Anstoß

Was ist hier „rigged“?

Wahlfälschungsvorwürfe in den USA. Worum geht es überhaupt und was ist dran? Wird die wichtigste Wahl des Jahrzehnts tatsächlich manipuliert?

Die Wahlfälschungsvorwürfe in den Vereinigten Staaten erreichten den deutschen Medienkonsumenten fast ausschließlich durch die Sensationsnachricht: Trump will den Wahlausgang nicht anerkennen! Um diese Sache gleich richtig zu stellen: Nachdem das Wort auf die im Raum stehenden Vorwürfe der Wahlfälschung gekommen war, verlangte der Moderator der dritten Präsidentschaftsdebatte von Trump eine Versicherung, den Wahlausgang in jedem Falle anzuerkennen. Also da die Vereinigten Staaten schließlich eine lange demokratische Tradition des friedlichen Machtwechsels bla bla bla haben, müsse Trump auch eine gefälschte Wahl anerkennen. Er verweigerte die Unterschrift unter diesen Blankoscheck, das ist alles.

Was ist „rigged“?

Nur ist damit die Frage der Wahlmanipulation noch nicht geklärt. Um diese Geschichte dem deutschen Leser verständlich zu machen, ist zunächst eine sprachliche Klärung notwendig. Das im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen am häufigsten gebrauchte Wort to rig ist ins Deutsche nicht präzise zu übersetzen. Leider, denn es erfasst hervorragend die „legal, illegal, scheißegal“-Attitüde der modernen westlichen Demokratie.

Rigging ist nicht zwangsläufig manipulieren oder gar fälschen im juristischen Sinn. Vor allem die Passivform something is rigged kann auch die mehr oder weniger strukturelle Benachteiligung einer Seite meinen. Der Satz: „This game is rigged“, kann sowohl Falschspiel behaupten, als auch Regeln, die eine Seite bevorzugen, sowie alle Grautöne dazwischen.

Es gibt verschiedene Vorwürfe

Diese sowohl doppelte als auch schwammige Bedeutung des Wortes to rig muss man im Hinterkopf behalten, um die verschiedenen Vorwürfe, die von Trump und seinen Anhängern gegen das politische System Amerikas im Allgemeinen und Hillary Clinton im besonderen erhoben werden, auseinander zu halten.

Der grundsätzlichste betrifft das ganze System: „The system is rigged.“ Das meint nichts anderes als die Kartellstrukturen der Macht, die in anderen westlichen Ländern genauso in der Kritik stehen. Der politische Prozess funktioniere auf eine Weise, bei der die demokratische Bildung eines Volkswillens nur vorgetäuscht wird, während in Wirklichkeit der festgelegte Kurs des Establishments unanfechtbar ist und nur die Kreaturen dieses Establishments reelle Chancen auf politische Ämter haben.

Der zweite Vorwurf betrifft die demokratischen Vorwahlen, die Clinton zur Kandidatin machten: „The system was rigged against Bernie Sanders.“ Auch hier geht es noch nicht um etwas Illegales. Die ungewählten, aus dem Parteiklüngel stammenden Superdelegierten, die für Clinton stimmten, sind schließlich im Vorwahlverfahren der demokratischen Partei ganz regulär vorgesehen. Auch die zahlreichen Veröffentlichungen demokratischer Interna durch Wikileaks führten zwar zum Rücktritt der Clinton-Vertrauten Debbie Wasserman Schultz, die 2008 Clintons Vorwahlkampf gegen Obama an führender Stelle mitorganisiert hatte um später die Vorsitzende des Führungsgremiums der demokratischen Partei zu werden. Doch zeigen diese Veröffentlichungen nur die Klüngelwirtschaft im Establishment der demokratischen Partei. Die ist unappetitlich, und rigged ganz offensichtlich die Vorwahlen, doch verboten ist das nicht. Es steigert aber auch nicht gerade die Legitimität von Hillary Clintons Kandidatur. Auf letzteres hinzuweisen wird ihr Gegner verständlicherweise nicht müde.

