Gesichtet

Die Fehler der Rechten

Abgesehen davon, dass die Rechte als einheitlicher politischer Machtfaktor nicht besteht, krankt sie an zwei vorgeburtlichen Fehlern: pseudoelitärer Dünkel und fehlender Anschluss an die Realität.

Dass der eine Fehler dabei aus dem anderen hervorgeht, liegt auf der Hand. Das Grundproblem dabei ist der fehlende Realitätsanschluss. Woran liegt es? Es liegt vor allem daran, dass die Rechten – es ist angebrachter, von den Rechten als von der Rechten zu sprechen – grundsätzlich Gegenpositionen beziehen: Gegen alles, was links ist, gegen unliebsames Bestehendes, gegen Windmühlen und Hirngespinste, gegen Unabwendbares …

Angst vor Veränderung

Die negative Ausgangsposition bezeichnet eine strukturelle Schwäche der Rechten. Indem sie zu sehr an Altem hängen, verbauen sie sich die Zukunft. Ob dieses wertvolle, ehr- und erhaltungswürdige Alte lebensfähig ist, überhaupt noch existiert oder eine Chance hat, sich in die Zukunft hinüberzuretten, bleibt für gewöhnlich unerörtert. Letzteres ist nicht ganz zufällig. Die meisten Rechten haben nämlich tatsächlich das, was ihnen von linker Seite oft angekreidet wird,  „Angst vor Veränderung“.

Diese „Angst vor Veränderung“ muss als ein ganzer Komplex von Gefühlen, Wertvorstellungen sowie Assoziationen einer mythischen Vergangenheit begriffen werden. So verehrungswürdig jeder dieser Einzelfaktoren für sich ist, so verheerend wirkt sich der aus ihnen bestehende Gesamtkomplex aus. Denn jedes Angstgefühl wirkt nicht nur paralysierend. Auch wirkt es störend auf unser Sinnesvermögen. Noch mehr als die Angst aber wirkt störend auf den Realitätssinn die durch den Gesamtkomplex erzeugte Illusion, es könnte etwas Starres und Unveränderliches in der Geschichte geben. Aus dieser Illusion ergibt sich dann als Grundirrtum die Missachtung der Realität. Die Rechten neigen dazu, die Wirklichkeit zu verkennen wegen ihrer eigenen Ungeschichtlichkeit.

Naserümpfen vor der Wirklichkeit

Das mag überraschen. Gerade Rechte argumentieren mit der Geschichte und ihrem Wirklichkeitssinn. Das ist aber nicht ganz richtig. Die Rechten argumentieren zwar mit der Geschichte, meinen aber im Grunde immer die Vergangenheit. Die Vergangenheit ist dabei grundsätzlich eine beliebige und imaginäre, teils diffus sagenhafte, teils höchst unwahrscheinliche Welt.

Konstruktiv ist mit der Fixierung auf Vergangenes nichts anzufangen. Sie ist eher so etwas wie ein Trostpflasterchen gegen die Angst. Was die Rechten tatsächlich gemeinsam haben, sie aber nicht eint, ist die „Angst vor Veränderung“. Diese gestaltet sich bei jedem Rechten anders, wobei alle Rechten gleichermaßen politisch durch sie gelähmt werden. Letztendlich führt das dazu, dass die Rechten unfähig werden, das Leben zu meistern. „Leben“ darf hierbei aber nicht im gewöhnlichen Sinn verstanden werden. „Leben“ ist ein in sich sinnvolles, handelndes und sich entwerfendes Dasein.

Damit dieses Dasein aber auch wirklich sinnvoll ist, handelt und sich entwirft, muss es den Mut haben den Tatsachen des Lebens ins Auge zu blicken. Diese Tatsachen sind genauso einmalig und unwiederbringlich wie notwendig und unabänderlich. Sie nicht zu mögen oder sie zu übersehen, schadet nicht ihnen, sondern immer nur einem selbst. Gerade gegenüber den Tatsachen aber wäre eine wahrhaft geschichtliche Haltung wünschenswert. Die Vorstellung, die Gegenwart nicht in imaginären Kämpfen zu verneinen, sondern sie anzuerkennen, um in sie einzugreifen und sie somit aktiv mitzugestalten, erzeugt bei vielen Rechten Naserümpfen.

