Gesichtet

Migration lindert Armut nicht

Seit der „Flüchtlingskrise“ im Herbst 2015 wurde in Deutschland heftig darüber gestritten, ob wir uns damit abfinden müssen, zukünftig in einem Einwanderungsland zu leben. Nach offizieller Lesart hat Deutschland die Krise gemeistert. Nicht zuletzt deswegen, weil die Flüchtlingszahlen seither rückläufig waren.

Doch entgegen dieses Schönwetterbildes, das fleißig von Politik und Medien verbreitet wird, ist die Problematik einer zunehmenden Mobilität der Weltbevölkerung keineswegs gelöst. Vielmehr spricht einiges dafür, dass das bisher Erlebte erst der Anfang einer größeren und länger anhaltenden transkontinentalen Migrationsbewegung war.

Im Jahr 2018 befanden sich weltweit knapp 71 Millionen Menschen auf der Flucht. So schreibt es zumindest die Flüchtlingshilfe der UNO. Auch stieg die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlassen, deutlich an. 2016 waren es noch rund 65 Millionen weltweit. Experten zufolge wird dieser Trend anhalten. Das bedeutet, dass in den kommenden Jahrzehnten immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen und in ein anderes Land migrieren dürften.

Migranten aus der Sahara

Dabei sind die Gründe mannigfaltig. Der Wunsch nach wirtschaftlicher Verbesserung der eigenen Lage dürfte einen nicht unerheblichen Anteil ausmachen. Im Falle Europas spielen vor allem die Länder im subsaharischen Raum eine entscheidende Rolle. Der Gürtel der Länder, die direkt südlich an die Sahara angrenzen, wird zukünftig wohl die Region sein, aus der die meisten Migranten kommen werden. Schon jetzt machen sie einen beträchtlichen Teil aus. Teils sind es bis zu 50 Prozent der jungen Menschen, die eine Migration als Option sehen. Afrikas Bevölkerung wird sich bis 2050 von derzeit 1,2 Milliarden auf 2,5 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln.

Dabei ist es vor allem der subsaharische Raum, der den Großteil dieses Wachstums ausmachen wird. Zwar liegt die mittlere Geburtenrate in Afrika derzeit bei 4,4 Kindern pro Frau, verteilt sich jedoch sehr ungleich. Beträgt die mittlere Geburtenrate auf Mauritius derzeit noch rund 1,4  und in Tunesien noch 2,2 Kinder pro Frau, bekommt im Niger jede Frau noch durchschnittlich sechs, in Somalia sogar sieben Kinder.

Ökonomische Verbesserung um Faktor vier – bei Sozialhilfe in Deutschland!

Warum also kommen diese Menschen nach Europa? Zunächst einmal aufgrund des enormen Wohlstandsgefälles. So verbessert ein Afrikaner seine wirtschaftliche Situation etwa um den Faktor vier, wenn er es bis nach Deutschland schafft, obwohl er hier „nur“ Sozialhilfe bekommt. Ökonomen nehmen an, erst ab einem Jahreseinkommen von 7.000 US-Dollar sinkt der Migrationsdruck deutlich. Das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Subsahara liegt jedoch bei 2.000 US-Dollar.

Das allein kann jedoch keine ausreichende Erklärung dafür sein, dass immer mehr Afrikaner alles stehen und liegen lassen, um nach Europa zu kommen. Denn auch in Ländern wie Indien und Brasilien gibt es eine große Anzahl armer Menschen, deren wirtschaftliche Situation sich nicht wesentlich von denen in subsaharischen Ländern unterscheidet.

Dennoch gibt es hier keine vergleichbar hohe Bereitschaft zu emigrieren. Vermutet wird, dass die Perspektive im eigenen Land ebenso eine Rolle spielt. Bieten Länder wie Indien und Brasilien den Menschen vor Ort die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs, so herrscht im subsaharischen Raum Perspektivlosigkeit.

Drei Millionen Arbeitsplätze für zwölf Millionen Menschen

Dies bestätigt eine unlängst erschienene Studie des Berlin-Instituts: „Aktuell wachsen in Afrika jährlich zehn bis zwölf Millionen junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren ins Erwerbsalter hinein. Allerdings werden auf dem gesamten Kontinent pro Jahr nur etwa drei Millionen formale Arbeitsplätze geschaffen. (…) Die Mehrzahl der Staaten – insbesondere südlich der Sahara – wird kaum in der Lage sein, die erforderliche Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur für die Menschen bereitzustellen, geschweige denn genügend Jobs, die ein auskömmliches Leben ermöglichen.“

Armut ist diesbezüglich relativ zu sehen. Nicht die Ärmsten der Armen machen sich auf den Weg, sondern Menschen aus der Mittelschicht. Schließlich müssen die horrenden Kosten für die Reise nach Europa aufgebracht werden können. Die relative Armut ist, gepaart mit einer wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit, wesentlicher Grund dafür, dass in der Mittelschicht zusammengelegt wird, um einigen jungen Männern aus den eigenen Reihen das Ticket nach Europa zu kaufen, in der Hoffnung auf einen zukünftigen Geldfluss aus Europa.

