Ich hatte vor einiger Zeit ein sehr interessantes Gespräch mit einem Journalisten aus dem Dunstkreis der Süddeutschen Zeitung. Bei dem Gespräch ging es darum, warum ich eine politische Einstellung vertrete, die im Politischen auf der rechten Seite einzuordnen wäre. Was der gute Herr überhaupt nicht verstehen konnte, war, dass ich diese Einstellung habe und dennoch der Meinung bin, deswegen kein schlechter Mensch zu sein.
Im Laufe des Gesprächs kamen wir auf die Massenmigration der vergangenen Jahre zu sprechen und weil er annahm, ich sei gegen diese, stellte er die Frage, warum ich so denken würde. Ob mir die armen Syrer nicht schrecklich leidtun würden? Daraufhin fragte ich ihn zurück, ob er gerne in einem freiheitlichen Staat leben würde. Er bejahte. Daraufhin ich, ob es Voraussetzungen für diesen freiheitlichen Staat geben würde.
Er: Vermutlich.
Ich: Was denn diese seien?
Er: Das könne er jetzt nicht so spontan beantworten.
Ich: Ob seiner Meinung nach ein gewisser gesellschaftlicher Grundkonsens notwendig sei, um sich gewisse Freiheiten leisten zu können?
Er: Womöglich.
Ich: Ob er sich vorstellen könne, dass dieser Grundkonsens vielleicht daraus bestehen könnte, grundlegende Ansichten über richtig und falsch als allgemein akzeptiert und unhinterfragt zu werten?
Er: Klingt logisch.
Ich: Ob er mir zustimmen würde, wenn ich sage, dieser Konsens über richtig und falsch läge im vordemokratischen, im vorpolitischen Raum?
Er: Er könne sich denken, worauf ich hinauswolle.
Ich: Ob er mir dann die Frage beantworten könne, ob dieser notwendige Konsens nicht dadurch zerstört werde, wenn sich aufgrund massenhafter kulturfremder Einwanderung Parallelgesellschaften bilden und somit eben dieser Konsens in Frage gestellt wird?
Er: Vermutlich?
Ich: Warum er dann nicht gegen Masseneinwanderung sei, beziehungsweise mir so eine unsinnige Frage stellen würde?
Er: Er könne meine Ängste nachvollziehen, aber er sehe das ein bisschen anders.
Ich: Inwiefern?
Er: Er glaube, das könne man nicht einfach so gleichsetzen. – Gespräch beendet!
Das Gerede von einem demokratischen Diskurs ist ausgemachter Blödsinn. Und es wird auch nicht dadurch besser, dass er am laufenden Band von allen Seiten beschworen wird als das Heilmittel um die Stimmung der Polarisierung in unserer Gesellschaft wieder auf vernünftige Füße zu stellen. Ein Diskurs zwischen links und rechts ist oft nicht möglich. Warum? Weil dieses träumerische Ideal der Aufklärung, dass der Mensch sich nur von seiner Ratio leiten lassen solle, Schwärmerei ist.
Migration, Klimawandel, Energiewende
Die aufgestellte These also lautet: Ein politischer Diskurs, der sich nicht nur darauf beschränkt, den jeweils anderen einen Idioten zu schimpfen, ist nicht möglich, weil er von zu vielen Faktoren bestimmt wird, die sich nicht auf das Wissen als solches stützen, sondern auf Glaubenssätze und unhinterfragten Grundeinstellungen basieren. Und das gilt für die meisten politischen Streitthemen dieser Tage: Sei es nun die Massenmigration, der Klimawandel oder der Atomausstieg.
Das wird deutlich an dem Umstand, dass eine Diskussion zwischen einem Rechten und einem Linken schon deshalb ohne nachhaltigen Erkenntnisgewinn bleiben wird, weil schon die verwendete Sprache eine jeweils andere ist. Stellen Begriffe wie „Vaterland“, „Kultur“ oder „Religion“ für einen Rechten anthropologische Konstanten dar, sieht der Linke darin nur Konstrukte, die man nach Belieben dekonstruieren, verändern, aufheben könne. Wenn also ein Rechter von Gott und Vaterland spricht, meint er damit etwas völlig anderes, wie ein Linker, der diese Worte in den Mund nimmt. Gleiches gilt beispielsweise für die Schlagworte „Kohlendioxid“, „Erneuerbare Energie“ und „Nachhaltigkeit“.
Hinzu kommt: Was für den einen etwas Positives ist, wird vom anderen als negativ verteufelt. Das geht natürlich auch anders herum. Ist für einen Linken der „Multikulturalismus“ ein anzustrebendes Ziel, steht der Rechte diesem mit äußerster Skepsis, beziehungsweise Ablehnung gegenüber. Genausogut kann man Äpfel mit Birnen vergleichen.
