Gesichtet

Können diese Armeen überhaupt noch kämpfen?

Der Basileus[1] stürmt im Pfeilhagel an der Spitze seiner Elite-Reiterei direkt in die angreifende feindliche Kavallerie. Er schlägt im zähen Ringen den gegnerischen Stoß zurück und geht seinerseits zum Angriff über. Als er mithilfe leichter Infanterie den Fluss überquert und weiter vorstößt, ergreift den gegnerischen Feldherren, den Herrscher, der als Gottkönig über ein Riesenreich gebietet, die Panik.

Der mutige Krieger an der Spitze seiner Reiterei muss sich entscheiden, ob er die Verfolgung aufnimmt, oder seiner in Bedrängnis geratenen schweren Infanterie zu Hilfe eilt. Er entschließt sich für Letzteres und nimmt die erfolglose Verfolgung des feindlichen Befehlshabers erst auf, als die Situation gesichert ist. Alexander der Große, Held dieser Schlacht, scheute kein Risiko und kein Abenteuer. Er war die Verkörperung eines tapferen Kriegerkönigs.

Ein mutiger, tapferer, harter Feldherr

Alexander soll wenig Interesse an Frauen gehabt haben, so berichtet etwa Athenaios darüber, dass die Eltern Alexanders mit ihrem Sprössling und der für ihre Schönheit bekannten Hetäre[2] Kallixeina wiederholt ein Stelldichein arrangierten, die schöne Thessalierin Alexander allerdings völlig kalt gelassen habe. Hephaistion, ein enger Gefährte und hochrangiger Offizier, habe beim Makedonenkönig durchaus große Leidenschaft entfachen und mit seinem Tod Alexander in tiefe Verzweiflung stürzen können. Doch soll der Welteroberer drei Frauen geehelicht und mit der baktrischen Prinzessin Roxane einen Sohn gehabt haben. Ob es sich bei den Ehen und dem Sohn um politische Winkelzüge oder um romantisches Interesse gehandelt hat, so wie es einige antike Autoren behaupten, lässt sich nicht abschließend sagen. Die zweifellos homoerotische Ader Alexanders hatte jedoch keinen abträglichen Einfluss auf den sich über zwei Jahrtausende haltenden Ruhm und das von ihm dargestellte Männlichkeitsbild.

Sicher ist dies zu einem Großteil dem Umstand geschuldet, dass der Makedone in vielerlei Hinsicht dem Ideal des mutigen, tapferen und harten Feldherren entspricht. Ganz im Gegensatz dazu ist mir über die Jahre eine Doppelseite aus einem Ethikbuch zu der Thematik Mut im Gedächtnis geblieben. Auf der einen Seite ist ein als Frau verkleideter, dezent adipöser und geschminkter Mann abgebildet, der in seiner Hand ein Schild mit der Aufschrift: Not every boy dreams of being a marine hält und für die Rechte von Homosexuellen in den USA demonstriert. Auf der anderen Seite ist eine junge Frau abgebildet, sie ist nicht einmal 20 Jahre alt. In ihren Händen hält sie eine erbeutete PPSch 41 Maschinenpistole und blickt ernst mit dreckverkrustetem Gesicht in die Kamera. Sie hat sich dem ungarischen Aufstand gegen die sowjetische Besatzung in Budapest angeschlossen. Es erscheint geradezu paradox, beide zum selben Thema in Beschlag zu nehmen.

Woke Werte in der Armee?

