Anstoß

Linke Nekropropaganda

Gerade in Deutschland ist die Zweckentfremdung des Holocausts gängiges Mittel. Doch Politik und Öffentlichkeit lieben alle Toten. Denn die können sich nicht mehr wehren.

Nazi hier, Auschwitz da. Ein bisschen Faschismus gefällig? Erbschuld schon bedacht? Grenzkontrollen? Klarer Fall von Adolf. Alles, was die Deutschen tun und lassen, wird an ihrer Vergangenheit bemessen. Nur wie soll man etwas vergleichen, wenn der alte Messbecher brüchig, nicht mehr vorhanden oder mit anderen Einheiten misst? Richtig. Nämlich gar nichts. Das höchste der Gefühle wäre es, die Vergleiche Sachkundigen zu überlassen. Da dabei nicht die geliebte Unwahrheit herauskommt, macht man es gleich selbst. Jeder Systemling, geldgeile Journalist, Gutmensch, dummer Politiker klaubt sich aus der Vergangenheit genau das, was er braucht. Böses, um gegen Feinde zu wettern. Gutes, um sich selbst zu erhöhen.

Wer trägt wirklich Schuld am Nationalsozialismus?

Das fing mit der Instrumentalisierung des Dritten Reiches an. Als schließlich die meisten Zeitzeugen (mund)tot waren, die über Realitäten Zeugnis ablegen konnten, entstand die systematische Nutzung der deutschen Vergangenheit für eigene politisch Zwecke. Anders ist der künstlich am Leben gehaltene Geschichtskult der Deutschen kaum zu erklären. Jeder Deutsche, vermutlich jeder Europäer, ist über die Schrecken des Dritten Reiches im Bilde. Jeder lernt in der Schule basale Kenntnisse über den deutschen Totalitarismus. Alle sind sich deshalb einig, dass so etwas nie wieder passieren darf.

Bis hierhin kann man mitgehen. Alles, was darüber hinausgeht, ist nichts anderes als linke Propaganda. Wir leben mittlerweile in der vierten Generation nach dem Dritten Reich. Man musste in den 1900er Jahren geboren sein, um zu Beginn des Machterhaltes der Nationalsozialisten kaum 30 Jahre alt gewesen zu sein. Wie viele dieser zeitnahen Männer hatten Schuld und Verantwortung. Sicherlich einige, aber auf keinen Fall alle. Die aktiven und überzeugten Nazis, die ohne Indoktrination im Kindesalter die NS-Herrschaft für gut befunden haben, waren meist noch älter. Doch irgendwann waren wir alle schuld. Das alleinige Zugehören zu einem Volk determinierte nicht nur unsere Verantwortung, sondern die höllische Schuld, biologogisch von einer Gruppe Menschen abzustammen.

Die Instrumentalisierung der Schande zu gegenwärtigen Zwecken

In den letzten Jahrzehnten hat dies überhandgenommen, gerade weil immer weniger die damaligen Realitäten miterlebt haben. Treffend äußerte sich Martin Walser zum „Schuldkult“ in seiner Laudatio zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1998:

„Jeder kennt unsere geschichtliche Last, unsere unvergängliche Schande. Kein Tag an dem sie uns nicht vorgehalten wird. Wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, dass sich in mir etwas gegen die Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. Ich merke, dass ich versuche, die Vorhaltung unserer Schande auf Motive hin abzuhören, und dass ich fast froh bin, wenn ich glaube entdecken zu können, dass öfter nicht mehr das Gedenken, das Nicht-vergessen-dürfen, das Motiv ist, sondern die Instrumentalisierung unserer Schande zu gegenwärtigen Zwecken.“

Die meisten Leser werden sich einig sein. Der Nationalsozialismus wird immer einen Sonderplatz in der deutschen Geschichte innehaben. Aber eben in der Geschichte und nicht im Hier und Jetzt. Diese Zeit ist vergangen, soll nicht vergessen werden. Doch trotzdem ist der NS so präsent? Hier fehlt eine neue Kategorisierung. Das Vergangene muss ins Historische gleiten, einen Platz auf dem Kaminsims bekommen, in einer Reihe mit der deutschen Geschichte. Auch gerne einen traurigen Ehrenplatz. Man sollte ab und zu das Historische abstauben, betrachten, daraus lernen, aber nicht jeden Tag in die Hand nehmen, sich mit der Erinnerung den Kopf blutig schlagen und anschließend sein Leben danach ausrichten. Die Vergangenheit muss ruhen. Doch irgendjemand will das nicht. Die Linken, aber auch die politische Elite, haben die Geschichte als moralisches Perpetuum Mobile entdeckt und nutzen diese schamlos aus. Bürger werden beeinflusst oder gesteuert. Die „Nekropropaganda“ beginnt.

