Anstoß

Die Verherrlichung der Antifa

Die Frage, was im Zuge der politischen Diskussion erlaubt sei und was nicht, ist wohl so alt, wie die Politik selbst. Auch die Frage, was eine wehrhafte Demokratie ausmacht, hat, zumindest hier in Deutschland eine gewisse Tradition.

Denn der Begriff der „wehrhaften Demokratie“ wurde hier schon sehr früh nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg formuliert und impliziert das allseits bekannte „Nie wieder!“, das sich bis in unsere Tage erfolgreich gehalten hat und bis zur Selbstnegierung getrieben wurde.

Konsens über „Nie wieder!“

Dieses „Nie wieder“ wurde und wird meist von linker Seite bei jeder sich bietenden Gelegenheit angebracht. Ist irgendwo ein Neonazi-Aufmarsch, muss dieser verhindert werden, denn „Nie wieder“. Oder ein Parteitag einer konservativen Partei, dann gilt auch hier der gleiche Schlachtruf. Dabei ist gegen diese Forderung im Grunde nichts einzuwenden. Denn darüber herrscht Konsens in Deutschland, dass man so etwas, wie zwischen 1933 und 1945 hier stattgefunden hat, mit Sicherheit nicht noch einmal will.

Auffallend ist jedoch der eklatante Zusammenhang zwischen dem „Nie wieder“ und der Tendenz einiger deutscher Politiker, linke Gewalt zu relativieren, zumindest jedoch nicht zu beachten. Dieser Beobachtung immanent ist die Behauptung, eine „wehrhafte Demokratie“ käme an zum Teil auch gewalttätigen Mechanismen, die das „Nie wieder“ gewährleisten sollen, nicht vorbei und ist damit zu tolerieren. Dass dieser Gedankengang in seinen Prämissen schon falsch ist, weil Gewalt in einem funktionierenden Staat immer nur von diesem selbst ausgehen kann und darf und dann auch nur gegen verfassungsfeindliche Tendenzen, soll hier nicht näher beleuchtet werden.

Studenten laufen der Antifa in die Arme

Vergangenen Montag hat das neue Semester angefangen an den Universitäten in München. Und wie das halt so ist, drängen sich am ersten Tag hunderte von sogenannten „Erstis“ auf den Campus. Und wie jedes Mal sind auch dieses Mal wieder diverse Vereinigungen und Initiativen da, die unter den Neulingen nach neuen Unterstützern und Mitgliedern werben. Neben Gemüsefanatikern und bekifften Kriegsgegnern steht auch wieder ein Stand der antifaschistischen Aktion, die mit markigen Sprüchen wie „FCK AFD“ oder „gegen Rassismus, Faschismus und Homophobie“ wirbt – also mit genau dem, was bei Ottonormalstudent gut ankommt.

Und wie Schafe, die ihr Hirn am Eingang abgegeben haben, finden das die Herren und Frauen (und was sonst auch immer noch) Studierenden angemessen. Schließlich ist jeder für eine wehrhafte Demokratie. Mit anderen Worten: gegen den bösen Nazi, der bestimmt auch irgendwo auf dem Campus strammen Schrittes unterwegs ist und den Untergang der Welt einleitet.

Antifa: Chaoten oder Terroristen?

„Chaoten oder Heilsbringer? – Danke, liebe Antifa!“ nennt sich ein doch sehr unterhaltsamer Text vom 24. Januar 2014 – erschienen auf Tagesspiegel.de –, der den Versuch unternimmt, für einen solchen Mechanismus einer wehrhaften Demokratie eine Lanze zu brechen. Dass die Antifa schon im Titel im schlimmstmöglichen Fall nur aus Chaoten bestehe, ist interessant. Andere würden hier eher das Wort „Terroristen“ wählen.

„Sie gelten als Krawallmacher, Störenfriede, Chaoten. Dabei ermöglichen sie uns ein Leben, in dem Rechtsextreme die Rolle spielen, die ihnen zusteht: nämlich keine. Zur Verteidigung einer viel gescholtenen Subkultur.“ Der erste Satz dieses Textes sagt eigentlich schon alles aus. Der Autor geht hier davon aus, dass das Bild von der Antifa nicht differenziert genug sei.

Zwischen den Zeilen steht also: Die Antifa, das sind nicht nur diese marodierenden, schwarz vermummten Banden, die zum ersten Mai durch deutsche Städte ziehen und Autos anzünden, Steine auf Polizisten werfen und keine Gelegenheit auslassen schlagkräftig zu verdeutlichen, was sie von Deutschland halten („Deutschland, du mieses Stück Scheiße“). Wer die Antifa als „hirnlose Krawallmacher“ abstemple, tue ihr unrecht.

Ohne Antifa mehr Nazis?

