Schon seit mehreren Jahrzehnten geistert in der bundesdeutschen Politik der angebliche Völkermord an den Herero und Nama in der ehemals deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika umher. Nun also ist es raus: Es soll ein Völkermord gewesen sein. Und die Deutsche bitten – mal wieder – um Verzeihung.
Den betroffenen Verbänden der Nachfahren von Herero und Nama ist die Entschuldigung und die 1,1 Milliarden Euro indes nicht genug. Reparationen sollen her. Maximalforderung ist vorerst die unverschämt hohe Summe von einer knappen halben Billion Euro.
Direkt von Afrika nach Auschwitz?
Geschichtswissenschaftlich gesehen ist der Sachverhalt jedoch etwas komplizierter. Es ist nämlich gar nicht so leicht, die Forderung nach so viel Geld historisch zu untermauern, auch wenn sich der in der Öffentlichkeit dargestellte Sachverhalt des Völkermordes auf den ersten Blick geradezu aufdrängt. Exemplarisch ist hier die Aussagen des Journalisten Philip Ngunjiri vom Oktober 2002 zu nennen:
„Zwanzig Jahre lang waren deutsche Siedler straflos landeinwärts vorgedrungen, hatten Land und Vieh gestohlen, Frauen vergewaltigt, Männer gelyncht (…) Generalleutnant Lothar von Trotha (…) drückte die Herero-Guerillas und ihre Familien gen Norden an den Waterberg und griff sie dort von drei Seiten an. Nur einen Ausgang ließ er offen, den in die Omaheke. Als die Herero dorthin flüchteten, ließ er die Wasserlöcher vergiften, Streifenposten entlang einer 150 Meilen langen Strecke aufstellen und jeden mit dem Bajonette erstechen, der aus der Wüste herauskroch.“
Die African Unification Front beschreibt das Ausmaß der Gräuel ähnlich: „Die Frauen und Mädchen der Herero und Nama wurden in Konzentrationslager interniert, wo sie von den deutschen Truppen vergewaltigt wurden, während die Männer und Jungen gefoltert und ermordet wurden.“ Nur um den Faden fortzuspinnen: „Diese Art der Behandlung von Afrikanern wurde später auf Juden und andere Feinde des Nazi-Regimes in Deutschland angewandt. Von denselben Truppeneinheiten, die ihr tödliches Handwerk in Afrika durchgeführt hatten.“
Demnach führt also ein direkter Weg von den deutschen Schutzgebieten in Afrika nach Auschwitz. Die von den deutschen Truppen getöteten Afrikaner stehen damit in einer Reihe mit denen von den Nationalsozialisten ermordeten Juden. Und schon ist jeder ein Nazi und Auschwitzleugner, der differenziert argumentieren möchte.
„Tötet alle Deutschen“
Seinen Anfang nahm Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1883, als ein deutscher Kaufmann die ersten Teile dieser späteren Kolonie käuflich erwarb. Und obwohl dieser Landstrich zunächst wenig einladend erschien – es gab kaum fließendes Wasser und die reichen Bodenvorkommen waren noch gänzlich unbekannt – wurde es dennoch von deutschen Siedlern erforscht und urbar gemacht. Farmen wurden gegründet, mit Unterstützung der Einheimischen ein Post- und Eisenbahnverband installiert, Schonflächen für Großwild angelegt (die Grundlage für spätere Nationalparks) und 1891 sogar rund 2.000 Merinoschafe aus Australien importiert – auch heute noch eine Einnahmequelle des Landes.
Die Herero und Nama waren in den ersten Jahrzehnten deutscher Kolonialherrschaft keineswegs feindlich den Schutztruppen eingestellt. Dies änderte sich jedoch drastisch, als Anfang des 20. Jahrhunderts die Herero einen Großteil ihrer Rinder durch eine Seuche verloren. Einer der Hererohäuptlinge, Samuel Maharero, gab dafür den Deutschen die Schuld. Sein Aufruf: „Tötet alle Deutschen“ hatte die Massakrierung von 123 Missionaren, Siedlern, Händlern und deren Familien zur Folge. In der Folgezeit spitzte sich die Lage dramatisch zu und gipfelte am 11. August in der Schlacht am Waterberg. Hier aber setzt die Völkermordthese an.