Henryk M. Broder: Holocaust und gegenwärtiger Antisemitismus

Henryk M. Broder, letzter konservativer Journalist bei der WELT, Betreiber des Blogs „Achse des Guten“ und Sohn zweier deportierter Holocaust-Überlebenden, reagiert allergisch auf diesen Schuldkult. Gerade er, der als europäischer Jude am ehesten Rechte hätte, in der deutschen Geschichte zu stochern, belächelt und verurteilt die Selbstinszenierung der Moralischen:

„Diese Leute feiern den Holocaust, als wäre es Woodstock gewesen. Und jetzt feiern sie fünf Jahre Holocaust-Mahnmal. Und sie feiern sich gegenseitig. Und sie erklären sich gegenseitig, wie toll sie sind, wie viel Courage es gekostet hat so ein Mahnmal hinzusetzen. Es hat gar keine Courage gekostet, das ist einfach Mainstream. [..] Von diesen Leuten sagt keiner ein Wort über Ahmadinedschad oder den gegenwärtigen Antisemitismus.“ 

Doch mittlerweile ist der Holocaust kein Einzelfall mehr. Auffällig geht es bei allen berühmten Verstorbenen zu. Kaum hört deren Herz zu schlagen auf, picken die tagespolitischen Aasgeier ihnen das letzte bisschen Würde aus dem Bauch. Besonders auffällig war dies bei Helmut Schmidt. Nach seinem Tod wurden die SPD und ZEIT nicht müde zu betonen, dass der letzte Staatsmann Deutschlands zu ihnen gehörte. Doch auch CDU und Angela Merkel, und eigentlich jeder, der weiß, wie man dieses Neuland namens Internetz bedient, war plötzlich glühender Anhänger von Helmut Schmidt.

Unangreifbarer Totenkult

Doch dieser Totenkult bezieht sich nicht nur auf politische Personen. 2016 war das Jahr des Jenseits. Die Leute liebten Carrie Fisher und George Michael, Dawid Bowie und Bud Spencer, Fidel Castro und Leonard Cohen. Die Liste könnte fortgeführt werden. Im Moment des Todes dieser Menschen betritt ihr Geist eine himmlische Sphäre. Sie entziehen sich der harten Gegenwart, die wir doch eigentlich  alle hassen, werden unangreifbar und wunderbar. Dann folgt die Präsentation der Toten in einer Weise, die ihr echtes Ich verkennt. Stattdessen wird ein Heiligenbild kreiert. Ironischerweise nähert sich die atheistische Menschheit dadurch wieder dem Religiösen, doch alleine aus purem Selbstzweck oder besagter Nekropropaganda.

Dutzende „tolle“ Menschen starben 2016. Doch wer kannte sie schon. Gerade die Freunde und Verwandten der Stars sind diejenigen, die am ehesten unter dem öffentlichen Trubel der globalisierten Erinnerungskultur leiden. Die findet natürlich virtuell statt. Kein Mensch würde sich bequemen für Manfred Krug, Bud Spencer oder Tamme Hanken aus dem Sessel aufzustehen oder ernsthaft um diese Leute trauern. Zack, Foto geteilt, Gesprächsthema für die langweiligen Freunde gefunden, kurz ein „R.I.P.“ drunter gesetzt und schon schlagen wir uns die emotional-menschliche Schulter blau. Was sind wir doch für schlaue Füchse. Auf einmal wird Carrie Fisher, anstatt eines abgehalfterten B-Promi, der versucht hat mit Schönheitsoperationen und Prozac-Pillen die Jugend festzukrallen, zur erstklassigen Schauspielerin mit Vorbildfunktion. Ganz ehrlich: Nennen Sie drei Carrie-Fisher-Filme. Star Wars 4, 5 und 6 zählen nicht. Aber das ist egal.

taz hetzt mit Arthur Schopenhauer gegen AfD

Auf einmal wird aus Fidel Castro ein freiheitsliebender Revoluzzer anstatt eines kommunistischen Diktators, nur um nach zwei Wochen wieder in der Versenkung und Verwesung zu verschwinden. Helmut Schmidt wird plötzlich eingefleischter Neu-SPDler, obwohl dieser zu Lebzeiten seine Ablehnung der „modernen Politik“ kaum zurückhalten konnte. Doch Sigmar Gabriel vereinnahmt den Toten als einer der Ersten. Auch Multikulti lehnte Schmidt Zeit seines Lebens ab. „Gut, dass er sich jetzt nicht mehr zu Wort melden kann“, denkt die SPD. „Gut, dass er das nicht mehr miterleben muss“, denken die Ehrlichen.

