Gesichtet

Immer weniger Abtreibungsärzte in Deutschland

„Wir haben abgetrieben“. So verkündete es die Titelseite des Sterns im Jahre 1971, der eine von Alice Schwarzer initiierte Aktion abdruckte, in der 374 Frauen diesen Satz das erste Mal öffentlich bekannten.

Nun, knapp ein halbes Jahrhundert später, ist das nichts Weltbewegendes mehr. Dennoch entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass gerade Zeiten, in denen das grundsätzliche Bekenntnis zur Abtreibung zum guten Ton der offiziellen und offiziösen Schicht der Gesellschaft gehört, diese Selbstverständlichkeit zunehmend an realen Gegebenheiten scheitert.

40 Prozent weniger Abtreibungsärzte

Unlängst veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben nämlich zu Tage gefördert, dass die Zahl der Ärzte, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche anbieten in den letzten Jahren rapide gesunken sei. Tatsächlich hat die Anzahl der Ärzte seit 2003 um rund 40 Prozent abgenommen; von immerhin 2.000 Stellen auf 1.200. Mit anderen Worten: Immer weniger Ärzte erklären sich dazu bereit, weiterhin Kinder ihr Recht auf Leben vorzuenthalten.

Das hat dazu geführt, dass Frauen in Deutschland teilweise über 200 Kilometer fahren müssen, um zu einem Arzt zu gelangen, der den Abbruch der Schwangerschaft an ihnen durchführt. – Ganz davon abgesehen, dass eine Schwangerschaft nicht wie eine Grippe ist, die man sich unverschuldet zuzieht. In den allermeisten Fällen waren sich die Frauen des Risikos, schwanger zu werden, bewusst, sollten es zumindest gewesen sein.

Lebensschützer an allem schuld

Natürlich bleiben solche Zustände nicht lange unkommentiert. So klagt Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer: „Wir haben großes Verständnis für jeden Arzt, der unter den derzeit herrschenden Bedingungen keine Schwangerschaftsabbrüche vornehmen möchte. (…) Wir würden sehr begrüßen, wenn die Politik sicherstellt, dass Ärztinnen und Ärzte betroffene Frauen nach medizinischen Standards versorgen können, ohne von so genannten ‚Lebensschützern‘ diffamiert und in der Ausübung ihres Berufes zum Teil massiv gestört zu werden.“

Auf wessen Seite die Schuld zu suchen sei, scheint nur allzu klar. Lebensschützer, die Gehsteigberatung und Mahnwachen vor entsprechenden Kliniken durchführen, sind also schuld, dass immer weniger Ärzte abtreiben wollen? Mit Sicherheit gibt es auch den einen oder anderen Pro-Life-Aktivisten, der über das Ziel hinausschießt und auch mal einen Drohbrief an diverse Ätzte verschickt oder sich gar der Schachbeschädigung schuldig gemacht hat – keine Frage.

Aber deshalb gleich von einer Hetzjagd auf Abtreibungsärzte zu sprechen, kann wohl getrost als Übertreibung abgetan werden. Meist sind Proteste dieser Art durchgehend friedlich. Aggression ist hier nur bei sogenannten Gegenprotestanten zu finden, die Obszönitäten und Schmähungen brüllend auf der anderen Straßenseite stehen. Dann ist es nur der Polizei zu verdanken, dass es nicht zu Handgreiflichkeiten kommt.

„Katastrophe“ drohe, wenn nicht mehr abgetrieben werden könne

Außerdem sei an dieser Stelle kurz an den Vorfall in Köln 2013 erinnert, wo sich eine katholische Klinik weigerte, eine Untersuchung mit daraus resultierendem Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, weil es der dort vertretenen Ethik widersprach. Daraufhin folgte tagelanges mediales Sperrfeuer. Es wurde sich empört über diese grauenvollen Ansichten, die jeder schwangeren verzweifelten Frau ins Gesicht schlüge.

Auch die Geschäftsführerin von „pro Familie“-Bremen hat sich in die aktuelle Diskussion eingeschaltet. „Die Länder sind für ein ausreichendes Angebot zuständig, die müssen jetzt handeln und irgendwas tun. Das endet sonst in einer Katastrophe.“ Die Länder müssen also für ein ausreichendes Angebot sorgen. Wo steht denn das geschrieben? Ist nicht jeder Arzt ausschließlich seinem Gewissen unterworfen, wenn es darum geht, für seine Patienten zu sorgen?

Ergo darf ein Arzt auch nicht dazu gezwungen werden, eine Abtreibung durchzuführen, wenn er, aus welchen Gründen auch immer dies nicht mehr will. Immerhin steht auch im Eid des Hippokrates von Kos – der immerhin als erster Amtseid der Ärzteschaft gilt – ein ausdrückliches Verbot für den Arzt, eine Abtreibung durchzuführen: „Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben.“ Es bedarf also nicht zwangsläufig einem christlichen Weltbild, um im Vorgang des Schwangerschaftsabbruchs etwas zutiefst Verkehrtes zu sehen.

Ärzte sehen den barbarischen Akt weiterhin

Und überhaupt, wie einseitig ist denn auch hier mal wieder die Sichtweise, mit der dieses Thema betrachtet wird? Bei dieser Problematik geht es eben nicht nur um die Frau, die abtreiben will. Wer fragt denn nach dem Arzt, der damit leben muss, hunderte, wenn nicht gar tausende Menschenleben beendet zu haben? Niemand. Kann es nicht sein, dass ein Arzt irgendwann einmal zu dem Punkt kommt, an dem er das einfach nicht mehr machen kann?

Klar, mit den Methoden der „Engelmacherinnen“ früherer Zeiten hat das heutige Vorgehen äußerlich nichts mehr gemein. Dem Küchentisch in einer dreckigen Küche ist ein steriler Raum gewichen. Die groben Werkzeuge sind kleiner und feiner geworden. Die Frauensterblichkeit ist drastisch gesunken, ebenso die Schmerzen, die eine Frau während des Eingriffs zu erleiden hatte.

Aber dennoch ist es im Kern das gleiche geblieben, wenn nicht sogar barbarischer. Schließlich sieht der Arzt mithilfe des Ultraschallgeräts seinem Akt der Vernichtung menschlichen Lebens zu. Er kann genau verfolgen, was er da im Bauch der Schwangeren anrichtet. Anschließend werden die abgesaugten Einzelteile des Embryos meist von einer Assistentin wieder zusammengesetzt, um zu überprüfen, ob auch alles entnommen wurde. Man will ja schließlich nicht den Tod der Patientin in Kauf nehmen aufgrund einer Vergiftung mit Leichengift.

(Bild: Pixabay)

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