Rezension

Die Enteignung auf dem Bildschirm

Warum Videospielkultur wichtig ist. Und warum sie bedroht ist.

Als 2014 in Amerika „Gamergate“ ins Rollen kam, hagelte es von Seiten altgedienter politischer Veteranen vor allem Häme. Man verachtete die „Gamer“, die politisch aktiv wurden, weil eine Bande von „Social Justice Warriors“ um die Feministin Anita Sarkeesian ihnen die Spiele vermiesen wollte. „Wenn echte US-Marines wegen politischer Korrektheit Frauen in ihren Eliteeinheiten dulden müssen, welche Chance haben da irgendwelche Weicheier, die vor dem Bildschirm so tun, als wären sie Marines?“

Diese Einschätzung erwies sich als völliger Irrtum. Und ja, mir war das schon damals klar. Soviel Selbstlob muß sein! Denn während echte Elitesoldaten meutern und putschen müßten, wenn sie nicht alles schlucken wollten, was ihnen die politische Führung so vorsetzt, hatten die SJW während Gamergate keinen Hebel in der Hand.

Der linke Mob ist es gewöhnt Personen anzugreifen, die in der Öffentlichkeit stehen, Politiker, Konzernmanager, Universitätspräsidenten, kurz: Leute, deren Reputation einfach zu beschädigen ist und die eher einknicken, als einen Shitstorm einfach auszusitzen.

Shitstorm einmal andersrum

Der Angriff auf die männerzentrierte Videospielkultur hatte nur die diffuse Gruppe der Spieler als Ziel. Selbst nicht greifbar, schoss die über alle anonymisierbaren Kanäle des Internets zurück. Gamergate gehört heute zu den Gründungsmythen der sehr lebendigen englischsprachigen rechten Internetkultur. Und soweit ich weiß, war es das erste Mal, daß eine größere Gruppe, die nicht sowieso schon zum rechten Rand gehörte, auf eine linke Einschüchterungskampagne mit den einzigen Worten reagiert hat, die dort verstanden werden:

Fickt euch ins Knie! Ihr seid ein Haufen irrer Freaks und wir lassen uns von euch doch nicht einschüchtern!

(Stampf!) Aber es gab immer schon Migration!!!

Leider hat die Gegenseite ihren Fehler inzwischen erkannt und setzt nicht mehr die Spieler, sondern die Entwicklerstudios unter Druck. Jüngstes Opfer ist die tschechische Spieleschmiede Warhorse Studios. Der Grund: In deren bald veröffentlichtem Mittelalterspiel, Kingdome Come: Deliverence wird Mann keine Frau spielen können und im Böhmen des Jahres 1403 auch keinen Dunkelhäutigen treffen. Das nahm ein Blogger und Vielfachstudent namens Jan „lepetitcapo“ Heinemann zum Anlaß eine endlose Anklage gegen Warhorse Studios, Kingdom Come und vor allem gegen dessen Chefentwickler Daniel Vávra zu verfassen.

Aus diesem Konvolut der Anschaulichkeit halber folgendes Zitat (sowas kann man einfach weder imitieren noch paraphrasieren):

„Vávra empörte sich, ob Europäer*innen denn kein Recht auf ihre eigene Geschichte hätten. Schließlich begründete er seine Position mit einer nationalistischen Haltung mit anti-imperialistischem Reflex. Er sei schließlich in der fraglichen Region geboren, darum wisse er über die Geschichte der Region, die er als seine Geschichte zu empfinden scheint, doch mehr als irgendwelche dahergelaufenen Historiker*innen. Die Deutungshoheit über Geschichte wird in seiner Vorstellung zum Geburtsrecht. Entgegen allen historischen Befunden. [Heinemann bezieht sich auf diesen Twitterverlauf.]“

Die historische Autorität, auf die sich Herr Heinemann des Weiteren stützt, ist eine anonyme Bloggerin, die auf Tumblr den Blog Peopel of Color in European Art History betreibt und es sich zur Aufgabe gesetzt hat, durch das Zählen der Mohrendarstellungen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kunst den bedeutenden Beitrag der schwarzen Rasse zur abendländischen Kultur zu beweisen – ohne im mindesten zu ahnen, daß Hieronymus Bosch bei der Darstellung gemischtrassiger Geschlechtsverhältnisse in seinem Garten der Lüste nicht ganz das ausdrücken wollte, von der sie glaubt, daß er es wollte.