Selbst die Philosophen werden öffentlichkeitswirksam als Legitimation der eigenen Positionen zweckentfremdet. In Zeiten sozialer Medien ist es ein Einfaches, ein aus dem Zusammenhang gerissenes Fragment mit pseudokluger Aussage auf einen schwarzen Hintergrund zu legen, am besten noch ein schwarz-weiß Foto dazu und schon ist man der König der Freundesliste, ohne sich je mit dessen Büchern befasst zu haben. Gerade das komplexe Denken solcher Personen sollte in keinem Fall auf wenige Sätze heruntergebrochen werden. Doch ebenso häufig wie zur Politur des eigenen Egos, geschieht dies aus bloßer Propaganda. Ein Beispiel gefällig? Kürzlich schnappte sich die taz Arthur Schopenhauer und versuchte mit ihm in einem fiktiven Dialog gegen die AfD zu hetzen.

Abgesehen, dass es durch die verzerrten Jahrhunderte überhaupt keinen Sinn macht derartiges abzugleichen, ließ die taz selbstverständlich den religionskritischen Teil von Schopenhauers Denken außen vor. Schon damals verachtete Schopenhauer die Religionen, aber insbesondere den Islam. Dies wurde mit keinem Wort erwähnt. Nur das berühmte „Nationalstolz-Zitat“ Schopenhauers, welches aus einer Zeit stammt, wo es in Deutschland nicht einmal eine Nation gab. Schopenhauer kritisierte damit eher das französische und englische Nationalgefühl, möglicherweise auch die nationalliberalen Bestrebungen im eigenen Volk. „Zufälligerweise“ findet auch Schopenhauers Frauenfeindlichkeit keine Erwähnung, ebenso wie die Verachtung gegenüber der Masse und der Demokratie. Ein Musterbeispiel für linke Nekropropaganda und die Verfälschung der Realitäten durch die Lückenpresse.

Holocaust und Carrie Fisher

So streiten sich die Aasgeier um die Verstorbenen. Wer instrumentalisiert die Toten am besten? Auch wenn es sich abstrakt liest. Es gibt wenige Unterschiede zwischen den Opfern des Holocausts und Carrie Fisher. Kaum jemand kennt heute die Personen und deren Leben wirklich. Alles Wissen basiert auf Hören-Sagen und beides eignet sich in herausragendem Maße dazu, sich besser zu fühlen und Trauer vorzutäuschen. In Wahrheit geht es nur noch darum, die Toten auszunutzen und als einfühlsamster Gutmensch in die Geschichte Facebooks einzugehen, sich selbst besser zu stellen oder andere Menschen im eigenen Sinne zu beeinflussen. Eine Schande für die Verstorbenen. Der einzige Unterschied zwischen Millionen Juden und der US-amerikanischen Schauspielerin ist, dass der Holocaust und die deutsche Schuld so mächtig sind, dass die Erinnerung noch Jahrzehnte andauern wird. Carrie Fisher wird in einigen Wochen vergessen sein.

Gerade letzte Woche erlebten wir die nächste Welle der heuchelnden Hyänen, die sich über Roman Herzog hermachten. Alle politischen Akteure teilten Erinnerungsfotos, grau schattiert, mit geschwungener Schrift seiner Lebensdaten. Roman, wir lieben dich! Man kann stark bezweifeln, dass noch irgendjemand weiß, was Herzog so getrieben hat. Zum Beispiel die Einführung der „Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Ein Mahner erster Stunde also, ein Vertreter der Erinnerungskultur, kein Wunder, dass die Altparteien Tränen in die Augen bekommen:

„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“

Die Reduzierung Toter auf gewünschte Eigenschaften

Sicherlich gut gemeint, von jemandem, der als Kind den Nationalsozialismus miterlebte, ist ironischerweise genau diese „aktive Erinnerungskultur“ dafür verantwortlich, dass wir Deutschen nicht zur Ruhe kommen, uns selbst verneinen, eines der geschichtsträchtigsten Völker der Erde am liebsten auslöschen möchten. In den nächsten Tagen wird die Öffentlichkeit nicht müde werden zu betonen, was für ein toller Mann Herzog war. Bewusst wird dabei weggelassen, dass Herzog ein erbitterter Gegner des Brüsseler Zentralismus war, also ein Gegenspieler der heutigen EU-Fanatiker. Wieder ist Gabriel zur Stelle, blendet den komplexen Herzog aus, und beschränkt sich auf dessen Engagement gegen Rechtsextremismus und seinen Einsatz für eine deutsche Erinnerungskultur.

Im gleichen Statement schreibt Gabriel: „Sein politisches Lebenswerk wird Bestand haben.“ LEBENSWERK. Das ist anmaßend, billig und mit Goebbelscher Propaganda gleichzusetzen. Passt also zur SPD. Joseph Goebbels wurde auch nie müde zu betonen, dass die alten Knochen Unterstützer des neuen Nationalsozialismus seien. Das alles geschieht auf dem Sarg Roman Herzogs. Gottseidank wird auch er nach einigen Tagen Wallung zu öffentlichem Staub zerfallen sein. Dann segnet der Nächste das Zeitliche und wird von politischen Schaben instrumentalisiert. Das perverse Spiel beginnt von vorne.

Wie wird den „falschen“ Opfern gedacht?

Ich persönlich habe überhaupt keine Ahnung von Herzog. Weder kenne ich ihn, noch kann ich mich an ihn erinnern. Was ich hingegen weiß, ist, dass noch immer keine nationale Gedenkfeier für die Opfer des Terroranschlages im Herzen Berlins stattfand. Gauck, der aktuelle Nachfolger Herzogs, hat dahingehend noch keine Initiative ergriffen, wie Pressesprecher Steffen Seibert bekannt gab. Bestimmt aus Angst davor, dass Rechte die Toten instrumentalisieren. Das „Nicht-Feiern“ ist jedoch Instrumentalisierung in gleichem Maße. Nur hoffen sie, dass es niemandem auffällt.

Dass die Angehörigen ein Recht darauf haben, ihrer getöteten Kinder, Brüder, Schwestern und Eltern zu gedenken, zu deren Schutz der Staat verpflichtet ist und diese Pflicht hat schleifen lassen, gerät da schnell ins Hintertreffen. Gerade dann, wenn ein 82-Jähriger Ex-Bundespräsident das Zeitliche segnet. Das ist zwar traurig, aber nicht tragisch. In den nächsten Tagen erwartet uns dann ein feierlicher Staatsakt mit Prunk, Pomp und Getöse, allen voran eine heuchelnde Raute, die Herzog ausschlachtet wie ein Metzger ein Schwein. Alles muss verwurstet werden.

Als nächstes wird Martin Luther durch die Manege geschleift

Überlassen wir das Trauern bitte den Familien und Angehörigen und lassen wir die berühmten Toten in der Erde. Egal ob Schauspieler, Denker, Politiker oder Opfer. Wenn jemand heute noch mit dem millionenfachen Leid der europäischen Juden argumentiert, sollten sofort die Alarmglocken ringen und ein jeder die Motivation dieser Mahner hinterfragen. Auch um die Toten ruhen zu lassen. Mir graut es schon vor den kommenden Monaten. Martin Luther wird anlässlich des protestantischen Jubiläums geistig exhumiert werden und die Öffentlichkeit wird den Fokus auf seine antijüdische Einstellung richten. Lichterketten gegen rechts stehen bevor, die Vergangenheit steht an der Schwelle zur Gegenwart. Wie immer dabei: der moderne Messbecher.

An alle die, die ernsthafte Trauer bei den vielen Promi-Toden verspürten, bitte ich um Entschuldigung und empfehle einen Winterspaziergang zur nächsten Kirche. Ein kleines Lichtlein hätte den Leuten sicherlich mehr gefallen, als drei Klicks mit dem Mauszeiger. Diejenigen, die nach diesen ernsten Tönen wieder etwas zu lachen brauchen: Henryk Broder als „mobiles Mahnmal“ nebst beschämtem und sprachlosen Hamed Abdel-Samad gibt’s in der „Deutschland-Safari“:

Bild: Pixabay, gemeinfrei

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