Ein ähnlicher Widerspruch findet sich zwischen zwei von Ted Cruz in einer Twitter-Botschaft gegenübergestellten Werbefilmchen für die US-Armee und die russische Armee.[I] Die amerikanische Armee wirbt in weichen Zeichentrickbildern dafür, für woke Werte einzustehen. Doch was sind diese Werte? Die Soldatin Emma, die eine Flugabwehrraketenbatterie bedient, erzählt davon, dass sie in Kalifornien in offenbar oberen Mittelschichtverhältnissen aufgewachsen sei und den Kampf ihrer lesbischen Mütter gegen Krankheit und um Anerkennung bis zu deren Heirat mitverfolgt habe. Das sei derart prägend für sie gewesen, dass sie sich auf der Suche nach Zielen der Selbstverwirklichung dafür entschieden habe, sich für die Armee einzuschreiben, welche wohl diese Werte verkörpern soll.

Der in dunklen Tönen gehaltene russische Film hingegen zeigt einen jungen sportlichen muskulösen Mann, der mit seinen Freunden Basketball spielt und neben einer jungen Frau im Gras liegt. Anschließend sieht man ihn bei typischem Wehrsport. Dann springt er mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug, geht in Stellung und schießt mit seinem Gewehr auf einen Gegner. Während des Filmes spricht eine harte männliche Stimme auf Russisch davon, dass das neue Leben jetzt beginne und es darum gehe, ein besseres Selbst zu werden.

Beide Darstellungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Es geht den Russen in ihrer mit homoerotischen Untertönen[3] versehenen Darstellung darum, einen ultraharten und extrem männlichen, um Perfektion bemühten Kämpfer zu porträtieren, welcher finster dreinblickend im Schneesturm aus einem Flugzeug springt und einen schwarz maskierten Gegner erschießt, um die zu schützen, die er liebt. Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass bei einem Fallschirmsprung nicht so entspannt aus dem Flugzeug heraus spaziert wird und nach der Landung lässig mit dem langsam zu Boden gleitenden Schirm im Hintergrund weggegangen wird, sondern der Sprung aus dem Flugzeug ziemlich holprig und stürmisch ist, während die Landung selbst unsanft und hart eher dem kontrollierten Absturz eines Zementsacks gleicht.

Verstauchungen, Prellungen und sogar Knochenbrüche sind dabei nicht auszuschließen. Ganz zu schweigen von dem Handwerk eines Scharfschützen, der hier gepflegt und locker flockig den Gegner ins Visier nimmt. Schon klar, dass sich die Darstellung von einem halb erfrorenen, übermüdeten und ausgezehrten Mann nicht so gut macht, der sich, da er nicht einfach aufstehen und an den nächsten Baum stellen kann, während der tagelangen Beobachtung seines Ziels mehrfach selbst eingenässt hat. Den Machern des amerikanischen Werbeclips geht es wohl darum, ein mehr oder minder wohlbehütet aufgewachsenes Publikum anzusprechen, welches sich für woke Themen begeistert und an Selbstverwirklichung und Erfüllung individueller Ziele interessiert ist.

Krieg, Gewalt, Kampf

Das Leben in einem Militärlager mit Flugabwehrartillerie ist je nach Standort nicht unbedingt ganz so hart wie in einem kleinen Kontrollposten an der bergigen pakistanisch-afghanischen Grenze, aber sicher auch kein Zuckerschlecken, da sind auch die der USA keine Ausnahme. Außerdem haben Krieg, Gewalt und Kampf herzlich wenig mit dem Gefühl zu tun, dass in dem in schönster Disneyfilm-Manier aufgezogenen Streifen vermittelt wird, der zu einer Reihe „künstlerischer Erzeugnisse“ der Kampagne THE CALLING – GOARMY gehört.

Beide Rekrutierungs?Machwerke vermögen es nicht, einen realistischen Einblick in das Leben eines Soldaten zu geben. Sowohl die Volksrepublik China[II], wenn auch mit geradezu erschlagendem patriotischen Pathos, als auch die Bundeswehr[III] schaffen es, sich bei ihren Nachwuchsbemühungen wirklichkeitsnäher darzustellen. Zudem kommen die indischen Streitkräfte bei ihrer Werbung für Offiziere[IV] mit ihrer unaufgeregten und eher alltagsnahen Präsentation deutlich sympathischer als Adler und Bär rüber.