Wir bräuchten 50 Milliarden US-Dollar, um den Hunger zu besiegen

Deswegen ist es auch alles andere als verwunderlich, wenn Migranten heutzutage vor allem junge Männer sind. Im Falle Deutschlands sind rund 80 Prozent der Migranten männlich und zwischen 16 und 32 Jahre alt. Massenmigration Richtung Europa kann also gar nicht, wie immer behauptet, dafür geeignet sein, die Armut in der Welt zu bekämpfen. Denn diejenigen, die wirklich in absoluter Armut – also mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag – leben, bleiben in ihren Ländern zurück. Aktuell sind es ungefähr 820 Millionen Menschen weltweit, die davon betroffen sind. Berechnungen zufolge würde es jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar kosten, den Hunger auf der Welt zu beseitigen.

Vor diesem Hintergrund ist es geradezu als obszön zu nennen, wenn man sich klatschend an irgendwelche Bahnhöfe stellt und „Flüchtlinge“ aufnimmt und dann auch noch denkt, irgendetwas an dem bestehenden Problem der Armut auch verbessert zu haben. Dieses Verhalten ist lediglich in der Lage, das eigene Gewissen zu beruhigen. Denn man beschränkt sich mit seiner Hilfe nur auf die, welche es nach Deutschland schaffen und das sind noch nicht einmal die wirklich Armen.

Statt also weiterhin die Augen vor der Realität zu verschließen, sollte man sich auf die Strategie verlegen, nachhaltig die Armut in der Welt zu bekämpfen. Was könnte alles erreicht werden, wenn das Geld, das derzeit für die Sozialleistungen der Migranten verpulvert wird, vor Ort in den betroffenen Gebieten gezielt in diverse Kampagnen und Projekte gesteckt werden würde.

Bekämpfung der Fluchtursachen

Fluchtursachen müssen bekämpft werden, damit die Leute bleiben, wo sie sind. Nur dann wird es auch keine Toten mehr im Mittelmeer geben. Sieben Prozent der Migranten verlieren immerhin auf der See ihr Leben. Auf dem Weg durch die Sahara sind es vermutlich sogar doppelt so viele. Das bedeutet: Jeder fünfte, der sich auf den Weg nach Europa macht, stirbt auf der Reise.

Es ist natürlich selbstverständlich, dass Deutschland nach den Genfer-Konventionen verpflichtet ist, politisch verfolgten Menschen Asyl zu gewähren. Nicht aber, wenn Menschen nach Deutschland migrieren wollen, weil es ihnen in ihren Heimatländern wirtschaftlich schlecht geht oder sie von Armut bedroht sind – so verständlich auch diese Motive sind.

Ja nicht einmal Bürgerkriegsflüchtlinge haben ein Recht darauf, nach Deutschland zu kommen. Denn diese sollen nach den Genfer Konventionen zwar so lange aufgenommen werden, wie der Bürgerkrieg tobt. Aber möglichst ortsnah, damit sie nach Beendigung der Kämpfe schnell in ihre Heimat zurückkehren können, um dort beim Wiederaufbau helfen zu können.

Das mag sich für einige jetzt hart und unfair anhören – aber nur auf den ersten Blick. So wird uns gerade von offizieller Seite immer wieder verkauft, diese Menschenströme hätten auch ihr Gutes. Schließlich kämen so neue Arbeitskräfte ins Land, die wir so dringend benötigen würden. Was hier dahintersteckt, ist die Idee eines Arbeitsmarktes ohne Grenzen. Nachdem die Waren-, Finanz- und Dienstleistungsströme globalisiert wurden, fehlt nur noch der globalisierte Arbeitsnomade, um den Traum neoliberaler Wirtschaftstheoretiker wahr werden zu lassen.

Migration und Demokratie

In einer Welt ohne Grenzen haben jedoch demokratische Systeme und republikanischer Entscheidungswille keinen Platz mehr. Je mehr Globalismus, desto kleiner werden die politischen Spielräume, weil die Staaten immer abhängiger von sogenannten Global Players und Investoren werden.

Politische Selbstbestimmung braucht erstens eines Mediums, auf das sie sich beziehen kann, beispielsweise ein Volk oder ein Kulturraum. Und zweitens benötigt sie Grenzen. Ohne Grenzen ist eine Autorenschaft über das eigene Handeln nicht mehr möglich. Daher bedarf es eines neuen Föderalismus. Je größer die Vernetzung ist, desto kleiner müssen die Grenzen gezogen werden.

Dabei gilt das Prinzip, alles, was die eine Ebene nicht leisten kann, muss die nächst höhere entscheiden. Denn es herrscht keine Harmonie zwischen der Demokratie und dem Finanzmarkt. Keine Einigkeit zwischen der globalen Wirtschaft und dem republikanischen Gestaltungswillen.

(Symbol-Bild: Pixabay)

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