Es ist Wahlkampf. Und gerade in dieser Zeit strotzen Politiker geradezu mit großen Plänen für die Zukunft. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will so einiges für die Zukunft dieser Republik, wie er kürzlich im Zuge der Vorstellung des Bundeswahlprogramms der CSU mitteilte. Er ist zwar kein Kanzlerkandidat – aber es scheint dieser Tage kaum einen anderen so einflussreichen Politiker wie ihn zu geben. Was also will Söder?
Natürlich kommt an erster Stelle die „Corona-Pandemie“. Und da gefällt sich Söder nach wie vor als harter Hund: „Da keiner einen Lockdown mehr will – ich auch nicht – ist die einzige Konzeption: impfen.“ Deutliche Worte: impfen oder nicht impfen; das ist hier die Frage. Aber wer eben die Verheißung ablehnt, der soll in die Kälte geworfen werden, wo Heulen und Zähneknirschen ist.
Jeden impfen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist …
Söder will ohnehin am liebsten alles impfen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. „Wir brauchen dringend auch ein Programm für Schülerimpfungen.“ Ja, er wisse, die STIKO sei dahingehend noch zurückhaltend, was er auch respektiere. Aber egal ist es ihm dann trotzdem. Er will schließlich sichere Schulen. Dass Kinder und Jugendliche nicht an Covid-19 sterben, ja, nicht einmal wirklich schwer erkranken, ist doch nicht sein Problem!
Nur gut zu wissen, dass er „gegen eine Impfpflicht“ sei. Wegen Grundrechten und so. Aber nur wenige Sätze später heißt es dann: „Wer geimpft ist, soll mehr Freiheiten bekommen, das heißt, wenn alle ein Impfangebot bekommen haben, müssen wir sehr viel Freiheiten erlauben für Geimpfte und umgekehrt müssen dann halt Tests nicht mehr kostenlos sein.“ Und es könne schließlich nicht sein, „wenn an alle ein Impfangebot gemacht ist (…) dann muss klar sein, dass diejenigen, die sich partout nicht impfen lassen wollen, nicht unbegrenzt auf Kosten der anderen Steuerzahler testen lassen können. Dann muss klar sein, dass dann eben auch Eigenverantwortung gefragt ist.“
Ausschluss vom sozialen Leben
Wie Söder auch immer wieder bei anderen Gelegenheiten betonte, ist es für ihn keineswegs ein Widerspruch, gleichzeitig gegen eine Impfpflicht und für das Selbstzahlen von verbindlich vorgeschriebenen Corona-Tests zu sein. Was allerdings mit denjenigen passieren soll, die sich regelmäßige Tests nicht leisten können, ist für ihn nicht interessant. Wer nicht so will wie er, wird künftig vom sozialen Leben ausgeschlossen sein. Denn wer kann sich bitteschön mehrmals in der Woche einen Corona-Test leisten? Richtig, die allerwenigsten!
Was ist beispielsweise mit der alleinerziehenden Mutter mit geringem Einkommen? Für sie fällt gesellschaftliche Teilhabe damit wohl auf unbestimmte Zeit aus. Oder der Student mit knappem Monatsbudget, der nur noch mit einem Test an Seminaren und Vorlesungen teilnehmen kann? Sein Recht auf Bildung wird damit außer Kraft gesetzt.
Bayerns Ministerpräsident will seine Impfquote mit brachialer Gewalt durchdrücken. Wenn Teile der Gesellschaft dabei auf der Strecke bleiben, weil sie sich für ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit entschieden haben, kümmert das den bayerischen Ministerpräsidenten eher weniger. Aber Grundrechte interessieren Markus Söder allgemein schon länger nicht mehr.
Maximale Freiheit für Geimpfte?
Anders ist seine Rhetorik von den „maximalen Freiheiten für Geimpfte“ nicht zu erklären. Grundrechte werden nicht vom Staat verliehen. Sie sind vielmehr das Fundament einer freiheitlichen Gesellschaft. Darin einzugreifen ist hochproblematisch. Demnach muss man nachdrücklich Zweifel anmelden, inwiefern führende deutsche Politiker es noch mit unserer Gesellschaftsordnung halten.
