Anstoß

Erinnerung statt Politisierung

Immer wieder haben mir alte Dresdner davon berichtet, wie früher alljährlich die Erinnerung an den 13. Februar ablief.

Man ging zur Frauenkirche, stellte Kerzen auf und gedachte im Stillen. Dresden hatte früher eine intakte Erinnerungskultur, die von den Bürgern gelebt wurde. Wie der Einzelne die historischen Geschehnisse beurteilte, spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Zunächst sollte es um das unendliche Leid gehen, um die Opfer, die tragischen Einzelschicksale und die Zerstörung einer der schönsten Städte Deutschlands, die nach 1945 zum Glück wieder mit einer unglaublichen Energieleistung aufgebaut werden konnte.

Keine geschichtspolitische Verharmlosung

Seit über zehn Jahren wird dieses würdige Gedenken leider in Nischen verdrängt. Öffentlich wahrnehmbar ist dagegen vor allem das Geschrei der Rechten, Linken, Politiker und Künstler, die meinen, pünktlich zum 13. Februar irgendeine Botschaft verkünden zu müssen. 2010 gab der konservative Historiker Stefan Scheil im BN-Gespräch zu bedenken: „Ob es sinnvoll ist, den Begriff Verbrechen in den Vordergrund zu rücken, ist zu bezweifeln. Einen würdigen 13. Februar kann es aber in Dresden wie auch sonst beim Gedenken für die Toten des Weltkriegs nur geben, wenn dies nicht mit geschichtspolitischer Verharmlosung des Geschehens verbunden ist.“

Dies sind kluge Sätze: Wer lautsprecherisch vom „Bombenholocaust“ faselt oder immer nur seine Interpretation und Wertung des Krieges wiederholen will, beschädigt damit das Gedenken. Zugleich gehört es zur Aufgabe der Öffentlichkeit, bei den historischen Fakten nicht herumzudrucksen: In Dresden kamen im Februar 1945 deutlich mehr Menschen ums Leben als die offiziell verkündeten 25.000 Opfer. Die Angriffe der Alliierten, von denen Vernichtungsaussagen bekannt sind, waren zudem nicht „alternativlos“.

Welche Schuld an Hitler trifft den einfachen Dresdner von damals?

Scheil erklärt dazu: „Der Bombenkrieg war für die Westalliierten ein geeignetes Mittel zur Kriegsführung und Tötung, weil er vergleichsweise wenig eigene Opfer forderte. Er war aber kein alternativloses Mittel, sondern erkaufte sich seine Effizienz bewußt durch Schonung eigener Soldaten auf Kosten fremder Zivilisten. Die moralische Verantwortung für diese Entscheidung kann den Tätern niemand abnehmen, schon gar nicht die Opfer von Dresden. Daran sollte ein würdiger 13. Februar erinnern.“

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ist jedoch bereits eine solche sachliche Erörterung der historischen Fakten zu viel. Er warnte im Vorfeld des diesjährigen Gedenkens davor, „Dresden im Opfermythos dastehen zu lassen“. Denn: „Dresden war alles andere als eine unschuldige Stadt.“ In ihrer logischen Endkonsequenz läuft diese Argumentation darauf hinaus, die Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung als gerechtfertigt zu legitimieren, weil die Deutschen als Kollektiv die Täter gewesen seien.

Hilbert tut so, als hätten alle Deutschen bei der Judenvergasung jubelnd zugesehen

Das stimmt aber einfach nicht. Hilbert erweckt den Eindruck, als hätten alle Deutschen 1933 Hitler gewählt, als seien sie alle gemeinsam 1939 in den Zweiten Weltkrieg gezogen und als hätten alle deutschen Staatsbürger jubelnd dabei zugesehen, wie die Juden vergast wurden. Dresdens Oberbürgermeister vergißt dabei komplett, daß es völlig unbekannt und nicht zu ermitteln ist, welche Kriegsopfer vom 13. Februar 1945 Nationalsozialisten waren und welche nicht.

Natürlich gab es in Dresden „Täter“, wie in jeder anderen Stadt auch. Ihre Vergehen und Verbrechen wurden bis heute schonungslos aufgearbeitet. Kein Volk der Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten so intensiv mit der eigenen Schuld beschäftigt wie die Deutschen. Die Täter zu benennen, darf allerdings nicht dazu führen, die Opfer zu vergessen und das Märchen zu erzählen, die Alliierten hätten die Deutschen „befreit“. Dies war keine Befreiung, wozu man sich eben nur das Dresdner Stadtbild nach der Bombardierung und die Einzelschicksale ansehen muß.

Der 13. Februar gehört den Opfern des Bombenhagels!

Ebenso abstrus wie dieser Schuldkult ist es nun, die Erinnerung an den 13. Februar durch einen politisierenden Gegenwartsbezug verdrängen zu wollen. Genau das geschieht seit einigen Jahren mit Hilfe der Menschenkette, die ein Zeichen „gegen rechts“ setzen soll. Mit den aufgestellten Bussen vor der Frauenkirche als Hinweis auf den Krieg in Syrien hat diese Strategie dieses Jahr den Höhepunkt an Albernheit erreicht.

So berechtigt es ist, um die Toten in Syrien zu trauern und an die von Deutschen verübten Verbrechen zwischen 1933 und 1945 zu erinnern, so unwürdig ist es zugleich, all dies am 13. Februar in Dresden tun zu wollen. An diesem Tag sollten wir an die Opfer des Bombenhagels denken – und zwar ausschließlich an sie!

(Bild: Bundesarchiv, Bild 183-60015-0002 / Giso Löwe / CC-BY-SA 3.0)

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