Gesichtet

Patrioten Europas, vereinigt euch!

In Koblenz trafen sich gestern einige der derzeit wohl wichtigsten patriotischen Politiker Europas zu einem Kongreß. Wir waren dabei. Eine Reportage.

Schon am Bahnhof von Koblenz stehen sie: Dutzende Polizeibusse, davor Einsatzkräfte, die sich Schutzpanzer und Helme aufsetzen. Wenn man dann immer der Kolonne der Polizeiautos folgt, kann man den Weg zur Rhein-Mosel-Halle, wo sich heute die „rechtspopulistische Prominenz Europas“ versammelt, nicht verfehlen.

Sigmar Gabriel im Kampf gegen rechts

Auf der Straße vor der Halle hockt ein Häuflein Antifanten, daß mit dünnen Stimmchen ruft: „Nationalismus raus aus den Köpfen.“ Inzwischen formiert sich in der Koblenzer Innenstadt eine Protestdemonstration mit 3.000 Teilnehmern. Darunter: Sigmar Gabriel, Malu Dreier und Jean Asselborn. Die Polizei hält sie in Schach. Dann gilt es, zwei Sicherheitssperren zu überwinden. Aus Angst vor Anschlägen oder Übergriffen hat der Veranstalter zwei verschiedene Sicherheitsdienste gebucht, die die Besucher doppelt filzen.

Wer es bis hierher geschafft hat, soll Zeuge der Gründung einer „Europäischen Internationale der Nationalisten“ werden, wie später die ZEIT schreiben wird. Richtig ist, daß Marcus Pretzell als AfD-Europaabgeordneter und seine Frau Frauke Petry als Sprecherin der AfD die Spitzenrepräsentanten aller im EU-Parlament vertretenen rechtskonservativen oder nationalliberalen Parteien zum ENF-Kongreß nach Koblenz eingeladen hatten. Diese Parteien sind im EU-Parlament in der ENF-Fraktion vereint – für ein „Europa der Nationen und der Freiheit“. Und so treffen sich an diesem kalten Wintertag Marine le Pen (Front National), Matteo Salvini (Lega Nord), Harald Vilimsky (FPÖ), Geert Wilders (Partij voor de Vrijheid) und Gerolf Annemans (Vlaams Belang). Die Veranstalter – Pretzell und Petry – erhoffen sich von diesem Kongreß Rückenwind für die kommende Bundestagswahl. Vom Bild einer europaweit geeinten rechtsliberalen Fraktion soll Symbolwirkung ausgehen.

Kritik von Jörg Meuthen am Kongreß

Doch bereits vor Veranstaltungsbeginn meldet sich Jörg Meuthen, der zweite Sprecher der AfD mit Kritik zu Wort: Der Koblenzer Kongreß, so Meuthen, sei keine AfD-Veranstaltung. Nur der AfD-Parteivorstand könne nach vorheriger Konsultation mit der Basis über europapolitische Allianzen der AfD entscheiden, nicht jedoch zwei Landesvorsitzende in selbstherrlichem Alleingang. Doch an solchen legalistischen Feinheiten hat heute niemand Interesse: Sowohl die Presse als auch die ausländische Prominenz geht selbstredend davon aus, daß der Koblenzer Kongreß der AfD-Leitlinie folgt.

Deshalb sitzen dann 1.000 Gäste und 350 Journalisten und warten auf den Beginn. Mit einer halben Stunde Verspätung ist es dann soweit: Das Licht geht langsam aus, aus den Boxen dringen hämmernde Bässe und die Scheinwerfer richten sich auf den Eingang der Halle. Frauke Petry neben Marine Le Pen und Geert Wilders neben Matteo Salvini – so ziehen die vier in die Halle ein, zu den Klängen von Disneys „Löwenkönig“ und gefolgt von einem Troß junger Fahnenträger.

Perfekte Choreographie

Das Publikum jubelt und schwenkt begeistert die Schilder mit den Namen der Politprominenz. Die ganze Veranstaltung ist perfekt choreographiert, nach amerikanischem Vorbild mit leichtem Drall ins Kitschige. Sie wirkt wie ein Gegenbild zu der Veranstaltung im Dresdener Ballhaus, auf der Björn Höcke preußische Zucht, asketische Strenge und Kampfgeist gefordert hatte. Zwar betont jeder Redner in Koblenz, daß nun die Herrschaft der linksliberalen Eliten am Ende sei und das Volk wieder regieren müsse, doch eine Beteiligung der Zuschauer ist hier weder vorgesehen noch erwünscht.