Entwickler knicken ein

Doch weiter im Text: Heinemann hat damit eine kleine Lawine losgetreten. Daniel Vávra hat sich inzwischen entschuldigt, früher Gamergatepositionen auf Twitter vertreten und bei einem Interview ein T-Shirt der Metalband Burzum getragen zu haben. Auch die Favoritenliste seines YouTube Profils ist inzwischen von allen Schnappatmung erregenden Videos gesäubert. Auf Kingdome Come dürfte das glücklicherweise keine Auswirkungen haben, da es für weitreichende Änderungen inzwischen zu spät ist.

Doch der allgemeine Trend geht inzwischen dahin, Videospiele an den Vorgaben von SJWs auszurichten. Würden die Kläffer des Zeitgeistes sich selber an die Spielentwicklung machen, wäre das nicht weiter schlimm. Was dabei herauskäme, könnte man beruhigt den Kräften des freien Marktes überantworten. Leider besteht ihr Erfolgsrezept darin, kreativen und produktiven Menschen ihren Irrsinn aufzuzwingen. Und bekommen sie einen Finger, nehmen sie gleich den ganzen Arm.

Warnhinweise

Bei Serien ist das besonders schlimm. Harmlose Konzessionen im ersten Teil laden dazu ein, die späteren Teile mit dem ganzen Müll vollzustopfen und die Fans werden sie trotzdem kaufen, weil sie die Reihe liebgewonnen haben, obwohl man die Frühwarnsignale oft erkennen kann.

Beim ersten Teil von Assassin‘s Creed etwa verstörte einzig und allein folgender Hinweis beim Starten des Spiels: „Inspired by historical events and characters. This work of fiction was designed, developed and produced by a multicultural team of various religious faiths and beliefs.“

Ansonsten ein hervorragendes Spiel, in der Kreuzzugzeit angesiedelt, das übrigens mit Religion gar nichts am Hut hatte. Die Glaubensfrage, um die es im Kampf zwischen den Geheimbünden der Assassinen und der Templer ging, war die Frage, zu welchen Mitteln man greifen darf, um die Menschen zu einem friedlichen Miteinander zu bewegen. Die Geschichte war tiefgreifend, die Spielmechanik gut.

Dann kam die Ezio-Trilogie, die um das Assassinenleben des florentinischen Adeligen Ezio Auditore kreiste. Das Italien des späten 15. Jahrhunderts war wunderbar eingefangen, die Spielmechanik noch besser als im ersten Teil. Revelations, der letzte Teil der Ezio-Trilogie, spielte dann im von den Osmanen eroberten Konstantinopel.

Sultan Suleiman bekam das ganze Toleranzgeschwafel in den Mund gelegt und dafür schlug Ezio für ihn einen byzantinischen Aufstand nieder, weil diese starrköpfigen Griechen einfach nicht bereit waren, sich in die neue multikulturelle Ordnung zu fügen. Als er den letzten Nachfahren des byzantinischen Kaisers tötete, sagte Ezio ihm wörtlich: „Eure Träume sterben mit euch, Manuel. Euer Reich ist nicht mehr.“

Cultural Appropriation

In den einschlägigen Foren bekam Ubisoft damals ziemlich viel Flak. Das hat sie aber nicht eines besseren belehrt. Assassin‘s Creed 3 spielte dann während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, der Hauptcharakter ist ein Halbindianer und sein Mentor ist ein Dunkelhäutiger. Die beiden sind dann die geheime Kraft hinter der amerikanischen Unabhängigkeit und der Gründung der neuen Nation. WE WUZ FOUNDING FATHERZ!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Weiter habe ich diese Reihe nicht gespielt (schon den dritten Teil nur, weil Ubisoft ihn mal kostenlos zum Download angeboten hat), aber ich erfahre, daß bei den neueren Teilen der Warnhinweis am Anfang um „various sexual orientations and gender identities“ erweitert wurde. Schade um ein gutes Spiel.

