Gesichtet

Fremde Fische und der Niedergang des Angelns

Der Angelspaß hat ein Ende. Zumindest im Südwesten. Die Globalisierung wirkt auf die Natur ein, das Ökosystem gerät aus den Fugen. Ein Artikel von Fabian Müller.

Die Grundel ist in Europa angekommen. Weitgehend abseits der Öffentlichkeit hat sich ein invasiver Fisch, der aus dem Schwarzen Meer stammt, über den Main-Donau-Kanal in deutsche und mitteleuropäische Gewässer ausgebreitet. Die geläufigste Theorie ist die Reise als blinder Passagier im Ballastwasser der großen Binnenschiffe. Man geht davon aus, dass es sich bei der Schwarzmundgrundel um das weltweit „erfolgreichste“ Neozoon der Gegenwart handelt.

Globalisierter Angelspaß

Was hat das mit Politik zu tun? „Europa wächst zusammen“, ist der altbekannte Slogan der Integrations– und Globalisierungsbefürworter. An die vielschichtigen Konsequenzen haben die wenigsten gedacht. So haben die heimischen Fische, ebenso wie ihre zweibeinigen Jäger, auch mit Zuwanderung zu kämpfen. Doch hier ist niemand zimperlich. Kein Angler, Biologe, Pächter oder Vereinswart käme jemals auf die Idee zu behaupten, dass das gut, normal oder wünschenswert wäre. Jeder hasst Grundeln. Als leidenschaftlicher Angler muss man sich irgendwann eingestehen: Angeln macht keinen Sinn mehr. Das Ausmaß der Katastrophe spottet jeglicher Beschreibung und sollte am eigenen Leib erfahren werden. Man fängt keinerlei Fische mehr, außer den zugewanderten Grundeln. Keinen einzigen.

Vor Jahren konnte man selbst den schlechtesten Angeltag in Rhein, Main und Mosel mit einigen schönen Rotaugen beenden. Mittlerweile fängt man an einem Tag 20 bis 30 Grundeln aufwärts. Die Fische sind zu klein zum Verwerten, sollen scheußlich schmecken und sehen ebenso aus. Manche Stimmen behaupten sogar, dass sie vorzugsweise als Wirt für parasitäre Erkrankungen dienen. So fängt man im Minutentakt die großköpfigen, hässlichen Einwanderer und wird immer frustrierter. Jegliche Variationen in der Angeltechnik sind frei von Erfolgen. Einzig das aktive Angeln auf Raubfische und das fischen weit über dem Grund verspricht keine unerwünschte Grundeln. Denn die Schwarzmundgrundeln sind langsame Bodenbewohner ohne Schwimmblase, können deshalb nicht das Freiwasser aufsuchen, verharren passiv auf dem steinigen Flussbett.

Fremder Allesfresser: Aussitzen oder Bekämpfen?

Das ist aber auch schon der einzige Nachteil der eingeschleppten Art. Die erfolgreichen R-Strategen fressen alles, was nicht niet– und nagelfest ist, was man auch am eigenen Leib erfährt. Wechsel der Köder machen keinen Unterschied. Es ist egal, was man anbietet. Maden, Würmer, Mais oder Brot: Sie fressen alles. Zumindest als Köderfisch für einen kapitalen Räuber könnte man sie doch verwenden? Denkste! So kommt es vor, dass man eine Grundel mit einer Grundel fängt. Die Angler wissen nicht weiter, sogar Behörden und Wissenschaftler schmeißen das Handtuch. Die Öko-Hardliner behauptet felsenfest, dass die Natur die zugewanderte Population wieder eindämmen wird und schließlich zu einem normalen Spartendasein verdammen mag. Nach vier bis fünf Jahren professionellen Grundel-Angelns bezweifle ich das.