Als Pretzell die erste Rede hält, wird ein Zwischenrufer, der sich über die Solidaritätsbekundung zu Israel beschwert, ruppig aus dem Raum getragen. Pretzell begrüßt ausdrücklich die vielen Journalisten. Im Vorfeld hatte die Presse dagegen kritisiert, von der Veranstaltung ausgeschlossen worden zu sein, was der Pressefreiheit zuwiderlaufe. In der Tat hatten sich die Veranstalter mit der Presse-Akkreditierung Zeit gelassen und so den Vorwurf der Zensur bewußt heraufbeschworen. Dies mag ein geschickter Schachzug gewesen sein, denn das Medieninteresse am Koblenzer Kongreß war somit unwahrscheinlich groß.

Realpolitik mit dem Front National?

Den FAZ-Journalisten Justus Bender begrüßt Pretzell persönlich. Dieser habe sich zum Kongreß juristisch einklagen wollen, habe aber den Prozeß verloren und sich dann anders eingeschlichen. Daraufhin schallt es in der Halle „Lügenpresse, Lügenpresse“. Pretzell wendet sich an seine innerparteilichen Gegner, die seinen Schmusekurs mit Marine Le Pen aus wirtschaftspolitischen Gründen kritisieren: „Es ist verständlich, daß Frankreich andere Wirtschaftsinteressen hat.“ In Richtung der Anhänger von Björn Höcke betont er dagegen: „Wir müssen Realpolitik betreiben.“ Es gelte, einige Fehlentwicklungen in Europa wieder zurückzudrehen.

Anschließend betritt Marine Le Pen unter großem Jubel die Bühne. Sie umschifft elegant alle  Reizthemen, darunter ihre aus deutscher Sicht viel zu linkslastige Wirtschaftspolitik, betont aber, daß nicht alle Länder die gleiche Wirtschaftspolitik verfolgen könnten. Dafür seien die Völker zu verschieden und nicht austauschbar. „Wir erleben das Ende einer Welt und die Geburt einer neuen – die Rückkehr der Nationalstaaten. Ich liebe Deutschland, weil es deutsch ist. Ich liebe Frankreich, weil es französisch ist. Patriotismus ist die Idee der Zukunft.“

Patriotischer Völkerfrühling in Europa

Geert Wilders hält seine Rede in fließendem Deutsch. Unter großem Beifall ruft Wilders in die Halle: „Wir stehen vor einem neuen patriotischen Völkerfrühling in Europa.“ Politiker aller Parteien würden die Islamisierung befördern. 1989 hätten alle Europäer von offenen Grenzen geträumt, doch damals wäre es nicht absehbar gewesen, welche Bedrohung für die Identität der Völker aus offenen Grenzen erwachsen könne. „Es zerreißt uns das Herz, daß wir fremd im eigenen Land geworden sind. Wir wollen bleiben, was wir sind – frei, demokratisch und stolz auf unsere Kultur.“ 2017, so Wilders, werde das Jahr des Volkes, in dem die Menschen Westeuropas langsam erwachen.

Matteo Salvini berichtet vom Erdbeben in Italien. Tausende Italiener seien obdachlos geworden, doch sie fänden keine Bleibe – weder in staatlichen Notunterkünften noch in privaten Hotels, weil diese alle von illegalen Afrikanern belegt seien. Der Unmut der Italiener auf die liberalen Eliten nehme zu, was auch an der hohen Jugendarbeitslosigkeit läge. Salvini fordert zudem, das „teure Euro-Experiment“ zu beenden.

Petry: Politiker wollen bindungslose Individuen statt starke Völker

Nachdem Harald Vilimsky (FPÖ) Grüße von HC Strache und Norbert Hofer überbracht hatte, sprach Frauke Petry. Sie verwies darauf, daß die linksliberalen Eliten versuchten, die Menschen in eine verlogene und ungeliebte Fortschrittsgläubigkeit zu zwingen, der zufolge es keine Geschlechter, keine Völker und keine Kulturen mehr gebe. „Politiker wollen keine Völker mehr, sondern bindungslose Individuen, die sich untereinander mischen lassen. Deshalb steht die Umwandlung der Völker und ihre Durchmischung auf dem Plan.“ Doch diese Vorhaben geraten nun unter größeren Rechtfertigungsdruck. Der Nationalstaat werde für längere Zeit der gesetzliche Rahmen bleiben, um die Rechtsstaatlichkeit zu schützen. Frauke Petry beschloss ihre Rede unter großem Beifall mit dem Versprechen, die AfD werde die von Helmut Kohl 1982 versprochene „geistig-moralische Wende“ als Rückabwicklung von 1968 endlich einlösen.

Nötig ist diese Wende allemal. Aber es wird jetzt endlich Zeit, daß sie nicht wieder zur Floskel verkommt.

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