Gesichtet

Was AfD-Wähler über Höcke, Kalbitz und Meuthen denken

In einer aktuellen Umfrage für das RTL/NTV-Trendbarometer hat Forsa neben der Sonntagsfrage einige interessante Fragen an die AfD-Wählerschaft gestellt. Thema ist der aktuelle Disput über die Aufhebung der Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz und die Debatte rund um den aufgelösten Flügel in der Partei.

Vorneweg: Forsa-Umfragen sind grundsätzlich kritisch zu beurteilen. Die Ergebnisse weichen oft recht deutlich von denen anderer Umfrageinstitute ab und der Chef des Instituts, Manfred Güllner, ist nicht nur bekennendes SPD-Mitglied, sondern auch jemand, der mit seiner Privatmeinung nicht hinter dem Berg hält. Diese wird auf wundersame Weise meist nur von den Ergebnissen seines eigenen Instituts bestätigt.

Nichtwähler mobilisieren

Die diesmal ausgewiesenen Ergebnisse sind aber so vielschichtig und komplex, dass sie nicht unbedingt auf eine Manipulation hindeuten. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Umfrageergebnisse immer gewichtet werden, da üblicherweise nur rund 1.000 Personen befragt werden. Die Ergebnisse der Zusatzfragen an die AfD-Wählerschaft dürften entsprechend auf Befragungen von etwa 100 selbsterklärten AfD-Wählern beruhen.

Zunächst zur Sonntagsfrage: Forsa sieht die CDU bei 40, die SPD bei 15, die FDP bei fünf, die Grünen bei 16, die Linke bei acht und die AfD bei neun Prozent. Diese Ergebnisse liegen recht nah bei den nahezu zeitgleich veröffentlichten Ergebnissen von Kantar (Emnid) und Allensbach.

Im Folgenden nun drei Erkenntnisse aus der Umfrage, die aus Zusatzfragen resultieren, die sonst nicht gestellt werden:

  1. Die AfD hat kein Problem mit bürgerlichen Wählern, die zur CDU wechseln, sondern eines damit, die eigene Wählerschaft überhaupt zum Wählen zu motivieren.

Von besonders bürgerlichen Kräften in der AfD wird gerne kolportiert, dass die Partei wegen radikaler Personen oder Positionen Wähler an CDU und FDP verlieren würde. Diese Aussage findet in der Umfrage keinerlei Rückhalt: Von dem Unions-Zuwachs von 7,1 Prozent seit der letzten Bundestagswahl gehen gerade einmal 0,2 Prozent auf Kosten der AfD – eine vernachlässigbare Größenordnung.

Die meisten abgewanderten AfD-Wähler würden aktuell gar nicht wählen gehen. An dieser Stelle dürfen sich daher diejenigen in der Partei bestätigt fühlen, die auf klaren, harten Wahlkampf und ein Bedienen der eigenen Anhängerschaft setzen. Die Auffassung, die eigenen Leute würden einen ja mangels Alternative ohnehin wählen, weswegen man Migration im Wahlkampf nicht so hoch hängen müsse, ist in diesem Lichte brandgefährlich. Gerade Corona und die damit zusammenhängenden Verschwörungstheorien sowie die Auffassung, dass Wahlen sowieso gefälscht würden, stellen einen Risikofaktor dar, der zu mehr Nichtwählern führen könnte.

  1. Der Kalbitz-Rauswurf kommt bei den Wählern erstaunlich schlecht an und spaltet auch die Wählerschaft.

Man mag zum Kalbitz-Rauswurf stehen, wie man möchte: Ich bin davon ausgegangen, dass in der Wählerschaft die Akzeptanz jedenfalls deutlich höher sein dürfte, als in der Mitgliedschaft. Die Forsa-Umfrage zeigt aber ein sehr uneindeutiges Bild: 51 Prozent befürworten die Auflösung der Mitgliedschaft, 40 Prozent lehnen sie ab und nur neun Prozent sind unschlüssig.

Im Osten ist sogar eine Mehrheit von 49 Prozent gegenüber 42 Prozent Befürwortern zu verzeichnen. Im Westen befürworten zwar 56 Prozent den Schritt, aber auch immerhin 35 Prozent lehnen ihn ab. Im Ergebnis zeigt dies, dass die Kalbitz-Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur in der Mitgliedschaft, sondern auch bei den AfD-Wählern zu erheblichen Verwerfungen geführt hat. Wie wichtig den Wählern das Thema generell und auch für ihre Wahlentscheidung ist, hat Forsa nicht abgefragt. Allerdings ist doch recht beachtlich, dass nur neun Prozent der AfD-Wählerschaft hierzu keine klare Meinung hat.

  1. Die AfD-Wählerschaft ist nicht vom Flügel geprägt und deutlich näher an Meuthen als an Höcke.

Waren die ersten zwei Feststellungen wohl eher im Sinne der Parteirechten, so trifft dies auf den letzten Befund sicher nicht zu. 62 Prozent der AfD-Wähler sehen Meuthen am ehesten „für die Werte und Ziele der AfD stehen“, wohingegen nur 22 Prozent dies über Björn Höcke denken. 57 Prozent der Anhängerschaft geht entsprechend auch davon aus, dass sich am Ende Meuthen durchsetzen wird. Der Parteirechten trauen dies nur 24 Prozent zu. 65 Prozent der Wählerschaft wünschen eine Klärung auf einem Sonderparteitag.

Ein persönliches Fazit

Die Umfrage zeigt für mich: Keine innerparteiliche Gruppe ist so marginal, dass man auf sie verzichten könnte. Es muss vermieden werden, dass sich liberale oder nationale Randgruppen durchsetzen, sondern die Mitte der Partei muss die Zügel der Macht halten. Gleichzeitig ist genug Raum für liberale und solidarisch-patriotische Überlegungen und Bestrebungen, solange Mehrheitsentscheidungen und genauso auch die unterschiedliche Prägung der Landesverbände respektiert werden.

Führungspersönlichkeiten in den Vorständen müssen integrativ und ausgleichend wirken, aber zugleich führungsstark und lagerübergreifend geachtet sein. Ich bin mir sicher, dass genau diese Persönlichkeitsmerkmale aktuell auch von der Mitgliedschaft besonders goutiert würden.

(Bild: Jörg Meuthen)

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