„Viele wollen nicht mehr, oder noch nicht, erwachsen werden.“ Ein Zitat, das „unsere Generation“ charakterisieren soll. Es ist einem Text entnommen aus der aktuellen DB-Mobil, einer Zeitschrift, die immer in den Schnellzügen dieses Landes ausliegt.
Pünktlich zum Start in die Sommerferien werden wieder einmal Vorschläge und Anregungen gegeben, wie man diesen Sommer den Urlaub verbringen könnte. Dieses Mal: Sommercamps für Erwachsene.
Kind spielen als Erwachsener
Das Konzept ist einfach: Erwachsene können noch einmal Kind sein bzw. spielen. Dafür werden solche Camps ausgerichtet, die sich an klassischen Ferienlagern für Kinder orientieren, die vermutlich der eine oder andere kennt. Ein bis zwei Wochen in Zelten schlafen, garniert mit einem Angebot, vollgestopft mit diversen Aktivitäten. Kanu fahren, Bogen schießen, Nachtwanderung oder (für die ganz Mutigen) ein Nixen-Workshop, in dem man sich wie eine solche verkleidet (also mit Fischschwanz), um anschließend in einem See oder ähnlichem nixentypische Choreographien einzustudieren.
Soweit, so durchgeknallt. Dass Erwachsene auf Lager gehen ist heutzutage ohnehin nicht mehr verwunderlich. Für jeden ist etwas dabei: Ob Survivalcamp für den Naturburschen, in dem man lernt einen Hasen zu häuten und auszunehmen, mit Feuerstein und Stahl Feuer zu machen oder Maden und anderes Getier zu essen. Oder das Selbstverteidigungscamp, in dem man in der hohen Kunst des Dreinschlagens und Niederknüppelns unterwiesen wird. So unpopulär auch Lager für Kinder geworden sind, Erwachsene scheinen es zu lieben.
Problem mit dem Alter
Warum dann auch nicht ein Sommercamp für Junggebliebene? Der Unterschied zu oben genannten Freizeitangeboten für Erwachsene, richten sich jene Sommercamps dezidiert an Erwachsene, die ein Problem mit ihrem Alter haben. Vor allem von jungen Erwachsenen zwischen 20 und Mitte 30 besucht, kann man hier die Ziel- und Planlosigkeit förmlich in der Luft schmecken.
Sie stehen dabei symptomatisch für das Lebensgefühl einer ganzen Generation. Ließ sich das Ziel für das eigene Leben bei den meisten jungen Erwachsenen früherer Generationen auf die Nenner „Sicherer Job-Familie-Eigenheim“ runterbrechen, so gilt das nicht mehr für die Kids der 90er und folgender Jahre.
Infantilismus aber keine eigenen Kinder
Dieses gewollte Nicht-Wissen um die eigene Zukunft begegnet auch abseits solcher skurrilen Veranstaltungen. So war ich neulich auf einer Hochzeit eingeladen. Das Brautpaar um die Dreißig hatte für die After-Party den Freundeskreis eingeladen. Die meisten waren in einer Beziehung, manche sogar schon verheiratet. Jedoch waren auf dieser Feier mit rund 60 Leuten sage und schreibe zwei Kinder. Eines davon jedoch von der Tante des Bräutigams. Also ein Kind auf über 60 Leute, die alle in einem Alter waren, in dem die Familienplanung eigentlich schon in vollem Gange sein sollte.
Alle hatten einen Beruf, waren schon seit Jahren nicht mehr in Ausbildungsverhältnissen (die meisten haben nicht studiert und nach der mittleren Reife eine Ausbildung gemacht), hatten Auto, Wohnung und Partner. Jedoch keine längerfristigen Ziele als die Planung des nächsten Urlaubs, der nächsten Party. Auf die Frage, ob nicht mal an Kinder gedacht wird, die Antwort: Schon, später, irgendwann mal. Irgendwann mal ist das biologische Zeitfenster dafür geschlossen.
Diese Beobachtung meinerseits ist mitnichten ein Einzelfall. Aktuelle Studien zu diesem Thema bestätigen es. Wie beispielsweise eine Prognos-Studie von 2014, die die aktuelle familienpolitische Lage in Deutschland untersucht. Hier wurde unter anderem festgestellt, dass Deutschlands Kindermangel vor allem auf die hohe Anzahl der Kinderlosen zurückzuführen sei. Diese Erkenntnis ist jedoch nicht neu. So stellte ein Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits 2003 fest, dass „die unterdurchschnittliche Kinderzahl in Deutschland (…) in erster Linie mit dem hohen Anteil kinderloser Frauen begründet“ sei. „Haben deutsche Frauen bereits ein Kind, sinken offenbar die Hindernisse bei der Entscheidung zu Gunsten eines zweiten.“
Der Individualismus kennt keine gemeinschaftliche Zukunft
Jahrzehnte der immerwährenden Propagierung der Heilsbotschaft „Liberalismus“ scheint Früchte zu tragen. Jahr aus, Jahr ein wurde immer wieder betont, Individualismus sei das Recht des Einzelnen und die Gemeinschaft hätte das uneingeschränkt zu fördern und zu unterstützen. Im Gegenzug wollte man jedoch nichts mehr davon wissen, dass dies nicht eine Einbahnstraße ist. Die Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft ist von einem Geben und Nehmen geprägt oder sollte sie zumindest, wenn sie auf Dauer funktionieren will.
Beispiel: Wenn ich will, dass die Autobahnen instand gehalten werden, muss ich meinen Teil dazu beitragen, indem ich Steuern zahle, mit deren Hilfe dann Schlaglöcher ausgefüllt werden. Wenn ich mich jedoch weigere Steuern zu zahlen, mich gleichzeitig aber darüber aufrege, dass der Zustand der Autobahnen immer schlechter wird, wird mein Protest von einem Außenstehenden nur mit Kopfschütteln bewertet werden können. Gleiches gilt für die Zukunft dieses Landes.
Aber wie schon vor rund 2.000 Jahren, gilt auch heute der Satz „an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ nach wie vor. Und die Früchte sind ganz eindeutig. Für diese Verweigerung einer ganzen Generation erwachsen zu werden, beziehungsweise kindisch zu bleiben, wird dieses Land bezahlen müssen. Mit dem wirtschaftlichen, kulturellen und zivilisatorischen Niedergang!
(Bild: Pixabay)