Anstoß

Die schrecklichen Deutschen

Manchmal wandeln sich nur die Erscheinungsformen. Waren es vor sechshundert Jahren Romvölker, die oft unter falschen Namen in Europa ankamen, ihre Herkunft verschleierten und Legenden über die Gründe verbreiteten, die sie zum Verlassen der Heimat gezwungen hätten, sind es heute afrikanische und arabische Einwanderer, die an den Küsten Europas stranden.

Früher wurden Zigeuner ausgegrenzt. Heute ist man in Deutschland fast schon ein Nazi, wenn man auf das Vorhandensein der deutschen Staatsgrenze hinweist. Oder darauf, dass die Polizei laut der europäischen Verträge die Pflicht hat, Menschen an der Grenze zurückzuschicken, die illegal einreisen wollen. So ändern sich die Zeiten.

Asylkrise verschärft Wohnungskrise

„Die Flüchtlingskrise hat nicht vieles, sondern alles verändert und verschärft die Wohnungskrise“, meint folgerichtig Markus Gruhn vom Ring Deutscher Makler. Flüchtlinge bzw. illegale Einwanderer ziehen nämlich jetzt aus Gemeinschaftsunterkünften in reguläre Wohnungen. Während eine deutsche Familie aus dem Mittelstand kaum noch eine bezahlbare Wohnung findet, nickt der deutsche Michel schon wieder weg. Nur noch für gut ein Viertel der Deutschen sind Flüchtlinge, Asylpolitik und Integration ein wichtiges Themengebiet. Im vergangenen Januar waren es laut ARD-DeutschlandTrend noch 40 Prozent.

Als Sprachdozent an der Goethe-Uni in Frankfurt unterrichte ich auch Flüchtlinge aus Syrien. Das Lehrbuch gibt das Thema Obdachlosigkeit vor. Meine Studenten sind erstaunt über die vielen Obdachlosen in Frankfurt. Ich frage, ob es in Syrien vor dem Krieg mehr oder weniger Obdachlose als in Frankfurt gegeben hat. „Deutlich weniger“, ist unisono die Antwort. Die Klasse spekuliert über die Gründe und vermutet Wohnungsverlust nach eintretender Arbeitslosigkeit.

Eine syrische Studentin widerspricht: „Aber wir arbeiten doch auch alle nicht und das Sozialamt bezahlt unsere Zimmer und Wohnungen!“ Nächste Frage an mich: „Warum sind in Deutschland keine Flüchtlinge obdachlos, sondern nur Deutsche?“

Deutsche müssen „Flüchtlingen“ helfen

Meine Antwort: „Weil es für die Deutschen eine gesetzliche Pflicht ist, Flüchtlingen zu helfen und wenn die Deutschen etwas als ihre gesetzliche Pflicht wahrnehmen, dann erfüllen sie diese Pflicht auch ohne Wenn und Aber. Gegenüber den einheimischen Obdachlosen gibt es nur ein wir sollten helfen, während die Deutschen Flüchtlingen helfen müssen!“

Ich nehme jetzt Fragezeichen in den Gesichtern meiner Studenten wahr, allerdings nicht aufgrund von sprachlichen Schwierigkeiten. Es ist eher die kulturelle Kluft. Weil sie es so gelernt haben, geben sich heute alle Deutschen –  wie kein anderes Volk auf dieser Erde – tapfer Mühe, nur noch Menschen zu sein. Das macht sie natürlich zu typisch Deutschen. Somit funktionieren sie als Volk wie eh und je.

Den Nationalsozialismus habe ich schließlich verstanden, als mit der Grenzöffnung 2015 der Flüchtlingstaumel losbrach. So einfach ist das also, dachte ich mir. Da braucht nur jemand an der Spitze des deutschen Staates mit einer beschissen dummen Parole an das deutsche Volk zu appellieren, schon verschmelzen am nächsten Tag hunderttausende Deutsche zu einem Wir-schaffen-das-Volkskörper, bereit, für eine wahnsinnige Idee ohne Limit und Obergrenze ihr eigenes Land zu opfern. Ein Italiener, der sich im Vergleich zu den Deutschen als Individuum begreift, würde einfach lapidar erklären: „Du schaffst das vielleicht, aber ich nicht.“

Ich mag meine ausländischen Studenten. Angst macht mir eher das überbordende und grenzenlose Deutschsein meiner politisch links stehenden Landsleute.

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