„Ich bin trotzdem sehr froh, dass es sie gibt. Denn wäre die Antifa nicht da, gäbe es viel mehr Nazis in meinem Leben. Dass sie im Zentrum Berlins nicht ständig mit Infotischen, Fackelläufen und Aufmärschen präsent sind, ist im Wesentlichen ein Verdienst der Antifa und ihrer Unterstützer.“ Da haben wir es also. Und hat der Autor dieser Zeilen nicht recht? Wenn es die Antifa nicht gäbe, wäre mindestens einmal die Woche in Deutschland eine Reichskristallnacht, alle zwei Tage würde eine Synagoge brennen und in spätestens einem Jahr hätte Deutschland wieder einen Führer mit Schnauzer und Seitenscheitel.

Mich würde brennend interessieren, in welchem Deutschland dieser junge Herr lebt, der diese Zeilen aufs Papier gebracht hat. Muss man sich nicht eher fragen, ob die Antifa mit ihren militanten Auftritten genau das gleiche macht wie die Sturmabteilung (SA) seinerzeit auch? Den politischen Gegner einschüchtern und terrorisieren, bis dieser sich nicht mehr vor die Türe traut? Sind es nicht die gleichen Methoden, die hier angewendet werden? Öffentliche Anprangerung des politischen Gegners, Zerstörung seines Besitzes (Auto, Briefkasten), Drohbriefe, physische Gewalt und dergleichen mehr? Anscheinend nicht. Vielmehr sind die „Chaoten“ der Antifa Verteidiger unserer Demokratie.

Die Dummköpfe der Linken

„Gäbe es den Widerstand nicht, hätten Rechtsextreme bald keine Hemmschwelle mehr, in der Öffentlichkeit zu agieren. Sie könnten ungestört Flugblätter verteilen: vor Supermärkten, vor Schulen, in Fußgängerzonen. Sie könnten Druck ausüben und anderen ihre Werte aufzwingen.“

Offensichtlich sind hier nicht irgendwelche Springerstiefel tragende Glatzköpfe gemeint, sondern gemeinhin alles, was nicht links ist. Denn wenn man sich vergegenwärtigt, wessen Infostände die Antifa angreift, wessen Plakate systematisch zerstört werden (übrigens eine Straftat und nicht die Verteidigung von demokratischen Werten), Personen welcher politischen Einstellung physisch angegangen werden, ist dies nur allzu deutlich.

„Nicht alle Linken sind gute Menschen. Es gibt ausgesprochene Dummköpfe unter ihnen und wenn sie – jede andere Form von Gewalt ist natürlich nicht tolerierbar – Mülleimer anzünden oder Bushaltestellen demolieren, ist das ärgerlich und falsch. Aber auch zu verkraften.“ Welch hehre Einsicht. Ja, es gibt einen Haufen Dummköpfe unter den Linken. Denn die Sprache der Gewalt ist immer nur das Argument eines Dummkopfes. Und nein, das ist nicht „ärgerlich“. Ärgerlich ist eine schlechte Note in der Schule oder Autopanne. Das Treiben der Antifa hingegen ist Sachbeschädigung, Körperverletzung und eine riesengroße Schweinerei.

Linke, die Auto fahren, sorgen nach ihrer Logik für den Weltuntergang

Wenn der Autor hier schreibt, es sei zu verkraften, stellt sich die Frage für wen eigentlich? Wenn man sich die oben genannte Tendenz deutscher Politiker, linksextreme Gewalttaten zu ignorieren, in Erinnerung ruft, so könnte man womöglich auf den Gedanken kommen, dass es hier nicht um den einfachen Bürger geht, schon gar nicht um die Geschädigten, sondern um jene Politiker, die von linker Gewalt profitieren.

„Mich beruhigt es, in einer Stadt zu leben, die eine starke, aktive Antifa hat. Weil ich dann sicher bin, dass in meinem Kiez keine Nazis die Meinungshoheit übernehmen.“ Weil vor allem in Berlin die ständige Gefahr eines Putsches von rechts besteht. Und mich würde interessieren, ob der Autor es immer noch so toll und beruhigend finden würde, wenn die starke, aktive Antifa in seinem Kiez im Zuge einer ihrer Straßenfeste sein Auto abfackelt? Ist das dann immer noch nur ärgerlich?

Aber zur Ehrenrettung unseres Antifasympathisanten: Da er in Berlin wohnt, wird er vermutlich kein eigenes Auto haben. Denn schließlich kann man sich als aufrechter Linker nicht darüber beschweren, dass in Berlin täglich tausende Einwegkaffeebecher weggeschmissen werden und gleichzeitig ein Auto fahren und damit persönlich für das Abschmelzen der Polkappen, das Wachsen des Ozonloches und überhaupt den Untergang der Welt verantwortlich sein.

(Bild: Lovro Rumiha, flickr, CC BY-NC 2.0)

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