Weichgespülte Propaganda

Der offensichtlichste Unterschied beider Propagandafilme besteht darin, dass sich die russische Armee als stark und kompromisslos gibt, während die Kollegen aus der Neuen Welt weichgespült und wenig wehrhaft rüberkommen. Wen man lieber an seiner Seite hat, wenn die Luft bleihaltig wird, bleibt jedem selbst überlassen. Meine Kritik an dem amerikanischen Video richtet sich keinesfalls dagegen, dass die Hauptdarstellerin eine Frau ist.

Ganz im Gegenteil halte ich es für hochgradig fahrlässig, wenn ein Land darauf verzichtet, die Hälfte der Wehrhaften seines Volkes von einer Ausbildung an der Waffe auszuschließen. Dass Frauen im Durchschnitt nur etwa die Hälfte der Muskelkraft eines Mannes und etwas mehr als zwei Drittel der Ausdauerleistung haben, ist kein grundsätzliches Hindernis. Stattdessen sollten moderne Armeen[4] nicht dem Gleichmacherwahn verfallen und einfach so gemischte Einheiten aufstellen, sondern Frauen gemäß ihren militärischen Vorteilen, so etwa dem durchschnittlich geringeren Körpergewicht oder einer geringeren Grundaggression[5] gegenüber Männern, einsetzen. Erna Hirsekorn, Lyudmila Pavlichenko und Boudica würden dem Frauenbild einiger Wehrdienst nur für Männer-Befürworter zutiefst widersprechen und darüber hinaus Zeugnis für die militärische Befähigung des „zarten Geschlechts“ abgeben.

Erfolgreich an der Spitze einer kleinen Schar Halbstarker die kampferprobten Soldaten des roten Zaren zurückzuschlagen, verdreckt, halbverhungert, tagelang in Schnee und Regen zu liegen und im Laufe des Großen Vaterländischen Krieges über 300 Abschüsse zu erzielen oder sich an die Spitze eines breiten Aufstands gegen die Besatzungsmacht aus der Tibermetropole zu stellen und nach verlorener Schlacht in den Freitod zu gehen, das alles ist doch etwas ganz anderes als das, was die Flecktarn-Disneyprinzessin namens Emma darstellt.

Frauen und Homosexuelle beim Militär?

Der Rehabilitierungsprozess nach einer schwerwiegenden Verletzung oder der „Kampf“ gegen empfundene sexuelle Unterdrückung ist, so tragisch das alles sein mag, sicher weniger charakterbildend als die Erfahrungen der von mir beispielhaft angeführten Damen. Vor allem hat Emmas Lebensweg herzlich wenig mit Krieg zu tun. Denn darum geht es doch eigentlich. Eine etwas wirklichkeitsnähere Darstellung von Frauen im Militär bieten neben den Indern und Chinesen die Macher eines japanischen Rekerutierungsvideos[V]. Die, sicher auch durch die für „westliche Ohren“ weich klingende Stimme sehr feminin wirkende Darstellerin, scheint ganz im Gegensatz zu Emma gut in die militärische Umgebung in der sie sich bewegt zu passen.