Mit Hosenanzügen fängt es an

Der erste Teil der Dishonored-Reihe begann noch viel unschuldiger. Das Szenario ist in einer fiktiven, an das viktorianische England angepaßten Steampunk-Welt angesiedelt. Hervorragend gemacht, packende Atmosphäre, nur eine Kleinigkeit irritierte. Die weiblichen Charaktere trugen keine Kleider, sondern allesamt Hosenanzüge.

Versteht mich nicht falsch, die Hosenanzüge hatten Stil und die Frauen sahen gut darin aus. Ich weiß, als Deutscher bekommt man bei der Vorstellung kognitive Dissonanzen, aber es war so. Bei mir leuchteten aber aus einem anderen Grund alle Warnlampen auf. Niemand, der ein Spiel in einer viktorianischen Umgebung ansiedelt, steckt die Frauen in Hosenanzüge. Es sein denn, es gab eine Genderdebatte. Da hatte also schon jemand einen Fuß in der Tür.

Bingo! Verdacht bestätigt!

Vor kurzem habe ich mir den zweiten Teil gekauft und Bingo! Einer der spielbaren Charaktere ist jetzt weiblich (bei der Steampunkversion eines Elitesoldaten ziemlich lächerlich, aber daran haben wir uns ja schon gewöhnt), ebenso ein Teil der Wachmann/frauschaft. Dazu ist ein beträchtlicher Teil der NPCs schwarz. Trotzdem kann man Dishonored 2 noch ohne einen Eimer neben dem Rechner spielen. Dann kam der dritte Teil heraus. Der Hauptcharakter ist jetzt eine behinderte schwarze Lesbe. Und weil die bisherigen Ränke um das Kaiserreich der Inseln für solch ein höheres Wesen viel zu banal sind, macht sie sich gleich mal daran, einen Gott zu töten.

In solchen Serien wird die Enteignung des weißen Mannes auf dem Bildschirm zelebriert und die Jugend ebendieses weißen Mannes macht mit, weil man eben doch wissen will, wie die Geschichte ausgeht.

Und es ist eine Enteignung. Denn kein Entwickler siedelt ein Spiel im vorkolonialen Afrika an. Die Stimmung, die Kultur, die diese Spiele brauchen, um Menschen zu begeistern, ist meistens abendländisch, manchmal fernöstlich, oder auch orientalisch, aber sie stammt nicht aus den Lehmhütten vorkultureller Völkerschaften. Nein, es geht immer darum, diese Leute bei uns anzusiedeln. Selbst in der Pixelwelt steht da nichts Eigenes.

Warum das wichtig ist

Viele meinen zu diesem Thema ja, daß es nur gut wäre, wenn die Jugend endlich aus ihren Fantasiewelten vergrault würde, dann bekäme sie vielleicht den Hintern hoch. Daran stimmt, daß Videospiele zu den circenses zählen, mit denen das Volk ruhiggestellt wird. Doch gleichzeitig sind sie ein wichtiger Teil der (Jugend-)Kultur geworden – inzwischen viel wichtiger als das Fernsehen.

Jeder, der heute aufwächst, ist davon umgeben. Nur die wenigsten werden, wie ja einige glauben, den Bildschirm abschalten und in einen patriotischen Sportverein eintreten. Der Rest wird diese Suppe weiter schlürfen. Sie wird ihnen manchmal nicht schmecken, aber sie werden sich daran gewöhnen. Es sei denn, sie haben weiterhin Alternativen in den aktuellen Unterhaltungsmedien.

Deshalb sollte man Entwickler unterstützen, die ihre Produkte trotz des Drucks nicht verhunzen. Entwickler knicken ein, weil im Internet keine Stimmung entsteht, die ihnen vermittelt, daß ihnen nicht der Umsatz wegbricht, sobald sie der linken (Berufs-)Meute sagen, wohin sie sich ihre Beschwerden stecken kann.

Dabei bin ich überzeugt, daß da gar nichts passieren würde. Videospiele sind für uns ein geeigneter Angriffspunkt, weil die Macht der Linken hier auf einem reinen Bluff basiert. Von keinem Spiel wird auch nur eine Kopie weniger verkauft werden, weil die Diversity Quotas nicht erfüllt wurden. Ich werde mir Kingdome Come: Deliverence auf jeden Fall zulegen. Eigentliche hatte ich mir fest vorgenommen, 2018 kein neues Spiel zu kaufen, … aber es ist für einen guten Zweck.

Bild: Warhorse Studios

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