la Kalter Krieg suggeriert. Es befreit die Regierungsmehrheit von jeder Verantwortung für ihr Handeln und den daraus folgenden Resultaten, ebenso wie es die Verbindlichkeit des einzigen Merkmals demokratischer Institutionen auf einen Schlag beiseite wischt. Keine Wahl kann anerkannt werden, wenn sie von Putin, Trump, Anonymous, ISIS, der NASA oder dem Weihnachtsmann bereits im Vorhinein durch wahlweise soziale Bots oder gehackte Wahlmaschinen (die in der BRD überhaupt noch nicht zugelassen sind) manipuliert worden sind.

Neuland wird eingehegt

Hacker sind für die etablierten Meinungsmacher Leute, die neue Medien zu mehr nutzen, als um sich putzige Katzenbilder anzuschauen. Das Netz ist in seiner Funktionalität Neuland für sie und sie versuchen es einzuhegen. Das ist die Umgangsweise eines sanft-autoritären Staates, der langsam aber bestimmt die Zügel in einem vormals freien, mittlerweile schwer politisierten, absolut öffentlichen Raum fester in die Hand nimmt. Die staatliche Gewalt und die alten Meinungsmacher lassen sich auch im Internet die Butter nicht vom Brot nehmen. Zu viel wurde schließlich in den politisch-medialen Komplex aus maximal großen Verlagen, Fernsehsendern und Parteien investiert. Dieser Komplex lässt sich nicht so einfach überholen von den neuen Medienmachern. Er wird kämpfen und umso mehr er in die Ecke gedrängt wird, umso unfairer wird er agieren.

Der Begriff des „Hacks“ bedeutet auch in der Fachsprache einen Weg drum herum zu finden, unerwartete Lösungsansätze herauszufinden, die sich den Fehler im System nutzbar machen. Das trifft also auch auf jene Projekte zu, die darin brillieren, die Nachfrage nach den Informationen zu bedienen, die der „Mainstream“ weglässt.

Ein globaler Ruheraum

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) verleiht seiner Besorgnis darüber Ausdruck: „Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf könnten erstmals soziale Netzwerke und die dort verbreiteten Meinungen und Positionen eine entscheidende Rolle spielen. Aber was wahr ist und was Lüge, ist oft auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Nachrichten, die jeder faktischen Grundlage entbehren, verbreiten sich binnen kürzester Zeit. (…) Mit Manipulation im Wahlkampf müssen wir rechnen. Das ist bedauerlicherweise eine dunkle Seite des Netzes, eine Seite, mit der wir uns intensiver auseinandersetzen müssen.“ Wir erleben bereits, wie dies geschehen soll. Safespaces werden errichtet, Hatespeech verboten. Ein globaler Ruheraum für angepasste Individuen. Nichts darf ihre zarten Gemüter aufschrecken. Wer mit eindeutigen Positionierungen auffällt, wird gebrandmarkt.

Das Ministerium für Wahrheit schickt ihre Staatsminister auf Streife und diese weisen den privaten Facebook-Nutzer freundlich daraufhin, doch bei Muttis-Kochrezepten auf ein ordentliches Quellenverzeichnis zu achten. Das wäre natürlich glaubhafter, wenn nicht bereits einige Ministerämter durch Plagiatsvorwürfe schwer beschädigt worden wären, wie z.B. im Falle des Karl-Theodor zu Guttenberg oder der Anette Schavan. Die Botschaft aber ist klar: Wir haben die eine rechtsgültige Wahrheit und wir beobachten dich.

Ein deutscher Trump

Algorithmen in Suchmaschinen und auf Facebook sollen nun nur noch diese Wahrheit senden und Unwahrheiten konsequent ausblenden. Ein philosophischer Albtraum. Realität wird es mit einem Plug-In für den hauseigenen Browser, der sich des Schutzes von Familie, Heim und Herd annimmt und Internetseiten auf folgende Kategorien abklopft: „Fake News, Satire, Extrem parteiisch, Verschwörungstheorien, Gerüchteküchen, Staatsmedien, Unsinn, Hass-Gruppen, Clickbait (Klickköder), Mit Vorsicht zu genießen.“ Staatsmedien? ARD und ZDF sind da wohl durchs Raster gefallen.

Ihre Absicht mit dieser hoch normativen Belegung des Diskurses ist klar: „Wie verhindere ich einen deutschen Trump?“ steht auf den Zetteln, die sie als Fahnen vor sich her schwenken.

