Rezension

Liebe und Tradition (II)

In seiner „Metaphysik des Sexus“ sagt Julius Evola, dass der Pendelschlag von Puritanismus zu freizügiger Pornografie im öffentlichen Leben eine klare Sicht auf die höhere Bedeutung des Eros verhindert, da beides der Mode und jeglichen sentimentalen Meinungen unterliegt.

Des Weiteren erschwere sich die Sammlung von Material zu diesem Thema, da subjektiv die Scham zu Verklärung in Form von Unter- oder Übertreibung führe, und die Erfahrung an sich objektiv auf den Menschen höchst überwältigend wirkt, wodurch weitere Verzerrung folgt.

Dies hält Evola jedoch nicht davon ab, die Phänomene des Eros in jeglichem Ausfluss, sei er künstlerisch oder mythologisch oder biografisch, zu studieren – das Material nicht als Absolutes, sondern eben als Phänomen eines tieferliegenden Prinzips.

Die folgenden Ablehnungen von Theorien sind nicht so zu verstehen, dass sie schlicht keine Aussagekraft besäßen, sondern vielmehr, dass sie keine absolute Deutungshoheit beanspruchen dürfen.

Freud, Schopenhauer, Evola

Das biologistische Bild von Liebe als lediglich generativer Prozess verneint Evola mit Blick auf die (individuell) zahlenreichste Vermehrungsstrategie des Lebens im Mikroben- und im vegetativen Reich. Hier sei der Zahlenreichtum die Hauptsache der Fortpflanzung als Sieg durch Masse gegeben, doch nur in komplexeren Lebensformen finde man die Differenzierung der Geschlechter, bis hin zu sozialen Verschiedenheiten in den höheren Säugetieren. Komplexität begleite eine höhere Qualität der Bindung zwischen den Polen von maskulin und feminin.

Die Psychoanalyse lehnt er ab aufgrund der Auffassung, dass der Sexus bloß als Libido von unten herauf, ja beinah infernal auftrete. Evola räumt ein, dass der Eros sehr wohl ein psychischer Zustand sei, jedoch weitaus differenzierter und subtiler, und nicht lediglich zum Ziele der Regeneration der Spezies, so wie z.B. die Destrudo, der Todestrieb Freuds aufzeigt. Liebe sei im höchsten nicht bloß blinder Trieb, und so sieht Julius Evola das generative Prinzip des Eros nicht als sein Hauptprinzip, sondern als ein Derivat: Der Mensch wisse im Banne der Erfahrung nicht ob der Befruchtung, dies sei nicht inneres Wissen, sondern lediglich a posteriori, eine empirische Beobachtung, doch letztlich eine empirische Beobachtung der Materie. Zeugung und das Verständnis dieser, so Evola, sei sogar als Derivat der Liebe eher als Stabilisator in Form von Heiratsbanden zu verstehen.

Auch Schopenhauer, der hier für einen Auswuchs der Philosophie steht, wird von Evola kritisiert. Die Schopenhauersche Spekulation über den Willen, welcher durch ewigen Hunger zur weiteren Zeugung verlockt wird, sei nicht völlig neben dem Ziel, doch sieht Evola sie zu nahe den rein darwinistischen, biologischen Entwürfen.

Das Konzept der Liebe ist für Evola nicht ein rein mechanistischer Träger und Agent des Bios, des Lebens, nein, sondern ein symbolisch-mythopoetisches Wahres, ein Ausspruch des Absoluten, des Numenons. Die Liebe im Menschen sei nicht nur blinder Zeugungswille, wenn auch dies als dämonische Macht mitschwingt. Stattdessen ist Eros in Evolas Konzeption ein spirituelles Ereignis, welches sich in der Seele (oder Psyche, welches Wort der geneigte moderne Leser auch bevorzugt) spiegelt, und letztlich sich in der Materie kausal widerspiegelt. Die Liebe versteht er als etwas, das erfahren werden muss (man denke an den Begriff der Gnosis!) und nicht materialistisch zu erklären sei. Solcher Erklärung unterliege bloß die gröbste Form in der Materie, ein tumber Schatten.

Definition des Geschlechts nach Evola

Julius Evola sieht Geschlecht wohl als Polarität und gar auf einem Spektrum, doch nicht in amorpher, nebulöser Form, wie es die moderne Gender-Queer-Theorie tut. Zu beiden Seiten des Spektrums stelle man sich die Marksteine des absolut Männlichen und des absolut Weiblichen vor, und mittig eine klare Trennung. Auf diesem Spektrum ist Variation innerhalb des Geschlechts möglich, was Komposition von Anteilen des Männlichen und Weiblichen betrifft. Mancher Leser mag hier an Otto Weininger denken, der von Magnetismus zwischen den Geschlechtern sprach, und gar eine Mathematik der Liebe entwarf, nach welcher die etwaigen Kompositionen d.h. die etwaigen Männer und Frauen, stets nach einem Komplement suchen, sodass das Männliche und Weibliche stets auf 100 Prozent komme.