Der Defätismus ist viel zu weit verbreitet unter den Rechten

Jede realistische politische Vorgehensweise weist zwei Komponenten auf: Aussöhnung mit Gegenwart und Wirklichkeit und „Politik der kleinen Schritte“, also eine Politik, die sich darauf beschränkt, nur anzuvisieren, was sie auch wirklich erreichen kann. Eine solche Politik führt zu Resultaten, nur nicht zu solchen, die die ewigen Kritiker und Nörgler gutheißen würden. „Wozu ein Parlamentssitz, wenn die Substanz der Nation unwiederbringlich verloren ist“, sagen sie, und noch mehr: „Wozu das Ganze, wenn die Prinzipien politischer Organisation, die doch Sinn und Zweck politischen Handelns ist, nicht feststehen?“

An solchen und ähnlich klingenden Vorbehalten erkennt man, dass der Kritiker und Nörgler im Grunde ein Defätist ist. Die Schlachten sind längst geschlagen, alles ist verloren für ihn. Die Flucht zu Prinzipien und hoher Theorie ist geradezu das Markenzeichnen des Defätisten. Dessen Haltung ist noch viel zu zahlreich unter den Rechten, als das diese sich einigen könnten um frohen Mutes zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor zu werden. Aber, ein Entscheidendes fehlt noch!

Abschied vom „Volk“

Der Abschied vom pseudoelitären Dünkel sollte ein echter kategorischer Imperativ der Rechten sein, wollen sie politisch etwas sein. Politisch etwas sein bedeutet, politisch etwas ausrichten. Um aber politisch etwas ausrichten zu können, bedarf es der Bevölkerung, der Menge, der Masse, des „großen Haufens“, wenn man so will. Machiavelli hat diese Wahrheit klar ausgesprochen, indem er folgendem in seiner Zeit verbreiteten Ausspruch entgegen trat: „Wer auf das Volk baut, baut auf Sand.“

„Volk“ ist kein Abstraktum, keine Vorstellung oder Assoziation, sondern eine Tatsache des Lebens. Sie ist sogar die Haupttatsache des politischen Lebens. Volk ist entweder, oder es ist nicht. Wenn kein Volk da ist, auf das man bauen könnte, muss man eben mit der Bevölkerung vorlieb nehmen. Wer auf der Höhe der Zeit fragt „Wer ist das Volk?“, und dabei stillschweigend davon ausgeht, die Antwort werde bezüglich Deutschland „alle rechtschaffenen, unverdorbenen und wiederum von Deutschen abstammenden Deutschen sein“, der irrt. Und wer stattdessen antworten sollte „Es gibt nichts zu tun, es gibt nämlich kein Volk mehr“, der irrt noch mehr. Mit dieser seiner defätistischen Ansicht sollte er nicht hausieren gehen. Er sollte sich besser zurückziehen und den Anderen das Handeln nicht vermiesen.

Die Rechten müssen sich Bevölkerungsmehrheiten annähern

Anstatt mit der ausgelutschten Vokabel „Volk“ zu arbeiten, sind die Rechten besser beraten, sich Bevölkerungsmehrheiten anzunähern. Das schafft Handlungsspielraum auf breitester Basis. Zur tatsächlichen Bevölkerungsmehrheit gehören derartig viele und auch unterschiedliche Menschen, dass nur der etwas politisch ausrichten kann, der dieser lebendigen Vielfalt der Meinungen und Menschen auch gerecht wird. Ihr nicht zu widersprechen, reicht dazu nicht aus. Man muss selbst Teil dieser Vielfalt werden, sich ihr innerlich und äußerlich angleichen und ausführen, was ihres Sinnes ist. Anscheinend macht man sich dadurch zum Werkzeug eines Zustands, den man eigentlich verändern, vielleicht sogar abschaffen möchte.

Doch der Schein trügt und zwar gleich zweifach: Erstens gibt es keine „Zustände“, sondern immer nur Veränderlichkeit und Werden. Zweitens handelt es sich bei diesem Scheinzustand um eine Welle, und zwar die Welle, die einen emporheben wird. Um aber von ihr emporgehoben zu werden, muss man mitschwimmen, eins mit ihr werden. Und nur wer das kann, erhält auch den Preis: Die Macht, die Wirklichkeit zu gestalten. Damit die Rechten auch da ankommen, müssen sie zuerst viele Vorurteile und Dünkel von sich werfen. Dass das weh tut, ist unbestreitbar. Notwendig ist es allemal.

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