Anstoß

Vom Einen und Trennen

Es ist ein altes Thema: „Die AfD und ihr Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber den Identitären: Ist er richtig?“ fragte zuletzt Timur Ilgur an dieser Stelle.

Für diejenigen, die angesichts des altbackenen Themas noch nicht direkt weiterklicken, breitete der Autor das Standardsammelsurium an Argumenten aus, um dann zum Schluss zu kommen: „Wieso die Unvereinbarkeit zwischen AfD und IB richtig ist“. Gut, dann noch einmal von vorne.

Die AfD – die Problematik mit dem Verfassungsschutz

Jeder, der ein wenig über die Alternative für Deutschland (AfD) recherchiert, weiß, dass sich die Partei fast schon so lange, wie es sie gibt, mit dem richtigen Umgang mit dem „rechten Rand“ im Allgemeinen, mit den Identitären im Besonderen, herumschlägt. Wer dachte, dass das Thema mit dem Weggang von Chefintrigantin Frauke Petry an Relevanz verlieren würde, irrt: Seit zwei Landesverbände der AfD-Nachwuchsorganisation nun – genau wie die Identitäre Bewegung – unter Beobachtung durch die jeweiligen Verfassungsschutzämter gestellt wurden, kocht alles wieder hoch.

Nicht selten wird dann auch noch dem zu laschen Umgang mit den Identitären die Schuld an der Misere gegeben. Dementsprechend fällt Ilgar in seinem Beitrag auch als erstes das als Argument ein: Durch eine fehlende Abgrenzung zur IB würde man sich nicht mehr lange der Beobachtung durch die Geheimdienste entziehen können.

An der Realität geht das freilich vorbei: Man müsste schon ausgesprochen gutgläubig sein, um dem Verfassungsschutz keinen bösen Willen zu unterstellen, wenn er diese oder jene Gruppe unter Beobachtung stellt. Oder umgedreht: Wenn der Inlands-Nachrichtendienst künftig einen AfD-Landesverband überwacht, dann wird das schon richtig sein – schließlich leben wir ja in einem Rechtsstaat.

Das trifft den Kern der Sache nun ganz und gar nicht: Je mehr Prozente die AfD holt, je fundamentaler sie sich den Altparteien entgegensetzt, desto vehementer werden diese ihre ihnen noch bleibende Machtposition ausnutzen und alle Hebel in Gang setzen, um ihre Schäfchen doch noch ins Trockene zu bringen. Wer also nicht der neue Steigbügelhalter für CDU/CSU als Juniorpartner in irgendwelchen Landesparlamenten sein möchte, braucht sich nicht wundern, dass die Noch-Regierenden auch die Geheimdienste als politisches Instrument einsetzen.

Oder, nochmal kurz zusammengefasst: Mit inhaltlichen Punkten hat eine drohende VS-Beobachtung der AfD nichts zu tun – es ist reine Taktik, um das ebenso altbekannte Spiel vom Übers-Stöckchen-Springen zu zelebrieren.

Argumente aus dem Establishment-Handbuch

Der nächste Punkt Ilgars klingt ebenfalls, als wäre er aus dem Handbuch für Presseformulierungen aus dem Bundesinnenministerium übernommen: Es geht wieder mal um das leidige Thema der NPD-Vergangenheit einiger IB-Aktivisten. Hätte der Autor sich das Thema zu Herzen genommen, recherchiert und so etwa die letzte ARD-Reportage zur AfD angesehen, so müsste er zum Schluss kommen, dass es auch in seiner Partei einen Haufen Leute gibt, die vorher in „zwielichten Organisationen“ (ebenjenes Handbuch, Seite drei) unterwegs waren.

Das eigentlich schockierende ist, dass man offenbar weder der IB noch der AfD genug Selbstbewusstsein zumisst, die eigenen Standpunkte verinnerlicht zu haben und wirklich zu vertreten – deswegen müsste man immer und überall einer drohenden „Unterwanderung“ begegnen. Das gilt natürlich nicht, wenn haufenweise FDP- und CDU-Mitglieder in die AfD eintreten, die haben sich nämlich wirklich gewandelt.

Die Identitären haben ihre Standpunkte. Und die vertreten sie: lebendig, glaubhaft und aufrecht. Dementsprechend hat die IB einen sie einenden Charakter, ein Selbstverständnis, das für alle Aktivisten gilt. Die Inhalte der IB, die Themen der Neuen Rechten, das alles muss man als AfD-Politiker nicht immer gut finden oder sich damit beschäftigen. Aber diese Unkenntnis kann man dann eben nicht als Argument in Stellung bringen und über andere urteilen.

Wer marschiert schon gern getrennt?

Dass der Autor dennoch über reichlich Selbstbewusstsein im Bezug auf die AfD verfügt, beweist der letzte Punkt. Vom „Niveauanspruch“ ist da die Rede – sprich: Die AfD ist überhaupt nicht auf die Identitäre Bewegung angewiesen. Richtig ist – um damit zum Ende zu kommen –, dass die Forderung einer „Projekthygiene“ (Götz Kubitschek) sinnvoll ist.

Das heißt nicht, dass die AfD und die IB als zwei vollkommen voneinander losgelöste Phänomene zu begreifen sind (außer uns tut dies sowieso niemand). Das heißt, dass beide Gruppen unterschiedliche Themenbereiche zu beackern haben: Die einen wirken parlamentarisch, die anderen als Vorfeld- und Jugendorganisation mit hoher Strahlkraft.

Diese grundsätzliche Trennung – die ja nicht zwangsläufig inhaltlicher Natur ist – muss beibehalten werden, einerseits, um Zeit- und Energieverschwendung zu verhindern, andererseits, um gerade dort, wo der andere nicht wirkt, Synergien zu schaffen. Wer in diesem Zusammenhang die Arbeit des anderen als bloßes „Bannerhochhalten“ verkennt, übersieht auch den wahren Charakter, aber auch das Potential einer wahren „Mosaik-Rechten“ (Benedikt Kaiser).

Schlussendlich ist es egal, ob es einen Unvereinbarkeitsbeschluss gibt oder nicht. Als Beruhigungspille für die gänzlich Blinden erfüllt der sicherlich seinen Zweck. Deswegen kommt diese Konklusion der von Ilgar vermutlich recht nahe, wenn er schreibt, man müsse die „Trennlinie zwischen Parlamentarismus und Aktivismus finden“.

Es ist die Erkenntnis über die wahre Bedeutung und Aufgabe der eigenen Partei, Gruppe oder Organisation im Deutschland des Jahres 2018, die vielen offenbar fehlt. Es ist die grundsätzliche Frage über das, was eint und das was trennt, die gestellt werden muss. Dazu bedarf es aber keiner Parolen aus dem Handbuch und Schwanzvergleiche über die politische Wirksamkeit. Wir haben schließlich Wichtigeres zu tun.

(Bild: Franz Ferdinand Photography, flickr, CC BY-NC 2.0)

Dieser Beitrag ist eine Replik auf Can Ilgar. Wer die Debatte fortsetzen möchte, schreibt bitte an redaktion@blauenarzisse.de.

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