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Neues von der klügsten Linken Europas

Am Mittwoch fand in Heidelberg ein Vortrag unter dem Thema „Identitäres Europa – Neues von der Neuen Rechten“ statt. Referent war der „Rechtsextremismusexperte“ Lucius Teidelbaum (Pseudonym), der mit umfangreicher monetärer Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung seine jüngsten Forschungsergebnisse nun auch abseits von Fachzeitschriften wie dem Rechten Rand einer jungen Zuhörerschaft präsentieren durfte.

Teidelbaum stellte sich als Mensch vor, der dem akademischen Milieu entstamme, und er bat daher um Verständnis für schwierig anmutende Wörter, die er auf Nachfrage aber gerne erklären würde. Im Klartext: „Hallo! Ich bin der Lucius. Ich bin schweineintelligent. Ihr eher nicht.“ Der Vortrag selbst fand natürlich standesgemäß nicht etwa in einem schnöden elitären Salon, sondern in einer gemütlichen Malproperbude, dem linksalternativen Café Gegendruck, statt; einer regelrechten Insel der Emanzipation und Freiheit inmitten des reaktionär-romantischen Heidelberg.

„Multikulti“ suchte man unter der versammelten „linksalternativen“ Szene leider vergeblich; man trug seine „schöne weiße Haut“ (Teidelbaum) geradezu rassistisch zur Schau. Hier sollte dringlichst über eine Quote nachgedacht werden! Trotzdem (oder gerade deswegen?) hielt man auch hier an überkommenen Manieren fest und reichte mir einen Stuhl nach vorne, damit ich nicht auf dem kuschelig-lebendigen Teppichboden sitzen mußte.

Der Vortrag, der sich nicht nur inhaltlich sondern auch optisch an einer Powerpointpräsentation aus der Mittelstufe orientierte, gab einen ersten Überblick über die Erscheinungsformen der Neuen Rechten und ihrer Institutionen sowie über ihre Herkunft und Vordenker. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei der Identitären Bewegung zuteil. Im Groben und Ganzen eine passable Feinderkennung seitens Teidelbaums, auch wenn ihm an einigen Stellen arge Schnitzer unterliefen, an die man eigentlich den Rotstift hätte ansetzen müssen. Diese Stellen jedoch zu finden, soll Teidelbaums „Rechercheleuten“ überlassen bleiben. Schließlich möchte man auf diesem Wege niemanden in die Arbeitslosigkeit befördern.

Unter Verruf geriet die neurechte Amerikakritik, die zwar inhaltlich berechtigt, aber faktisch falsch sei, da nicht links. (Schließlich geht es in der Politik nicht um Wahrheit, sondern um Macht.) Dankenswerterweise erklärte der Referent noch, daß Europa und Deutschland in den siebziger Jahren in Ost und West geteilt waren, verlangte dem Publikum aber dennoch auch einiges an Allgemein- und Fachwissen ab: So mußte es selbständig Bud Spencer und einen blauen Außerirdischen aus James Camerons Avatar erkennen und benennen, was dann aber auch souverän gelang. Glanzvolle Höhepunkte von Teidelbaums Vortrag waren zwischen einigen „Glaube ich“ die unzähligen frankophonen Sprachverirrungen wie das Gesabbel vom Vordenker „Along de Benoist“ [sic!] oder der Partei „Frong National“ [sic!]. Spätestens hier mußte jedem klar sein, daß man es mit einem Akademiker zu tun hatte.

Einen der eigenen Szene ähnelnden Symbol- und Ikonenfetisch bewiesen Referent und Publikum beim gemeinsamen begeisterten Rätselraten über die Herkunft neurechter Symbolik und Vordenker. Daß Faszination aber nicht gleichzusetzen sein muß mit Wissen, bekamen Niccolò Machiavelli und Ernst Jünger zu spüren (siehe Bild). Durchweg engagiert zeigte man sich, überall eine Nähe zum Nationalsozialismus zu konstruieren, so daß aus einem einfachen Keltenknoten auch mal eben schnell ein Hakenkreuz wurde. Die tägliche Dosis „Hitlerin“ (Lichtmesz) darf eben nicht fehlen!

heidelberg

Das mit dem dicken Schnauzer ist Nietzsche. Links daneben müsste Ernst Jünger [sic!] sein. Mitte weiß ich nicht. Der Glatzkopf ist Spengler. Sein Hauptwerk, „Untergang des Abendlandes“, so ein dickes Buch. Und rechts ja ähh … – Lucius Teidelbaum, Gütesiegel „Rechtsextremismusexperte“.

Aber es gab auch Lehrreiches: Anhand der frappierenden Ähnlichkeit eines Titelbildes des Magazins Der Spiegel mit einem Wahlplakat der Republikaner weiß ich nun, daß sogar diese Zeitschrift „rechtsextremes Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft transportiert“. Wer nun aber immer noch an den mannigfaltigen Fähigkeiten Teidelbaums, der nach eigenem Bekunden binnen einer Stunde einen Aufsatz auf Sezession-Niveau zustande bekommt, zweifelte, ließ sich vielleicht dadurch umstimmen, als er vom Referent eine Weltpremiere präsentiert bekam: zwei digitale Fotographien, die mittels eines geheimen augenoptischen Verfahrens aufwändigst miteinander abgeglichen worden waren, so daß Fußboden und Wandverkleidung einer anonymen identitären Zelle als Innenraumausstattung einer Burschenschaft identifiziert werden konnten. Lob und Anerkennung an das Rechercheteam! Bezahlt das eigentlich auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung?

Zwar erweckte Teidelbaum den Anschein, zwischen verschiedenen („extrem“) rechten Strömungen zu differenzieren, aber die Einrahmung seines Vortrags in ein Mimikryzitat zu Beginn und eine braune Mülltone als Schlußbild seiner Präsentation zeigen deutlich, daß es damit nicht weit her ist. Dementsprechend fiel der Rest von Teidelbaums Vortrag auch so aus: „Blablabla. Rechtsextrem. Blablabla. Grauzone. Blub. NPD. Blabla. Völkisch. Nährboden. Bibabu. Nationalsozialismus.“ (frei nach Carlo Clemens) „Ich muß sagen, daß es heute nur sehr wenige Linke gibt, die man ernstnehmen kann, also die man auch intellektuell ernstnehmen kann.“ (Martin Lichtmesz) Von diesen sehr Wenigen scheint sich jedenfalls keiner nach Heidelberg verirrt zu haben.

Teidelbaums Fazit, dem ich unbedingt zustimmen will, lautet: Setzt Euch inhaltlich mit der Neuen Rechten auseinander! Und ich will hinzufügen: „Erschrick nicht, wenn Du feststellst, daß Du konservativ bist.“ (Karlheinz Weißmann)

(Bildquelle:  hier)

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