Gesichtet

Leben wir in Zeiten eines neuen Kulturkampfes? (II)

Vergleicht man, mit welcher Art von Produkten einzelne Länder und Regionen auf dem Weltmarkt erfolgreich sind, wird deutlich, wie die Geschichte die aktuellen Wirtschaften prägen: Ist es ein Zufall, daß die deutsche Wirtschaft insbesondere dort weltweit erfolgreich ist, wo sie hochwertige Produkte bietet, die eine intelligente und zuverlässige Qualitätsarbeit erfordern?

Automobile, Chemieausrüstungen, Elektrotechnik, Kreuzfahrtschiffe, Medizintechnik, Pharmaka, Präzisionswerkzeuge, Turbinen und Kraftwerksanlagen, Werkzeugmaschinen. Das ist die Basis der deutschen Wirtschaftskultur:

„Arbeit ist weithin Beruf im Sinne von Berufung, nicht nur notwendiges Übel zum Gelderwerb. Geld soll natürlich auch verdient werden, aber die Arbeit bildet den Mittelpunkt des Lebens, um den herum man Familie und Freizeit baut. […] Nach wie vor gilt Arbeit bei den meisten noch als Selbstverständlichkeit, die man nicht nur nicht in Frage stellt, sondern die auch auf höchstmöglichem Niveau verrichtet wird – und wenn es das Harken des Laubs im Herbst oder das Säubern der Latrinen ist. Natürlich gedeiht auf solchem Nährboden der Kapitalismus. Aber er gedeiht in Verbindung mit Heimatverbundenheit und Gemeinschaft auch sozial verträglich.“ (Antje Hermenau)[1]

Preußische Tugenden, redliche Hanseaten, schwäbische Sparsamkeit, sächsischer Glanz, thüringischer Geist, rheinischer Kapitalismus. Das hohe Ansehen der deutschen Wertarbeit in der Welt fußt auf dem berechtigten Stolz des Handwerkers wie des eigenverantwortlichen Unternehmers, auf deren Fähigkeiten und Leistungen, gewendet in die moderne Industriekultur.

Jede nationale Wirtschaft fundiert und operiert auf einem spezifischen kulturellen Hintergrund. Könnte es sein, daß Idee und Erfolg von IKEA etwas mit der skandinavischen Kultur zu tun haben? Nun ist wohl in Schweden nicht dänisches Hygge (Gemütlichkeit) prägend, eher präzise Ordnung, aber die Kultur solidarischer Mit- und Zusammenarbeit ist ihnen gemeinsam. Italien steht für gutes Design in Architektur, Mode und für Automobile. Da wirkt anscheinend die Kultur der Renaissance nach. Zu dieser Kultur gehört aber auch seit den mittelalterlichen Monti di Pietá die staatliche Garantie der Banken. Der Umgang mit Staatsdefiziten wurde wohl durch die Ungewißheiten agarischer Erträge geprägt.

Geographie, Wirtschaft und Kultur

Der Nordosten der USA ist durch die europäischen Einwanderer geprägt, die sich hier massenhaft neu wirtschaftlich und sozial etablieren mußten: Massenprodukte für den Weltmarkt von Kartoffelchips (1853), Druckluftbremse (1869), Heinz Meerrettich und Ketchup (1869/1888), allgemeine Elektrifizierung (ab 1878/80), Füllfederhalter (1883), Rollfilm (1887), Zweiphasenwechselstrom (1887/88), Kronkorken (1892), Gipskarton (1894), Kellogg‘s Corn Flake (1894/1897) bis hin zu Ford Automobilen (1903) und Schiffscontainern (1956).

Aus dem Westen der USA, der von jenen geprägt ist, die den schweren Weg nach Far West bewältigt hatten, wie auch von erfolgreich aufgestiegenen Nachkommen der asiatischen Bahnbaubilligarbeiter, kommen viele weltweit erfolgreiche Innovationen: Coca Cola (1892), Hollywoodfilme (ab 1911), McDonald’s (1940/48), Personal Computer (1970), Microsoft (1975), 3D-Drucker (1984), Microchip (1989), Wikipedia (1993), Amazon (1994), Google (1996), Tesla Automobile (2003).