Offiziösen Zahlen zufolge wurden im Zuge der Schlacht am Waterberg und der Vertreibung in die Wüste zwischen 40.000 und 60.000 Hereros zuzüglich rund 10.000 Nama von den deutschen Truppen niedergemacht. Peinlich nur, dass diese Zahlen komplett an der historischen Realität vorbeigehen. Der Missionar Friedrich Bernsmann schätzte damals die Gesamtzahl der Herero kurz vor dem Aufstand auf rund 35.000. 23.000 bis 25.000 hätten laut ihm aber die Aufstände überlebt.
Verfechter der Völkermordthese beziffern die Größe der Herero-Streitmacht am Waterberg unter dem damals kriegführenden Oberhäuptling Samuel Maharero auf 4.000 bis 4.500 Krieger. Der britische Historiker G.L. Steer hingegen geht in seinem 1939 erschienenen Werk „Judgment of German Africa“ von einer rund 2.500 Gewehren starken Herero-Streitmacht aus.
Selbst wenn man jene gigantische Zahl von 4.500 Herero-Kriegern annimmt und des Weiteren rechnet, dass auf jeden Krieger noch einmal fünf oder sechs unbewaffnete Familienangehörige kommen, dann waren im August 1904 am Waterberg allerhöchstens 30.000 Hereros versammelt. Hier gesteht man Samuel Maharero allerdings schon wohlwollend zu, alle Stammesgenossen unter seiner Fahne versammelt zu haben, was bei der kleingliedrigen Stammesstruktur dieser eingeborenen Völker stark zu bezweifeln ist. Steer zufolge waren es wohl nur 12.000. Nimmt man den Mittelwert dieser beiden Extreme, so kann man etwa 21.000 Herero am Waterberg als realistische Ausgangsbasis hernehmen.
Riesiges Gebiet mit 1.600 Soldaten eingekesselt – Wie soll das gehen?
Der Kernpunkt der Völkermordsthese besteht darin, dass die deutschen Schutztruppen nach den gewonnenen Gefechten am 11. August 1904 die verbliebenen Hereros in die Omaheke getrieben hätten. Von einer Verfolgung im eigentlichen Sinne kann aber kaum gesprochen werden. Und auch wird es den 1.600 deutschen Soldaten nicht einmal im Ansatz gelungen sein, ein derart riesiges Gebiet einzukesseln und jeden Herero aufzuspüren, zumal letztere die Umgebung deutlich besser gekannt haben werden als die Schutztruppen.
Die Deutschen sind also allenfalls auf den Spuren der Hereros geblieben, teilweise mit mehreren Wochen Verzögerung. Dafür spricht, dass Osombo Windimbe, wo die Hereros zunächst nach der Schlacht flüchteten, etwa 220 Kilometer vom Waterberg entfernt und zu Fuß in etwa sieben bis neun Tagen zu erreichen war. Generalleutnant von Trotha und seine Truppen kamen allerdings erst zwei Monate nach der Schlacht hier an. Hier richtete der Generalleutnant auch seinen berüchtigten „Aufruf an die Hereros“, dürfte dabei allerdings nur noch einige wenige Nachzügler vorgefunden haben.
Der Häuptling Samuel Maharero und seine Gruppe befand sich indes seit einer Woche rund 300 Kilometer weiter nordöstlich im britischen Hoheitsgebiet. Neben den Hereros, die sich ins britische Territorium abgesetzt hatten, müssen weitere tausende im südwestafrikanischen Busch untergetaucht sein. Noch anderthalb Jahre nach der Schlacht am Waterberg trafen deutsche Schutztruppen auf hunderte Hereros, die keineswegs rastlos durch die Gegend streiften, sondern in ihren Werften ein souveränes Leben führten.