Es soll hier ebenfalls nicht darum gehen, Homosexuelle für ihren Dienst an Volk und Heimat zu rügen. Denn sowohl der eingangs erwähnte Alexander, als auch der Großteil der keltischen Armeen, bei denen viele dem eigenen Geschlecht nicht abgeneigt waren, gehören in jene höchste Ruhmeshalle des Kampfes. So konnten die Kelten teils bis zum Ableben des weströmischen Reiches ihre Lebensweise und auf den britischen Inseln auch ihr Land gegen den südlichen Fafnir[6] halten. Die Kritik, die ich an Emmas Rolemodels, wie sie ihre „Eltern“ sieht, habe, ist nicht deren Sexualität, sondern deren woke Lebensweise. Es ist mir herzlich egal, ob sich die Soldaten einer Armee von dem eigenen oder dem jeweils anderen Geschlecht angezogen fühlen. Nur müssen sie kämpfen können und wenn nötig bereit sein für ihre Ideale zu töten und zu sterben. Ob nun jemand, der in einer bunten kalifornischen Zeichentrickwelt aufgewachsen ist, dazu in der Lage wäre, lässt sich aus dem Streifen überhaupt nicht ermessen. Dass diese woken Sachen, die meist über den Großen Teich kommend in der gesamten westlichen Welt wie ein bösartiger Tumor um sich greifen, überhaupt dazu in der Lage sind eben diese westliche Welt, deren Teil seit ein paar Jahrzehnten auch unsere Heimat ist, zu schützen ist überaus fraglich.

Doch bei all dem Unmut über die Post-Postmoderne[7] und ihre Auswüchse sollten wir nicht vergessen, dass Emma und ihre Spießgesell*innen lediglich ein weiterer Drachenkopf des Coca Cola-Imperialismus sind. Denn es geht dem Ungeheuer, das den überfreundlich wirkenden Film erschuf nicht darum, den Militärdienst als solchen zu bewerben, sondern ein Lebensgefühl zu verkaufen, welches nur wenig mit der Realität zu tun hat und dessen Abfallprodukt die Degeneration ist. Ein alter Sirenengesang mit dem schon ein viel zu Großer Teil unserer Vorfahren an den Klippen zerschellt ist.

[1]griech. Basileus: der Große ~ der Herrscher/König

[2]Eine Hetäre (wörtlich Begleiterin) ist eine Gesellschaftsdame, ähnlich der japanischen Geisha, im antiken Griechenland. Hetären haben für gewöhnlich eine umfangreiche philosophische und musische Ausbildung. Sie werden sowohl für Symposien, als auch zur individuellen Unterhaltung (auch der rein leiblichen) gegen eine Bezahlung eingeladen.

[3]Die Ästhetisierung eines muskulösen makellosen (weißen) männlichen Körpers, der sich zuerst relativ unbekleidet sportlich betätigt und danach in einen engen Kampfanzug gezwängt besonders harten „Männerkram“ macht, kann durchaus als homoerotisch gesehen werden.

[4]Neben Israel tun sich gerade schwarzafrikanische Staaten mit einem Frauenanteil von bis zu einem Drittel der Gesamtstreitkräfte hervor.

[5]entgegen landläufiger Meinung ist in einigen militärischen Bereichen, etwa dem Schafschützenwesen eine geringere Aggression (nicht fehlende Aggression) und Geduldigkeit sehr von Vorteil.

[6]Die Bedeutung ist hier gleich doppelt gemeint. Nicht nur ist es ein schuppiges Ungetier, sondern in der Spätantike, der Zeit in der auch die Nibelungen spielen, vermögen es die Germanen und Kelten (die britischen Inseln werden, nachdem Honorius die Unfähigkeit zur Herrschaft über das Gebiet offenlegt, zwischen Sachsen, Kelten und Romanobriten aufgeteilt) die Weströmer zu zerschlagen. Ganz so wie Siegfried den Fafnir nach schwerem Ringen vernichtet und in seinem Blut badet.

[7]Die Doppelung ist Absicht. Denn je nach Betrachtung befinden wir uns in einer Zeit nach der Postmoderne, deren Schrecken aber immer noch anhalten und geradezu stärker zu werden scheinen.

[I]vergl.: https://youtube.com/watch?v=k5wyeApOOiU

[II]vergl.: https://youtube.com/watch?v=JOWRembdPS8

[III]vergl.: https://youtube.com/watch?v=E7-rl12rq_g

[IV]vergl.: https://youtube.com/watch?v=IFDbbfJwaKQ&t=154s

[V]vergl.: https://youtube.com/watch?v=HkasvMjnbJE

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