Gesichtet

Orientalische Märchen und historische Fakten zum Islam (III)

In Teil 3 der Beschäftigung mit Mythen über den Islam geht es um den kulturellen Einfluss des Islam sowie die angebliche Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz.

Mythos 5: „Der Islam hat zur Vermittlung der antiken Philosophie an die christlich-abendländische Zivilisation beigetragen.“

Dieser Mythos ist besonders unter (Halb-)Gebildeten beliebt. Das geht so weit, dass der Islam zu einer Quelle der europäischen Aufklärung erklärt wird (vgl. Christoph von Wolzogen: „Der Islam und die Quellen der Aufklärung“, erschienen am 23. April 1991 in der „Neuen Zürcher Zeitung“). Auch hier hängt die Bewertung wesentlich von der Frage ab, ob die angebliche Blütezeit der Wissenschaften (vgl. Mythos 4) wirklich eine islamische oder vielmehr eine christlich-arabische war.

Sicher ist jedoch: Viele jener Philosophen und Wissenschaftler, die der Islam für sich reklamiert, waren keine Muslime – oder sie wurden es erst unter dem Druck islamischer Eroberungen.

Exemplarisch ist die Geschichte des berühmten Avicenna (Ibn Sina, 979-1037), der als Sohn eines Hofbeamten der buddhistischen Samniden in Balch (heute in Afghanistan) aufwuchs. Ein zum Islam übergetretener Turk-Stamm eroberte das Reich der Samniden, Avicenna war zur Flucht und dann zur Anpassung an die islamischen Herrscher gezwungen. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass er Muslim war. Der Islam darf seine wissenschaftlichen Leistungen nicht für sich reklamieren (vgl. Pressburg, 165-169).

Generell verstand es der Islam, die Eliten unterworfener Völker für sich einzuspannen (vgl. Kleine-Hartlage, 176-178). Averroes hingegen, der tatsächlich einen gewissen Einfluss auf die mittelalterliche Philosophie Europas ausübte (vgl. Flasch, 159-175), war von Geburt an Muslim. Wie bereits erwähnt, wurde er verurteilt und musste dem Druck der Orthodoxen weichen.

Der Islam wurde im Laufe seiner Geschichte immer wissensfeindlicher. Der Keim für diese Entwicklung wurde bereits in den Anfängen gelegt: „Mit der Etablierung des Korans folgte auf dem Fuß die Unterdrückung anderer Bücher, eine Unterdrückung, die sehr bald in ein totales Verbot mündete. […] Lange Zeit stand auf das Lesen nichtislamischer Bücher die Todesstrafe, im günstigsten Fall war der Besitz anderer Bücher verachtet.“ (Pressburg, 221) Mehr noch: „[W]ir wissen heute, dass eine Zensur und Büchervernichtung größten Ausmaßes stattfand.“ (Pressburg, 138)

Im 17. Jahrhundert wurde der wissenschaftliche und technische Vorsprung der christlich-abendländischen Zivilisation gegenüber der islamischen offensichtlich. Der Islam musste spätestens dann den Preis für seine Unterdrückung der freien Forschung zahlen.

Wenn einzelne Gelehrte im arabischen Kulturraum des (frühen) Mittelalters die Rezeption und Weiterentwicklung der antiken Philosophie wagten, dann nicht wegen, sondern trotz des Islam.

Mythos 6: „Das maurische Spanien mit seinem kulturellen Zentrum Córdoba war ein Hort der Toleranz, in dem die drei Monotheismen friedlich koexistierten.“

Bereits in den Anmerkungen zu Mythos 1 wurde auf die Schwierigkeiten einer friedlichen Koexistenz der drei Monotheismen hingewiesen. Im maurischen Spanien lässt sich die Probe aufs Exempel der historischen Realität machen. Hier mussten die drei Monotheismen sich miteinander arrangieren. Glaubt man den Märchen, die in den Köpfen vieler herumspuken, dann ist das den drei Religionen vorbildlich gelungen, und Andalusien war besonders unter muslimischer Herrschaft ein Hort der Toleranz.

Bedauerlicherweise sah die historische Wirklichkeit ganz anders aus: „In al-Andalus herrschte keine Toleranz. Es herrschte Hauen und Stechen. Und wo dies pausierte, herrschte Apartheid, ausgeübt von der Seite, die politisch gerade in der Lage dazu war.“ (Pressburg, 216)

So drangen die arabischen Eroberer im achten Jahrhundert bis nach Santiago de Compostela vor – selbstverständlich nicht durch friedliche Missionierung, sondern durch das Schwert. Dann begann mit der „Reconquista“ ein langer Schrumpfungsprozess des arabischen Herrschaftsgebietes. Im 14. Jahrhundert war davon nur noch das Gebiet um Granada übrig.

Was Pressburg mit „Apartheid“ meint: Juden und Christen mussten sich unter islamischer Herrschaft – wie nicht nur in Spanien üblich – mit dem Status von Bürgern minderen Rechts („Dhimmis“) abfinden und eine Schutzsteuer entrichten. Gerieten Muslime unter christliche Herrschaft, ging es ihnen meist nicht viel besser, viele entschieden sich für die Auswanderung.

Zwischen den Fronten stand die Minderheit der Juden, die häufig unter dem Druck von Verfolgungen zu leiden hatte – ob nun unter christlichen oder unter islamischen Herrschern. „Hauen und Stechen“ trifft also die historische Wirklichkeit weitaus besser als der Mythos von al-Andalus als einem Hort der Toleranz. Und wie es um die Wissenschaften in al-Andalus stand, das zeigt das bereits erwähnte Schicksal des Averroes.

Literatur

Flasch, Kurt: Kampfplätze der Philosophie. Große Kontroversen von Augustinus bis Voltaire. 2. Aufl. Frankfurt a. M.: Klostermann 2009.

Kleine-Hartlage, Manfred: Das Dschihadsystem. Wie der Islam funktioniert. Gräfelfing: Resch 2010.

Pressburg, Norbert G.: Good Bye Mohammed. Das neue Bild des Islam. 3., überarbeitete Aufl. Norderstedt: Books on Demand 2012.

Resch, Ingo: Islam und Christentum. Ein Vergleich. Gräfelfing: Resch 2011

Spaemann, Robert: Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschung der Moderne. 7. Aufl. Stuttgart: Klett-Cotta 2014.

(Bild: Pixabay)

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