Richtige Wahlfälschung

Die beiden bereits genannten Vorwürfe werden nun bereits länger erhoben und sind fester Teil der Wahlkampagne Donald Trumps. Neueren Datums ist hingegen der Vorwurf „to rig the elections“, also richtiger, strafbarer Wahlfälschung. Project Veritas Action, einer Organisation des investigativen Journalisten James O‘Keef, gelang es während der letzten Monate, sich in mehrere mit Hillary Clinton verbandelte Wahlkampforganisationen einzuschleichen und eine ganze Reihe äußerst kompromittierende Aussagen führender Mitarbeiter aufzunehmen. Zu den betreffenden Organisationen zählen „People for the American Way“ (unter anderem von George Soros finanziert), „Americans United for Change“ sowie „Democracy Partners“. Ein illustrer Ausschnitt der Wahlmacher moderner Demokratien.

Am 18. Oktober, also einen Tag vor der dritten und letzten Präsidentschaftsdebatte, veröffentlichte Project Veritas Action ein Video (siehe unten), auf dem Mitarbeiter der besagten Vereinigungen über Organisation und Durchführung massiven Wahlbetrugs diskutieren. Erst seither stehen ernsthafte Vorwürfe der Wahlfälschung im Raum.

Wir machen das seit fünfzig Jahren

Es gelang den Journalisten sogar, Scott Fovel, damals deputy political director bei People for the American Way, beim Angeben zu filmen: „Wir fahren Leute seit fünfzig Jahren illegal zu den Urnen. Wir werden jetzt nicht damit aufhören.“ Um zu verstehen, worum es hier geht, muss man wissen, dass es in den Vereinigten Staaten kein Meldegesetz gibt. In Deutschland gelangt man durch die Registrierung beim Einwohnermeldeamt automatisch ins Wahlregister seines Hauptwohnsitzes. In den Vereinigten Staaten hingegen muss man sich zum Wählen extra registrieren lassen.

Nur wie weist man ohne Melderegister nach, dass man auch tatsächlich an diesem Ort wahlberechtigt ist? Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten sich zu registrieren. Eine davon lädt ganz besonders zum Betrug ein. Man braucht einen Ausweis und eine Gehaltsbescheinigung eines örtlichen Arbeitgebers. Darauf beruhte der Wahlbetrug, den die getarnten Journalisten von Project Veritas Action zusammen mit Fovel und Robert Creamer, dem Gründer von Democracy Partners, ausheckten.

Einer der Journalisten gab sich als potentieller Spender aus, der bereit wäre in seiner Firma Hispanics für einige Zeit zu beschäftigen, um damit die benötigten Gehaltsbescheide auszustellen. Darauf aufbauend sollten Leute in verschiedenen Staaten registriert und zu den Urnen gefahren werden. Da bei US-Präsidentschaftswahlen per Bundesstaat abgestimmt wird, also alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates dem Sieger in diesem Bundesstaat zufallen, wäre dies eine sehr effiziente Form des Wahlbetrugs. Mit einigen tausend falschen Stimmen in hart umkämpften Bundesstaaten ließe sich die Wahl kippen.

Die von Project Veritas Action gefilmte Betrugsplanung wurde zwar von Robert Creamer, dem die Sache zu groß wurde und der schon einmal (damals wegen Steuerhinterziehung und Bankbetrug) im Gefängnis saß, abgebrochen. Das von O‘Keef und seinen Mitarbeitern zusammengetragene Material reichte dennoch dafür aus, dass er zurücktreten musste und Fovel gefeuert wurde. Die Selbstverständlichkeit, mit der wichtige Organisatoren des demokratischen Wahlkampfes sich auf dieses Manöver einließen, lässt aber auch Zweifel an der Sauberkeit amerikanischer Wahlen aufkommen, die die der umstrittenen ersten Wahl George W. Bushs noch in den Schatten stellen.

(Bild: Mike Mozart, flickr, CC BY 2.0)

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