Jede verbale Entgleisung aus dem rechten Lager wird umgehend von einem medialen Sperrfeuer begleitet. Nicht so aber, wenn gleiches von linker Seite geschieht. So auf dem kürzlich abgehaltenen Bundeskongress der JuSos.
Hier wurde mit großer Mehrheit dafür gestimmt, die Paragraphen 218 und 219 des Strafgesetzbuches zu streichen. Diese Paragraphen regeln das Abtreibungsrecht in Deutschland. So ist es hierzulande nur mit medizinischer oder kriminologischer Indikation legal, Abtreibungen durchzuführen. Für alle anderen Fälle gilt grundsätzlich eine etwas sonderbare Regelung.
Umständliche Regelungen zur Abtreibung
Formaljuristisch sind Abtreibungen, welche die eben genannten Kriterien nicht erfüllen, illegal, werden jedoch nicht strafrechtlich verfolgt. Die Konsequenz ist unter anderem, dass sich der Staat an diesen Schwangerschaftsabbrüchen nicht beteiligen darf. So werden diese beispielsweise nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Auch gilt hier die Beratungsregelung. So darf eine Frau in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft diese durch einen medizinischen Eingriff beenden. Davor muss sie ein Beratungsgespräch geführt haben, welches ausreichend sei, „um eine Frau, die den Schwangerschaftsabbruch erwäge, für das Austragen des Kindes zu gewinnen“ (PM, BVerG vom 28.5.1993).
Pflicht zum Beratungsgespräch abschaffen
Ganz davon abgesehen, dass die meisten Beratungsstellen diese Einstellung nicht haben, war damit vom Gesetzgeber bezweckt, die Frauen dazu zu bewegen im Konfliktfall ihr Kind dennoch behalten zu wollen, statt sie einfach dazu zu zwingen, indem man Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Und obwohl diese Strategie offensichtlich nicht aufgegangen ist – man bedenke die über 100.000 Abtreibungen, die in Deutschland jährlich durchgeführt werden und zu fast 100 Prozent nicht aus kriminologischer oder medizinischer Indikation – fordern auch hier die Jusos, die Pflicht zum Beratungsgespräch abzuschaffen.
Damit wäre dem Schwangerschaftsabbruch auch juristisch ein ganz neues Aussehen verliehen. Von einer prinzipiell das Leben bejahenden Auffassung zu einer, die klar definiert, welches Leben lebenswert und welches unwert zu sein scheint. Ein Redebeitrag auf dem Kongress zu diesem Thema sticht dabei besonders hervor. Nicht weil er besonders gut oder besonders fundiert, sondern besonders widerlich war. Er schloss sich an zwei Redebeiträge an, die sich gegen die komplette Streichung der besagten Paragraphen richteten. Das ist zwar ziemlich ungewohnt für die Jusos, aber es geschehen auch dort eben noch Zeichen und Wunder.
Feministisch bedeutet: Die Frau zuerst
Aber wie gesagt, Bühne frei für eine gewisse Sabrina. Und sogleich brach ein Ungewitter vom Rednerpult über die Anwesenden herein. In Richtung der beiden Vorrednerinnen schleuderte die Wortgewaltige: „Im Grunde genommen, sexuelle Selbstbestimmung, aber… nein, eben nicht! Nix aber!“ Hier verweist sie auf das hinter ihr angebrachte Juso-Banner. „Da steht feministisch. Das müsst ihr auch ernst meinen.“
Man hat es ja schon geahnt, als sie die Bühne betrat. Von tonnenförmiger Gestalt, auf einem schwarzen T-Shirt unter einer dunklen Kapuzenjacke prangte weithin sichtbar in weißer Farbe das Wort „Feminism“ in Großbuchstaben. Die Botschaft ist angekommen. Die folgenden Sätze zeigen das volle Ausmaß an Menschenverachtung, wie man sie nur selten hört.
„Es wurde gerade gesagt, wir müssten für etwas einstehen. Ja, für die Lebenden, für die Frauen, nicht für irgendwelche Ungeborenen.“ Ob sie wohl weiß, was sie da von sich gegeben hat? „Für irgendwelche Ungeborenen.“ Ich frage mich, ob auch ich Applaus bekommen würde, wenn ich mich hinter ein Mikrophon stellen und dafür plädieren würde, man solle doch bitte nur gesunden Kindern etwas zu essen geben und nicht irgendwelchen behinderten Kindern. Man würde mich – und zwar zu Recht – hoffentlich wegen Volksverhetzung für immer wegsperren.
Hier aber keine Reaktion. Ach doch. Tosender Applaus.
„Ja, im Ernst. Entschuldigung, aber es ist ja schon juristisch vorhin erklärt worden. Die haben einfach vorher kein Recht und die Grundrechte, das Menschenrecht gilt zuerst mal für die Frau und dann für alles andere.“ Gerade, wenn man denkt, es kann nicht schlimmer kommen. Dagegen die nicht unerhebliche Meinung des Bundesverfassungsgerichtes: Demnach habe der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen, „daß dem ungeborenen menschlichen Leben von Beginn der Schwangerschaft an Kraft der Menschenwürde ein Recht auf Leben zukomme und es als selbstständiges Rechtsgut – auch gegenüber seiner Mutter – geschützt sei“ (PM, BVerG vom 28.5.1993).
Die Frage der Menschenwürde
„Die“ haben sehr wohl Rechte. „Die“ haben auch Anspruch auf die Menschenwürde, weil „die“ auch Menschen sind! Da kommen unweigerlich Assoziationen wie „Es wäre besser“ und „Mühlstein“ in den Sinn. „Ja, und das interessante ist; das interessante daran ist, ich treff die Entscheidung für mich und du triffst die für dich. Aber ich sage dir nicht, was du zu tun hast, und das ist der Knackpunkt: Ich kann nicht über andere Frauen entscheiden.“
Falsch! Wenn Sabrina schwanger ist und sich gegen ihr Kind entscheidet, so entscheidet sie nicht nur für sich, sondern auch für das Kind. Denn das Kind wird hier nicht gefragt, ob es leben will oder nicht. Nur Sabrina entscheidet. Und wenn sie kein Kind will, dann hat das Kind nichts zu melden. Wieso fragt Sabrina – die offensichtlich viel von Selbstbestimmung hält – nicht einmal das Kind, was es denn dazu meint. Leider Gottes ist es aber so, dass die Mutter für ihr Kind mitentscheiden muss.
Wenn die Sabrina sich aber schon für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, so sollte sie wenigstens so ehrlich sein, zuzugeben, dass sie damit in das Recht auf Leben ihres Kindes massiv eingreift. Denn ebenso wenig, wie man eine Frau letztlich dazu zwingen kann, das Kind auszutragen, darf man nicht den Fehler machen zu behaupten, aufgrund der natürlichen Zwangslage, in der sich eine schwangere Frau befindet, stehe es der Frau frei, das Leben ihres Kindes nach eigenem Ermessen zu beenden. Denn dazu hat niemand das Recht. Kein Arzt, kein Ehemann oder Freund, keine Familie und auch nicht die Frau. Das sollte sich Sabrina einfach mal merken.