Die Spezifika ostasiatischer Kulturen – besondere Ausprägung der Feinmotorik infolge des Essen mit Stäbchen, hohe Merk- und Lernleistung durch den Umgang mit Zeichenschrift und Übung im Nachahmen – hat diese Regionen zu Lieferanten preisgünstiger Industriewaren gemacht.

Kulturen bringen Vielfalt hervor

Die Verschiedenheit der Kulturen bedeutet nicht, daß eine besser oder schlechter ist als eine andere: Unterschiedliche Kulturen bringen echte Vielfalt hervor. Das heißt, sie ergänzen sich im Austausch gegenseitig, wenn sie ihre Eigenheiten bewahren können. Frank Böckelmann, der ein Wortführer der „antiautoritären Fraktion“ im Münchner SDS, also irgendwie ein Linker gewesen war, hatte 1998 mit einem Buch[2] „ein Lob der Fremdheit“ veröffentlicht.

Es wurde mit einem Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet, bekam wohlwollende Besprechungen u.a. in der taz, in der FAZ und der SPIEGEL nahm das Buch seinerzeit zum Anlaß, „es allen Kündern der Völkerfreundschaft und ‚politisch korrekten Ausländerfreunden‘ auf den Kopf (oder zumindest auf das gute Gewissen) zu hauen“, denn die Verschiedenheit der Kulturen und auch die Tatsache, daß sie einander nur bedingt verstehen, ist der Urquell aller menschlichen Entwicklung.

Dasselbe Buch, 2018 neu herausgegeben, gilt nun als „rechtsradikal“ und wird bislang „nur von der verlässlich ressentimentgetriebenen Website ‚Die Achse des Guten‘ überhaupt zur Kenntnis genommen“[3], wie die FAZ nunmehr wertet. Ist der politisch korrekte Mainstream inzwischen so ideologisch verblendet, daß schon allein das Aussprechen der Tatsache, daß es unterschiedliche, nicht miteinander kompatible Kulturen gibt, als rechtsradikal und rassistisch gilt? Gleichwohl ist es eine Tatsache: Kulturen sind unterschiedlich und das ist auch gut so!

Auf dieser Basis müssen wir die Debatte gegen den neuen Kulturkampf führen! Die Debatte findet nicht nur im Feuilleton statt, sollte aber auch ein akademischer Streit der Fakultäten sein, aber nicht allein dies: Die Debatte um die Kulturen ist politisch hochaktuell und wissenschaftlich grundlegend. „Statt pointierter Debatte in der Sache, bekommen wir den Kulturkampf. Während unter Angela Merkel weiterhin Politik kaum stattfindet“, schrieb der Tagesspiegel schon vor anderthalb Jahren, meinte aber, der sei noch zu verhindern.[4] Wo aber sind die Verhinderer des „Kulturkampfes“?

Zu Teil 1 geht es hier.

Bildhintergrund: Friedrich Merz, von: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0

Endnoten:

[1] Antje Hermenau: Ansichten aus der Mitte Europas. Wie Sachsen die Welt sehen. Leipzig 2019, S. 37f.

[2] Frank Böckelmann: Die Gelben, die Schwarzen, die Weißen. Frankfurt/Main 1998, 21999, Neudruck Berlin 2018.

[3] Claudius Seidel: Die Schrecken der Fremdheit und des Unverstandenseins. In: FAZ.net aktualisiert 25.03.2019, 07:59. URL: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/frank-boeckelmanns-buch-die-gelben-die-schwarzen-die-weissen-16092581.html?printPagedArticle=true#void.

[4] Nils Heisterhagen: Ein Kulturkampf wie in den USA kann noch vermieden werden. In: tagesspiegel.de vom 03.09.2018, 14:13. URL: https://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-nach-chemnitz-ein-kulturkampf-wie-in-den-usa-kann-noch-vermieden-werden/22985198.html.

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