Die andere „Schule“ der aktiven Eindämmung ist allerdings von Misserfolgen gekrönt. Dort entstehen Überlegungen, wie das Einsetzen verschiedener Raubfische als natürliche Fressfeinde, die logischerweise, die ihnen bekannten, einheimischen Beutefische bevorzugen und damit wiederum den Grundeln helfen. Auch das aktive Abfischen der Grundeln mit waidgerechter Tötung, anfänglich empfohlen, bringt keinen Erfolg. Die Reproduktionsrate der Fische ist derart hoch, dass der von der entnommenen Grundel freigewordene Platz sofort von einer jüngeren besetzt wird. So zählt man im Sommer in der warmen Uferregion dutzende Fische auf einem Quadratmeter Flussboden.

Resignation und Ausweichstrategie

Die Angler haben keine Lobby, das Problem ist deshalb weitestgehend unbekannt und noch ohne Lösung. Biologen und Gewässerforscher sind ebenfalls ratlos. Wie reagiert der Angler auf diese Plage? Richtig, er resigniert nach einigen erfolglosen Angelausflügen und bringt dementsprechend kein Geld in die Kassen der Angelvereine und Fischereibehörden. Es gibt immer weniger Mitglieder, Interessenten, Neueinsteiger. Die Gewässerpflege verwahrlost. Fischhege, also das geplante Abfischen und Einsetzen von diversen heimischen Arten, ist an Sinnlosigkeit nicht mehr zu überbieten.

Doch die populärste Methode der Fischer, das Problem zu umgehen, ist eine andere. Sie ziehen sich von den Flüssen zurück und zahlen Eintritt für die zahlreichen, privatisierten Forellenweiher und Fischseen. Dort existiert eine gute Fischdichte, die verschiedenen einheimischen Arten leben nebeneinander her und der Angler kommt auf seine Kosten. Wortwörtlich, denn Tageskarten sind meist überteuert. Auch ist der Spaß ein künstlicher, denn im Hinterkopf weiß man ganz genau, dass hier nur ein Abbild der Realität und der Natur geschaffen wurde, das Sonntagsangler beglücken soll. Doch was bleibt anderes übrig? Man tauscht die mittlerweile verhasste Realität für einen grünen Mikrokosmos, in dem alles funktioniert wie früher.

Fremde Signalkrebse in Schweden

Die Grundel ist keineswegs alleine nach Europa gekommen. Es gibt einen weiteren unliebsamen Neubürger. Auch die Signalkrebse, in den 1960er Jahren bewusst in Schweden (!) eingeführt um die schwächelnde Flusskrebspopulation zu ergänzen, breiten sich seit einigen Jahrzehnten in ganz Europa aus. Die deutschen Steinkrebse sowie die europäischen Flusskrebsarten sind vom Aussterben bedroht. So wird das heimische Ökosystem mittlerweile von vielen Seiten angegriffen und wankt bedenklich. Nicht nur die reine Vermehrung der fremden Art ist bedrohlich, sondern auch die Übertragung von Krankheiten, die die einheimischen Edelkrebse weiter dezimieren. Der zugewanderte Flusskrebs ist rezenter Träger der sogenannten Krebspest und genetisch dagegen immun.

Zum Abschluss ein kleiner Lichtblick. In der Itz, einem Fluss in Franken, gibt es erste Erfolgsmeldungen. Das intensive und gezielte Befischen und Entfernen der Signalkrebse durch die vereinten Kräfte der ansässigen Angelvereine trägt nun zarte Früchte. Dennoch müssen die ansässigen Fischer weiter regelmäßig gegen die Signalkrebse vorgehen. Ob das Problem irgendwann komplett beseitig werden kann, und ob diese Strategie auch gegen die Grundel funktionieren könnte, ist ungewiss.

Alle Ähnlichkeiten zur gesamtgesellschaftlichen Realität Deutschlands sind rein zufällig und vom Autor in keiner Weise beabsichtigt.

(Bild: gemeinfrei)

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