Anstoß

Notizen zur Renten-Debatte

In Recherche D, Heft 8, mit dem Schwerpunkt „Marktwirtschaft und Sozialpolitik“ plädieren wir dafür, daß diejenigen, die es können, länger arbeiten sollten, damit diejenigen, die es nicht mehr können, menschenwürdig unterstützt werden können.

Wir haben damit in der Rentendebatte eine Position bezogen, die sich an anderen europäischen Staaten orientiert, in Deutschland jedoch bisher unbesetzt blieb, weil die Popularisierung des Vorschlags im Wettbewerb der Parteien schwierig sein dürfte.

Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland zeichnet sich derweil ein Ergebnis der Diskussion innerhalb der AfD über die Rente ab. Ein interfraktioneller Arbeitskreis habe sich darauf verständigt, an der gesetzlichen Rentenversicherung festzuhalten und diese sogar noch weiter zu stärken.

So sollen zukünftig Politiker und Selbständige eine gesetzliche Pflichtversicherung für ihre Altersvorsorge abschließen müssen. Abgemildert wird dieser Vorschlag durch eine Ausstiegsklausel für Selbständige. Beamte hingegen sollen ihren Sonderstatus behalten.

Unsere Meinung zu diesem Kompromiß möchten wir in Notizen festhalten, die bis zum Erscheinen von Heft 9 Anfang Mai ständig aktualisiert werden:

  1. Wir leben in einer „Ära der Postkulturalität“ (Alexander Grau). Das heißt: Unserer Gesellschaft sind die verbindlichen Normen abhanden gekommen. Die Egoismen überwiegen. Für die Rentendebatte bedeutet dies: Die Mehrzahl der Bürger wird nicht auf Vorschläge und Ideen warten, die gut für das Land sind. Sie schielen vielmehr auf persönliche Vorteile und dürften sich für Parteien entscheiden, die diese in Aussicht stellen.
  2. Hinzu kommt der demographische Niedergang. Folgt man der nach wie vor gültigen Mackenroth-These, „daß aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muß“, führt an einer Senkung der Rentenansprüche oder einem späteren Renteneintrittsalter kein Weg vorbei. Wer nun, wie der sozialpatriotische Flügel der AfD behauptet, dieses Gesetz ließe sich außer Kraft setzen, indem sich Deutschland um eine demographische Wende bemüht, verkennt eine ganz zentrale Tatsache: Ein Geburtenaufschwung sorgt zunächst für einen Anstieg des Sozialaufwandes, weil die vielen neuen Kinder ja erst großgezogen werden müssen und eine Schule sowie eventuell eine Universität besuchen. Weder der Fachkräftemangel noch die Rentenproblematik lassen sich also kurz- oder mittelfristig über die Demographie lösen, sondern nur langfristig, womit die Frage weiterhin bleibt, wie die Rente bis dahin finanziert werden soll.
  3. Eine komplette Privatisierung der Altersvorsorge und Beschränkung des Staates auf eine bedarfsorientierte Mindestsicherung für alle wäre eine gute Lösung für umsichtige, intelligente und verantwortungsbewußte Bürger. Sie sind in der Tat in der Lage, sich selbständig frei zu entscheiden, ob sie über Aktien, Immobilien oder eine bestimmte Versicherung für das Alter vorsorgen wollen. Die Deutschen sind jedoch in ihrer Gesamtheit ein „Volk der Aktienmuffel“. Dies gilt es zur Kenntnis zu nehmen. Eine Privatisierung der Altersvorsorge würde deshalb mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Macht der beinahe monopolistisch auftretenden Vermögensverwalter, deren Agieren in den letzten Jahren kritisch zu hinterfragen ist (dazu mehr in Heft 9), exorbitant steigern. Wir stehen damit vor der Entscheidung zwischen Pest und Cholera: Wem sollen wir mehr vertrauen? Einem Staat, der dieses Vertrauen dann für ideologische Projekte mißbraucht? Oder einer Branche, die mittlerweile weit entfernt ist vom Berufsethos der alten „Deutschland AG“?
  4. Die Idee, Selbständige in die gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen, ist sehr gefährlich. Schon heute zählt Deutschland bei den Existenzgründern im internationalen Vergleich zu den Schlußlichtern. Kommt nun eine weitere Pflichtversicherung hinzu, dürfte dies noch mehr potentielle Gründer abschrecken, denn gerade in den ersten Jahren kämpfen Unternehmensgründer um jeden Cent. Unbedacht bleibt bei dieser Idee auch, daß Selbständige im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Beamten (!!!) Arbeitsplätze schaffen und einen Unternehmenswert aufbauen. Der mögliche Verkauf des Unternehmens ist ein Renten-Äquivalent.

Hier geht es zu Recherche D, Heft 8, mit unseren eigenen Vorschlägen zu einer notwendigen Rentenreform.

(Bild: Pixabay)

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