Aber nicht nur Corona ist ein Thema für den bayerischen Löwen. Auch die Flutkatastrophe sei ein ernstzunehmender Warnschuss von Mutter Natur. Zunächst einmal ist er voll des Lobes für seine Kollegen in den betroffenen Bundesländern: „Ich finde, das tun die beteiligten Ministerpräsidenten alle sehr, sehr gut.“ Es ist also sehr gut, dass massive Einsparungen und Umweltzerstörungen in den vergangenen Jahren und Desinteresse seitens der Regierenden dazu geführt haben, dass weit über einhundert Menschen ihr Leben und viele Tausend ihre Existenz verloren haben? Ist es gut, dass die Betroffenen Menschen teilweise tagelang auf Hilfe warten mussten, die dann aber nicht vom Staat, sondern von privaten Unternehmen vor Ort geleistet wurde? Wie abgehoben muss man sein, um ein solches Totalversagen als „sehr gut“ zu bezeichnen?
Das sind wohl Nebensächlichkeiten für den Ministerpräsidenten im Wahlkampfmodus. Dass man sich „mit Nebensächlichkeiten“ im Wahlkampf aufhält – „bei den Grünen über den Lebenslauf, da mal, ob jemand lacht oder nicht lacht“ – stört Markus Söder ohnehin gewaltig. Denn wen kümmert es schon, wenn der nächste Bundeskanzler ein unsensibler Klotz oder gar eine betrügerische Quotenfrau ist? Den Söder offenbar nicht.
Genug Sonne in Bayern
Man solle, so der Franke aus München, lieber die Unterschiede zwischen den Parteien herausstellen: „Der Hauptunterschied ist, dass die einen für wirtschaftlichen Wohlstand stehen und deswegen auch die Wirtschaftskompetenz stärken wollen und die anderen wollen einfach nur Steuern erhöhen.“ Und auch hier widerspricht sich der Mann kurz darauf sensationell. Denn auch er will in Bayern – wenn nötig auch ohne Berlin – den massiven Ausbau der Erneuerbaren forcieren. Das Ziel: 100 Prozent. Schließlich sei von den erneuerbaren Energien, wie beispielsweise die Sonne, in Bayern „ausreichend vorhanden“.
Söder will also wirtschaftlichen Wohlstand erreichen, indem er das deutsche Energiesystem kollabieren lässt. Den Industriestandort Bayern kann er sich damit getrost an den Hut stecken. Vor allem die Autoindustrie wird es nach den Plänen des Ministerpräsidenten bald weder in München noch Ingolstadt mehr geben. Seine „smarte Mobilität“ ist nämlich ein Rohrkrepierer, der nur mittels gigantischer Subventionen konkurrenzfähig gehalten wird. Und auch in Bayern scheint nicht so viel Sonne, dass damit die komplette Mobilität elektrifiziert werden könnte.
„Wir müssen die Zukunft gestalten, und zwar mit Technologie.“ Nur schade, dass es eine solche Technologie, wie sie sich Söder wünscht, offenbar noch gar nicht entwickelt ist. Weder alternative Energielieferanten mit einer angemessenen Energiedichte, noch entsprechende Stromspeicher sind auf dem Markt. Und auch kein Elektroauto, das den Vergleich zum herkömmlichen Verbrenner ohne staatlich geförderte Wettbewerbsverzerrung, beispielsweise CO2-Steuern, nicht zu scheuen braucht. Ein markanter Unterschied zu den Grünen lässt sich unter diesen Bedingungen nur schwerlich ausmachen.
Am Ende bleibt doch nur die Verwunderung über den Umstand, wie oft sich ein Mensch selbst widersprechen kann, aber am Ende immer absolut von sich selbst überzeugt ist. Denn eines ist sicher, Markus Söder hält Markus Söder für den besten und kompetentesten Politiker Deutschlands. Wahrscheinlich muss man einfach Politiker sein, um einen derartigen Widerspruch geistig auszuhalten, beziehungsweise ignorieren zu können. Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Söder will Macht – sonst nichts!