Gesichtet

Die Energiewende geht in die nächste Runde – und wird teurer

Das neue Jahr ist noch keinen Monat alt und schon wird wieder kräftig am derzeitigen Thema Nummer eins in der deutschen Politik weitergearbeitet: der Energiewende. Und auch ein „Durchbruch“ erzielt.

In der Nacht auf den 16. Januar 2020 einigten sich die Bundesregierung und Vertreter der Kohleindustrie sowie die Ministerpräsidenten der vom Kohleausstieg betroffenen Länder auf das weitere Vorgehen.

Wie bereits vor einem Jahr beschlossen, soll spätestens im Jahr 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Nun soll es für Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und NRW insgesamt 40 Milliarden Euro vom Bund geben, damit die dort notwendigen wirtschaftlichen Umstrukturierungen finanziert werden können. Bis Mai 2020 wollen sich Bund und Länder auf eine Vereinbarung festlegen, die die Umsetzung regelt.

Die Sache mit dem Wald

Offen bleibt indes, wie hoch die Entschädigungen für die Energieunternehmen wie RWE und EPH ausfallen sollen. Auch ob das neu gebaute Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in NRW noch ans Netz gehen darf oder sofort zum Milliarden-Grab wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Aber immerhin: der Hambacher Forst darf bleiben.

Allein daran wird schon deutlich, wo hier die Präferenzen liegen. Jedes Jahr wächst der deutsche Holzbestand um 122 Mio. Kubikmeter – immerhin 3,8 Kubikmeter in der Sekunde – aber es ist Staatsraison, dass ein paar wenige Hektar Wald am Rande eines Kohleabbaugebiets stehen bleiben. Und ein Kraftwerk, nach den neusten Technik- und Umweltstandards gebaut, muss um seine Inbetriebnahme bangen.

Der Ausbau des Öko-Stroms soll im Rahmen eines neuen noch ausstehenden Gesetzes beschleunigt werden. Gleichzeitig sollen die Stromkosten ab dem kommenden Jahr durch eine Absenkung der Ökostrom-Umlage sinken. Das Geld hierfür soll aus der zeitgleich eingeführten CO2-Bepreisung von Benzin, Diesel, Erdgas und Heizöl genommen werden.

Alle halten die Hand auf

Auch die Automobilindustrie reihte sich in die lange Schlange derjenigen ein, die für ihr Engagement in der Energiewende aus Steuermitteln unterstützt werden wollen. Wie aus einem Positionspapier zu entnehmen ist, schlagen Vertreter der Autoindustrie vor, der Staat solle sich finanziell an der Umstellung auf E-Mobilität beteiligen, da dies doch eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ sei. Gesprochen wird von 20 bis 40 Milliarden Euro.

Erst Energiefirmen und Vertreter der Windindustrie. Nun auch Ministerpräsidenten aus Kohleländern und eben auch die Automobilindustrie: alle halten im Kanzleramt die Hand auf. Das Ende vom Lied: innerhalb von nicht einmal 24 Stunden ist die deutsche Energiewende vermutlich um schlappe 80 Milliarden Euro teurer geworden!

Und um dem ständig zunehmenden Konkurrenzdruck entgegenzuwirken, sollen im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen mit hohem Energiebedarf ab 2023 durch einen „jährlich angemessenen Zuschuss“ entlastet werden.

Dumm nur, dass die Bundesregierung bei dieser Diskussion mit dem Rücken zur Wand steht. Denn einerseits ist nach wie vor oberstes Ziel aller politischen Arbeit die Energiewende. Andererseits müssen aber auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und nicht zuletzt unzählige Arbeitsplätze erhalten werden. Daher wird Vater Staat wohl nichts anderes übrig bleiben als zu zahlen. Die Autoindustrie sieht hier indes eine Möglichkeit, die teils horrenden Strafzahlungen des vergangenen Jahres wieder zu kompensieren.

Die Hälfte unseres Energiebedarfs ist vakant

Der Atomkraftausstieg steht aber auch noch an. So müssen bis 2022 die derzeit 13,8 Prozent Atomenergie im deutschen Nettostrommix kompensiert werden. Hinzu kommen die 38,1 Prozent, die derzeit durch Kohlekraftwerke gestemmt werden, bis 2038. Und als wäre das nicht schon utopisch und mit einigen nicht zu unterschätzenden Nachteilen und Risiken verbunden, sollen 2026 und 2029 umfassende Überprüfungen durchgeführt werden, wie es mit dem Kohleausstieg läuft. Dann könnte, so Bund und Länder, der Kohleausstieg bei günstigen Bedingungen auch schon bis 2035 über die Bühne gegangen sein.

Dass dies alles nicht so „grün“ und „erneuerbar“ ablaufen wird, wurde aber offenbar auch im Kanzleramt eingesehen. Denn neben all dem Gerede über „Ausstieg“ und „Wende“ wurde vereinbart, den Ausbau von Gaskraftwerken voranzutreiben. Begründung: die wegfallende Kohle-Energie müsse schließlich durch irgendetwas ersetzt werden. Erkenntnis des Tages: die Energiewende wird vor allem eines: teurer. Aber weder effizienter, noch besser. Wer hätte das auch erwarten können?

(Bild: Pixabay)

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