Anstoß

Ein Maulkorb für Lebensschützer und ein Schlag für die Demokratie

Die Versammlungsfreiheit gilt in Deutschland als Grundrecht. Und Grundrechte gehören eigentlich unter allen Umständen geschützt. Wenn man jedoch das Vorgehen Peter Beuths, seines Zeichens hessischer Innenminister und Inhaber eines christ-demokratischen Parteibuchs anschaut, scheint es damit nicht so weit her zu sein.

In einem Erlass gab der Innenminister nun bekannt, dass sich „singende, betende oder Schockfotos tragende Demonstranten“ zukünftig in seinem Bundesland weder in Sicht- oder Rufweite einer Beratungsstelle von Pro Familia oder einer Abtreibungspraxis aufhalten dürften. Schließlich sei die Einflussnahme auf schwangere Frauen, welche auf die Erzeugung von Schuldgefühlen abziele „weder dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes noch dem Selbstbestimmungsrecht der Frau“ förderlich.

Schuldgefühle können nur dort erzeugt werden, wo zumindest schon ein grundsätzliches Bewusstsein dafür vorhanden ist, gerade etwas Unrechtes zu tun. Und das Leben eines kleinen unschuldigen Kindes zu beenden ist definitiv ein Unrecht. Was denken sich Peter Beuth und Konsorten eigentlich, warum die Thematik Abtreibung ein so großes Tabuthema in unserer Gesellschaft ist? Warum redet man wohl nicht gerne darüber?

Die größte Leiche im bundesdeutschen Keller

Sicher nicht, weil Lebensschützer vor Abtreibungskliniken das Recht auf Leben verteidigen. Man redet eben nicht gerne über die Leichen im eigenen Keller. Und der Umstand, dass in Deutschland nach wie vor über 100.000 Kinder jedes Jahr die Möglichkeit genommen wird, ihr Leben selbstbestimmt zu leben, ist wohl die größte Leiche im bundesdeutschen Keller.

Hinzu kommt, hier wird eine Organisation von der Politik hofiert, die offensichtlich von der Würde des Menschen nicht ganz so viel hält. So ist Pro Familia nicht nur das bundesweit größte Netzwerk an Schwangerschaftsberatungsstellen, sondern ist auch Gründungsmitglied von Planned Parenthood, einer Organisation, die sich aktiv für die Tötung ungeborenen Lebens einsetzt und unter anderem mit Körperteilen abgetriebener Kinder, wie Armen, Beinen oder Organen handelt und diese an Forschungsinstitute verkauft. Ebenso betreibt Planned Parenthood allein in den USA mehr als 650 Abtreibungskliniken.

Auch kann den offiziellen Stellen nicht entgangen sein, dass Pro Familia gegen die staatliche Vorgabe, eine Schwangerschaftsberatung müsse ergebnisoffen sein, verstößt. Zumindest können daran ernste Zweifel angemeldet werden. Denn auch Pro Familie betreibt Abtreibungskliniken, beispielsweise in den hessischen Städten Gießen, Rüsselsheim und Kassel. Zwar sind diese organisatorisch von den Beratungsstellen getrennt, was jedoch kein Argument ist. Denn der Organisation an sich würde durch einen Rückgang der Abtreibungszahlen ein ordentliches Geschäft entgehen.

Wie also passt das mit dem Verhalten des hessischen Innenministers zusammen? Immerhin ist er in seiner Position nach einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich eines Urteils vom 27. Juli 1993 dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, „daß dem ungeborenen menschlichen Leben von Beginn der Schwangerschaft an Kraft der Menschenwürde ein Recht auf Leben zukomme und es als selbstständiges Rechtsgut – auch gegenüber seiner Mutter – geschützt sei.“

Und auch die Grünen wären dazu verpflichtet. Immerhin sind sie in Hessen in der Regierungsverantwortung. Ganz davon abgesehen, dass durch diesen „Maulkorb-Erlass“ des Innenministers ein demokratisches Grundrecht mittels fadenscheiniger Begründung beschnitten wird.

Bunter Protest muss möglich sein?

Dabei sind doch vor allem die Grünen immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, die Fahne der Versammlungsfreiheit hochzuhalten – freilich nur, wenn es um linken Protest geht. So twitterte beispielsweise die Grüne Jugend am 4. Juli 2017 anlässlich der teils gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des G20-Gipfels in Hamburg und Polizeibeamten: „Senat und Polizei müssen Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit schützen! Friedlicher und bunter Protest muss möglich sein.“

Nun, gut zwei Jahre danach liegt den Grünen die Versammlungsfreiheit, die nach Artikel 8 des Grundgesetzes jedem Deutschen zugesichert wird, nicht mehr ganz so am Herzen. Verständlich; immerhin geht es hier auch nicht um grundsätzlich pazifistische Gruppierungen, wie die Antifa, die es zu verteidigen gelte. Aber dass die Grünen keinen Hehl daraus machen, politisch mit zweierlei Maß zu messen und ganz nach ideologischem Gusto in einem Moment Grundrechte für die einen einfordern, um sie im nächsten Moment anderen wieder abzusprechen, ist hinlänglich bekannt.

Bekenntnis zu christlichen Werten bei der CDU nicht mehr beliebt

Was darüber hinaus ebenso wenig verwundert, ist das Verhalten der hessischen Christdemokraten. Wo ist denn das Bekenntnis zu christlichen Werten, wie die Unantastbarkeit menschlichen Lebens? Aber was will man anderes erwarten. Dieses Land wird schließlich schon seit 2014 de facto von einer schwarz-grünen Koalition regiert. Dass dies nur geht, wenn davor alle aber auch nur ansatzweise christlich-konservativen Werte und Anschauungen nachhaltig aus der Partei getilgt wurden, ist klar.

Noch vor einigen Monaten brachte die Linke in den hessischen Landtag einen Gesetzentwurf ein, der in einem Umkreis von 150 Metern Schutzzonen um Beratungsstellen und Abtreibungspraxen forderte. Dieser wurde nicht zuletzt wegen rechtlicher Bedenken einiger CDU-Politiker abgelehnt. Nun eben über die Exekutive.

So wird der bundesdeutschen Demokratie nicht nur insofern Schaden zugefügt, indem ein Grundrecht für bestimmte Gruppen eingeschränkt wird. Nein, es wird auch noch das Parlament übergangen. Dass das den Verantwortlichen egal zu sein scheint, wirft die Frage auf, was für ein grundsätzliches Demokratieverständnis deutsche Politiker überhaupt noch haben.

(Bild: Pixabay)

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