Alpen-Mordor

Es geht um die Einschätzung eines Kampfes Gut gegen Böse, so stark ist die Vereinfachung eines derart komplexen Themas bereits fortgeschritten. Die Schlacht zwischen den freien Völkern und den Heerscharen Mordors spielte sich für die etablierte Presse im Herzen Europas ab. Van der Bellen steht als triumphierend lächelnde weißhaarige Großvaterfigur vor dem Anbruch eines Neuen Morgens. Happy End. Ausblende. Der Stern schreibt von der „dunklen Seite der Macht“, die die Kontrolle über den zukünftigen Präsidenten der USA besitze und spielt gekonnt auf der Klaviatur des Rassismus, indem seine Hautfarbe herausgekehrt wird und ihm vorgeworfen wird, das Weiße Haus ein wenig „weißer“ zu machen, etwas was sich keiner seiner Vorgänger anhören musste.

„Lüge“ ist praktisch sein zweiter Vorname. Dass der Stern selbst eine bewegte Vergangenheit besitzt, was neudeutsch „Fake News“ angeht, sei hier auch erwähnt. 9,34 Millionen D-Mark hatte der Verlag der Zeitschrift 1983 in die fiktiven Hitlertagebücher gesteckt. In den 90ern ließ stern.tv in einem Fernsehbeitrag von Michael Born über den vermeintlichen deutschen Ableger des Ku-Klux-Klans Freunde des TV-Produzenten in selbstgemachten Fantasiekostümen auftreten.

Hier mal ein paar kleine Alltäglichkeiten von der anderen Seite des Gartenzauns. Welche Fehlinformationen wurden über den „Spin“ von Funk und Fernsehen gejagt und in der „Lückenpresse“ breitgetreten? Was wurde gezielt verschwiegen, wer steht im Fadenkreuz der Verschweiger, Weglasser, Falschmelder?

Kein Nazimord: 13. Januar 2015

Einen Tag vor der größten bisherigen Pegida-Demonstration mit ca. 40.000 Teilnehmern geschieht in Dresden die Bluttat an einem eritreischen Asylbewerber. Die Medien sind sich sicher, dass es in dieser aufgeheizten Stimmung ein Rechter sein musste, die bisherige Gewaltfreiheit  des Bündnisses konsequent in den Wind schlagend. Die Demonstrationen wurden wieder kleiner und ein afrikanischer Landsmann gestand, das Opfer erstochen zu haben.

Ein weiteres, sehr einprägsames Bild waren die versammelten Regierungschefs aus aller Welt, die nach den Terroranschlägen von Paris auf einem Trauermarsch Schulter an Schulter an der Spitze von Millionen durch Pariser Vororte zogen. Nur waren am 11. Januar 2015 des Volkes Massen lediglich ein Haufen Sicherheitsleute und ein paar Mitarbeiter der Systempresse und die Vororte eine abgeriegelte Seitenstraße, ähnlich den Potemkinschen Dörfern oder den Kulissen eines intakten Berlins 1945 für die Wochenschau. In diesem Zusammenhang lässt sich sogar die ehemalige taz-Chefredakteurin Ines Pohl zitieren: „Leider belegt der Umgang mit den Bildern des Pariser Marsches, dass das Wort ‚Lügenpresse‘ nicht nur ein Hirngespinst der Pegida-Anhänger ist, sondern dass die Wirkung der Bilder – übrigens auch für deutsche Medienmacher – manchmal wichtiger ist als die Dokumentation der Realität.“

Akif Pirinccis KZ-Rede im Oktober 2015 war, natürlich unabhängig von Fragen des guten Geschmacks, in der medialen Wiederaufbereitung begleitet von rechtlich relevanten Falschmeldungen, deren Korrektur in redaktioneller Verkürzung verschwand. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier wies darauf hin, dass hier „Fake News“ sogar noch verbreitet wurden, „obwohl die wichtigste Nachrichtenagentur dpa am nächsten Tag in mehreren Meldungen immer wieder explizit darauf hinwies, dass sich der Satz nicht auf Flüchtlinge bezog“.

Trau keiner Statistik

Den Preis für die fantasievollste Interpretation einer Statistik muss allerdings an das „Sturmgeschütz“ Spiegel-Online gehen. Dort schrieb man am 27. November 2014: „Mehr Einnahmen als Ausgaben: Ausländer bringen Deutschland Milliarden“, und bezog sich dabei auf eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, nach der 2012 jeder in Deutschland lebende Ausländer durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben zahlte, als er an staatlichen Leistungen erhielt. Umgerechnet war das also ein Plus von 22 Milliarden Euro. Allerdings hatte man lediglich die unmittelbaren staatlichen Zuwendungen verrechnet, ohne die sonstigen Ausgaben des Staates einzubeziehen, z.B. Aufwendungen für Verkehrswesen, Infrastruktur, Bildung und Polizei, was das Defizit von 79.100 Euro pro Migrant verschleierte.

Wie es scheint, ist der erste April öfter als einmal pro Jahr.

(Bild: Pixabay, CC0 Public Domain)

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