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Popp-Kultur und Hirn-Implantate. Feministischer Porno zahlt es den fiesen Männern endlich heim

In der aktuellen Intro erschien ein Porno-Artikel: „Feministisch Ficken“. Der ist an Nichtwissen und Selbstgefälligkeit nicht zu überbieten. Die knallrote Verena Reygers weiß nicht, wovon sie spricht, obwohl sie selbst eine Frau ist, was ja an sich schon eine enorme und selbstbestimmte Leistung darstellt. Das gängige Muster Frau = gut, Mann = böse wird von ihr abgewandelt zu: Männliche Lust = böse, weibliche Lust = gut. Sie begleitet die schwedische Porno-Regisseurin Erika Lust bei einem Drehtag. Die Darsteller bekommen mehr Geld als üblich, am Set fiel Reygers die entspannte und nette Atmo auf. Croissants und Sekt und so. Denn bestimmt hat sie schon ganz viele andere Drehtage bei normalen, US-amerikanischen Pornolabels mitgemacht, um das vergleichen zu können. Denn dort leben die weiblichen Darsteller ja sonst an Ketten in Käfigen und werden von den männlichen Regisseuren mißhandelt. (DIESE MÄNNLICHEN SCHWEINE!)

Aber: Erika Lust dreht auch Filme mit den üblichen Großaufnahmen, Lust fordert von den Darstellern auch ständige Stellungswechsel, Lust dreht auch Cumshots. Reygers schreibt das alles auch irgendwie selbst auf, nur scheint das egal, denn Erika Lust ist ja eine Frau und deshalb ist alles was sie tut, automatisch feministisch und gut. Es kann gar nicht anders sein. Und Punkt.

Reygers versucht, das Ansinnen der Regisseurin schönzureden, so als gehe es nicht auch hier nur ums harte Geld, wie überall im Business. Erlaubt sei, was sich organisch zwischen den Darstellern ergebe, eben gern auch mit Cumshot, denn Lust will, daß sich Frauen diese Filme zur Selbstbefriedigung und zur Befreiung (vom Mann, dem Drecksack) ansehen: „Ich finde, Pornografie ist eine großartige Gelegenheit, sich und seine Sexualität besser kennenzulernen, sich zu erregen, ohne all diese christlichen Ideen von Scham zu empfinden.“ Damit befindet sie sich etwa auf dem Aufgeklärtheitslevel 1950.

In ihren Filmen gehe es außerdem um „Slow-Sex“ (obwohl die Autorin wie gesagt betont, daß Lust die Darsteller permanent zu Stellungswechseln auffordert) und vordergründig um die weibliche Lust, die im Mittelpunkt stehe und die ja sowieso vollkommen getrennt und isoliert von der männlichen existiert und dem Grunde nach etwas diametral anderes will. Und außerdem stellt sie  die kluge und überhaupt nicht affektierte „feministische“ Gruppe PorYes vor, die mittlerweile alle zwei Jahre einen europäischen Preis für feministische Pornos auslobt, die „Auster“ – weil die wie eine Muschi aussieht.

Das eigentliche Problem umgeht Verena Reygers galant: Man ist nicht automatisch ein Loser und schon gar nicht verklemmt, stellt man Pornos in Frage. Die niederschwellige Zugänglichkeit und die unreflektierten Sehgewohnheiten aller Nutzergruppen, seien sie 12 oder 72 sind ganz einfach die Probleme. Man kann sagen was man will: Niemand bleibt von solchen Filmen unbeeindruckt. Pornographie erzeugt Bilder, Denkmuster und Wahrnehmungsmechanismen im Unterbewußtsein, gegen die sich niemand wehren kann. Pornographie entwertet die sexuelle Partnerschaft, egal, ob eine Frau Regie führt oder ein Mann. Pornographie entmündigt die Partner. Reygers denkt, man kann das Problem der Porno-Allover-Kultur damit zurechtreden, in dem man sagt, daß Pornos gut sind, solange nicht wie aus der Konserve „Fuck me!!!“ geschrien wird  und die Silikonkissen dazu im Takt wippen. Wenn „richtige“ Frauen „feministischen“ Sex vor der Kamera haben, dann sind ihre Konsumenten automatisch mündige und unabhängige Frauen.

Insofern liegt die im Text zitierte, Ich-schieb-mir-eine-Kamera-in-die-Muschi-„Aktionskünstlerin“ Annie Sprinkle vollkommen falsch, wenn sie meint: „Die Antwort auf schlechte Pornos sind nicht keine Pornos, sondern bessere Pornos.“ Richtig wäre: Der Gegenentwurf zur Pornographie ist Liebe und Wahrhaftigkeit unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Und eben weil Liebe und Wahrhaftigkeit nicht vom Himmel fallen, Pornos aber überall kostenlos zu haben sind, muß sich jeder Einzelne kritisch damit auseinandersetzen und sich fragen, was die Pornographie gerade mit ihm macht. Pornos ganz einfach abzulehnen und dazu keine belastbare Einstellung zu entwickeln, die beispielsweise auch mal den eigenen Kindern vermittelt werden könnte, ist genauso falsch wie die Ansicht, sie sei ein heute üblicher und chicer Bestandteil des Lebens. Denn irgendwie spielt es null Rolle, wenn irgendwelche Weltverbesserer gegen Kinderarbeit sind, solange sie selbst (plus der Rest der westlichen Welt) zu H&M rennen.

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