Ein Divisionspfarrer erzählt …
Es ist sicher außer Frage, dass viele der Herero und Nama auf ihrer Flucht ins britische Betschuanaland in der Wüste verdursteten, wie viele, bleibt wohl für immer ungeklärt. Ein vorsätzlicher Genozid lässt sich aus den Quellen dennoch auch nicht mit viel Fantasie ableiten. Der damals dort stationierte Divisionspfarrer Max Schmidt erinnerte sich später an eine Begebenheit vom September 1904, also mitten in der angeblichen Verfolgung der Hereros:
An einer Wasserstelle hockte eine „Anzahl Gefangener: einige Männer, mehrere Weiber und Kinder. Die Weiber tragen Kleidungsstücke, die offensichtlich den bestohlenen Läden oder Schränken geplünderter Farmen entstammten (…) Die Gefangenen wurden vernommen, ihnen aber kein Haar gekrümmt – genau wie ich´s stets in diesen Wochen erlebt habe. Ich sah sogar, daß abgehungerte Gefangene gesättigt und, wenn es Weiber oder alte Männer waren, unbehelligt entlassen, ja, vor der Hinterlist unserer eingeborenen Treiber und Bambusen, die den Gefangenen solche Schonung mißgönnten, mit allem Nachdruck beschützt wurden. Oftmals sah ich Hererojungen, die von ihren flüchtigen Angehörigen in der Werft zurückgelassen waren, und nun vergnügt bei der Truppe kleine Dienste taten. Sie litten keinen Hunger, und unsere Ärzte nahmen sich ihrer an.“
Während des Hereroaufstandes war auch der britische Militärattaché Colonel Trench vor Ort. Mehrere Monate war er mit dem deutschen Hauptquartier direkt an der Front und demnach Zeuge von Kampfhandlungen gewesen. Man müsste meinen, er hätte seinen Vorgesetzten über jenen angeblichen Genozid Bericht erstattet. In den Unterlagen finden sich aber keinerlei Dokumente, die auch nur den geringsten Hinweis darauf geben würden, dass die deutschen Schutztruppen derartiges verbrochen hätten.
Tiefer Respekt vor Deutschen
Warum hätte der britische Militärattaché den Völkermord verschweigen sollen? Vielmehr ist wahrscheinlich, dass es schlicht nichts Derartiges zu berichten gab. Zu guter Letzt liegen genug Hereroquellen vor, die die allgemeine humane Einstellung der kaiserlichen Truppen anerkennen. Auch hier ist nichts von derlei Gräueltaten zu lesen.
Zum Schluss soll noch die Aussage des ehemaligen Herero-Chefs Clemens Kapuuo gestellt sein, die er gegenüber einem Journalisten der Tageszeitung Die Welt Ende der 70er-Jahre in einem Interview auf die Frage hin, was er eigentlich bezüglich des angeblichen Völkermordes den Deutschen gegenüber fühle, getätigt hatte:
„Wissen Sie, das ist eigentlich Unsinn. Wir sind zwei Kämpfervölker, die besten hier in Südwest. Wir haben damals gegeneinander gekämpft, Ihr seid die Stärkeren gewesen. Gewiß, viele von uns starben auf der Flucht durch die Wüste – aber was soll das? Man sollte vermeiden, in alten Gräbern zu wühlen, da kommt nie eine Zukunft heraus. Schauen Sie sich heute meine Herero an. Die ziehen sich heute noch bei merkwürdigen Sonntagsübungen alte deutsche Uniformen an, haben Dienstränge, Leutnanti, Oberleutnant, Hoppmann, Majora. Sie tragen sogar die Affenschaukel, die Schulterbänder der deutschen Generalstäbler. Im Grunde haben wir einen tiefen Respekt vor den Deutschen.“