Liebe muss man nicht begründen können
Der Grund dafür: Der Mensch stellt sich als ein Wesen dar, dahingehend zu tendieren, Grundüberzeugungen und Werte nicht aufgrund eines besonderen Wissens um diese Werte zu verteidigen, sondern um ihrer selbst willen. Das „Vaterland“ wird von einem Rechten primär nicht als schützenswert empfunden, weil es die Grundlage für Demokratie oder Kultur oder Frieden ist, sondern weil es die Heimat ist.
Soll heißen, dem Vaterland oder der eigenen Kultur wird ein Wert an sich zugemessen, der sich jedoch nicht auf rationale Elemente stützt. Ebenso scheint es sich bei den Linken zu verhalten. Nur dass es hier nicht das Vaterland ist, sondern um Dinge wie die „Menschheit“ handelt. Zugespitzt kann dieses Verhalten vielleicht mit der Zuneigung einer Mutter zu ihrem Kind verglichen werden. Eine Mutter würde für ihr Kind nicht deshalb das Letzte geben, weil sie sich davon etwas verspricht, wie beispielsweise Versorgung im Alter. Vielmehr kümmert sie sich um ihr Kind, weil sie es liebt? Und warum liebt sie es? Sie liebt es, weil sie es liebt. Um seiner selbst willen.
Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, die Grundannahmen, die unser Denken prägen und bestimmen, verlieren insofern an Überzeugungskraft und Schlagfertigkeit, wie sie nur noch durch die Ratio hergeleitet und begründet werden. Das hat aber zur Konsequenz, dass diese Grundannahmen sich schlecht durch einen Diskurs ändern lassen. Denn ein Diskurs muss rational sein, wenn er mit Argumenten arbeiten möchte. Es ist einfach nicht überzeugend, wenn man sagt: „Ich halte unsere Kultur für schützenswert, eben weil sie unsere Kultur ist.“ Damit wird man niemanden überzeugen können, der das selbst nicht schon als richtig erkannt hat.
Überzeugungen ändern sich nicht aufgrund eines Arguments, sondern aufgrund von Einsichten, die mit Logik oft nichts zu tun haben. Daher trifft der Vorwurf: Die AfD würde Stimmen aufgrund von Angst bekommen eigentlich den Kern der Sache. Die Leute ändern ihre Meinung aufgrund einschneidender Ereignisse oder Erlebnisse. Entscheidungen werden aus „dem Bauch heraus“ getroffen. Beispiel: Man hat Angst vor islamischem Terror aufgrund den massenhaft einströmenden Muslimen in unser Land und auf einmal scheint das Argument „Islamische Einwanderung erhöht die Terrorgefahr“ schlüssig. Oder man bekommt Angst um die wirtschaftliche Zukunft dieses Landes, wenn Stück für Stück die Energiesicherheit durch den Ausbau der „Erneuerbaren“ sabotiert wird.
Der Glaube an die Richtigkeit der eigenen Argumente
Dass es aber Sinn ergibt, bedurfte eines Gefühls und dem Glauben an dessen Richtigkeit. Dieser Glaube ist unmittelbar, also nicht durch Argumente bedingt. Man könnte auch sagen, Argumente machen nur innerhalb des richtigen Koordinatensystems Sinn. Dieses Koordinatensystem – auch Weltbild genannt – steht jedoch, eben dadurch, dass es einer bestimmten Argumentation Überzeugungskraft verleiht, außerhalb dieser Argumentation. Nicht umsonst ist es ein Grundsatz der Rhetorik: Nicht Fakten und Daten zählen. Vielmehr muss man seinen Zuhörern das Gefühl geben, Recht zu haben.
So gehen doch beide Diskussionspartner mit dem Gefühl auseinander, Recht behalten zu haben. Den Menschen geht es primär nicht darum, Recht zu haben. Hierin unterscheiden sich Rechte und Linke nicht grundlegend – beide wollen Recht behalten. Wird eine solche „Diskussion“ vor Publikum ausgetragen, gibt es danach immer noch dieselben beiden Gruppen. Freilich kommt ein Wechsel der Fronten bisweilen vor; die Meisten werden demgegenüber auch nach der Konfrontation mit den Argumenten der Gegenseite auf dem bisher vertretenen Standpunkt beharren, schlicht und ergreifend, weil die „Argumente“ des anderen nicht verstanden, sie zumindest nicht als überzeugend befunden wurden.