Und diese Idee ist von hohem Alter, bedenke man doch das Symposium Platons, in welchem er vom Hermaphrodit sprach, welcher gar stärker als die Götter war, wo drum sie ihn zerbrachen in Männlein und Weiblein. Der sexuelle Drang ist so ein Wille zur Vervollkommnung, zur Rückkehr zum Ur-Zustand.

Auch Schopenhauer sprach von der Negation durch Komplementarität, und Carl G. Jung kennt die psychischen Figuren des Animus und der Anima, Inhalte, welche das andere Geschlecht in den Bann schlagen und verführen durch die Projektion dieser auf das Objekt der Liebe. Auch Evola erwähnt, dass letztlich jeder Mann und jede Frau bloß das eine absolute Gegenstück in ihrer Liebschaft vergöttern, verhüllt durch die konditionierte, greifbare Person ihres Partners.

Verweiblichung und Passivität im Manne

Die Ausformung des Geschlechts in Raum und Zeit sieht Evola bedingt durch die Polarität von Essenz und Persona, also jenem, was der Person natürlich innewohnt, und jene Inhalte, welche durch die Umwelt geprägt werden. Es muss nicht verwundern, dass gerade in einem Zeitalter, in welchem Materie das große Ideal ist, eine Verklärung der Geschlechter zur Folge hat, zu einem grauen irdenen Material, wie wir in der Gender-Politik des 21. Jahrhunderts beobachten dürfen, nein, zu beobachten gezwungen sind.

Verweiblichung und Passivität im Manne, aufstrebende Kräfte freier Rebellion im Weibe und eine völlig unverhältnismäßige Anzahl von Transvestiten in jener Generation, welche gerade heranwächst. Und ganz zu schweigen vom Aufbruch traditionell männlicher und weiblicher Lebensbereiche zugunsten der Inklusion und der individuellen Freiheit. Besser kann das jeweilige Geschlecht nur in seinem Natural, in seinem Sein, sein, so Julius Evola. Erhellend sollte dies auf unsere Sicht des Feminismus wirken.

Julius Evola charakterisiert Geschlecht als inneres Erlebnis zuvorderst, und sagt, dass „wer nicht Mann im Geiste ist, der ist nicht wahrlich Mann. Das Gleiche gilt für die Frau.“

Und dieser Mann im Geiste, und jene Frau im Geiste sind die absoluten Pole des Seins und der Manifestation, charakterisiert durch Form und Materie, Aktion und Passivität (ohne bitteren Beigeschmack moralistischer Werte). Hier ist griechische Philosophie greifbar und erfahrbar, und Evola schreibt weiter: wahre Aktion im Sinne des Mannes bestehe im Akt, unbewegt zu bleiben, und seine Umwelt durch den Willen zu formen. Die Frau ist hier als Materie und als Gefäß dessen, doch auch als Born grenzenloser Potenz sein Gegenstück.

In den Symbolen und Zeichen der Völker sehen wir diesen Umstand vielgestaltig, so im Kreuze, im Siegel Salomons (auch als Davidstern bekannt) und im Yin-Yang-Zeichen. All diese zeigen die Qualitäten des Männlichen, aufsteigenden, warmen Prinzips, und des weiblichen, passiven und kalten Prinzips, welche zusammen die Manifestation des Kosmos erzeugen. Und hier ist der Punkt nochmals bestärkt: Beide Pole sind essenziell in ihrem Sein, und in diesem nicht im Werte dem anderen über- oder untergeordnet.

Kosmologisch sind sie unterschiedlich, ja, doch hier als Erklärung des Seins, nicht als unhaltbares Moralin. Jeder Mensch kann diese Prinzipien nicht bloß als leere Abstraktion, sondern als wirksame Kraft in sich wahrnehmen, wenn er bloß horcht. Das Ideal ist hier nicht Abglanz, sondern Wurzel, der Mensch im partikulären Geschlecht eine Spiegelung dessen.

Diese Umstände sind bei Aristoteles als Form und Materie, im Daoismus als Yin und Yang, in der Hermetik als Feuer und Wasser und in jeder Mythologie dieser Welt in vielzähliger Form der vielen Götter und Göttinnen belegt.

Hier geht es zu Teil 1. Der dritte Teil erscheint nächste Woche.

(Bild: Alicia J. Rose, flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

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