Anstoß

Wenn der Weihnachtsmann sein Geschlecht verliert

Warum ist der Weihnachtsmann eigentlich männlich? In Zeiten gendersensibler Sprache und Geschlechtergerechtigkeit eine nicht unerhebliche Frage. Gilt es doch, die patriarchalen und sexistischen Strukturen, die unsere Gesellschaft im Würgegriff haben, aufzubrechen.

So auch ein Artikel, der unlängst auf der Internetplattform BBC online gestellt wurde. „Gender neutral Santa is coming to town. The main thing is, we still get presents.“ So lautet der Titel. „Wenn wir Santa sagen, denkst du wahrscheinlich an einen alten dicken Mann mit Rauschebart – aber was wäre, wenn sie eine Frau oder ein nicht-binärer Mensch wären?“ Beantwortet wird diese zu Beginn des Artikels gestellte Frage dann wie folgt: Santa als geschlechtsloses Individuum könnte in der Tat positiv auf Kinder wirken. Vor allem wäre es geeignet, den Kindern den Grundsatz der „gleichen Möglichkeiten“ für alle darzulegen.

Was soll man darauf sagen? Ein Blick in die Geschichte des Mythos „Weihnachtsmann“ gibt hier aufschlussreiche Antworten. Denn obwohl die Geschichte um den dicken alten Mann mit weißem Bart und roter Zipfelmütze durch und durch erdacht ist, ist sie dennoch nicht zur Gänze aus der Luft gegriffen.

Der heilige Nikolaus und Knecht Ruprecht

Der Weihnachtsmann kommt in der „Heiligen Nacht“ in die Wohnstuben der Menschen und hinterlässt den braven Kindern Geschenke. Den unartigen hingegen eine Rute. Und obwohl die Rute heute meistens nicht mehr als pädagogisch sinnvoll erachtet wird, sind die Wurzeln dieser Geschichte deutlich zu erkennen. So vereint Santa Claus die Personen des heiligen Nikolaus und seines Begleiters Knecht Ruprecht.

Die Legende des heiligen Nikolaus – seinerzeit Bischof von Myra, das in der heutigen Türkei liegt – stand Pate für die schenkende Tätigkeit des Weihnachtsmannes. So habe der heilige Bischof sich im vierten Jahrhundert durch seine Wohltaten für die Armen hervorgetan. Sein Fest wird am 6. Dezember gefeiert. Demzufolge war es früher auch üblich, Geschenke nicht an Weihnachten zu verteilen, sondern am Nikolaustag. Belegt ist diese Tradition ab dem 13. Jahrhundert.

Die Angewohnheit des heiligen Bischofs, am Abend des 6. Dezembers in die Wohnungen der Menschen zu kommen, um die Kinder zu fragen, ob sie auch brav gewesen seien, ist in der Folge des Konzils von Trient (1545-1563) entstanden. Hier wurde die Visitationspflicht der Bischöfe für ihre Diözesen festgelegt. Das wurde wohl kurzerhand auf den heiligen Nikolaus übertragen.

Weihnachten seit Luther

Mit der Reformation wurde das gegenseitige Beschenken – unter anderem auf Betreiben Luthers – auf den Weihnachtstag verlegt. Grund war die Ablehnung der Heiligenverehrung durch die Protestanten. Kinder sollten nun vom Christkind beschenkt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass vor allem in protestantisch geprägten Regionen die Geschichte vom Weihnachtsmann Konjunktur hatte.

Der Mythos des Weihnachtsmannes, welcher in einem von Rentieren gezogenen Schlitten fährt und Geschenke bringt, geht hingegen im Wesentlichen auf das Gedicht „The Night before Christmas“, welches 1823 anonym erschienen ist, zurück. Das heutige Aussehen jedoch auf die Werbemacher von Coca Cola. Der Brausehersteller verwendet seit 1931 den Weihnachtsmann als Träger der weihnachtlichen Werbekampagne. Dafür wurde dem Mann mit Bart ein neues, hierfür besser geeignetes Aussehen verliehen. Der Grafiker Haddon Sundblom entwarf das feiste großväterliche Gesicht sowie die neue Garderobe des Weihnachtsmannes; natürlich in den Farben von Coca-Cola gehalten: Rot und Weiß.

Doch der Weihnachtsmann, der in der Heiligen Nacht die Geschenke bringt, steht auch symptomatisch für eine Entwicklung, die vielleicht schon mit der Verlegung des Beschenkens auf Weihnachten seitens Luther einsetzte. Die Geschenke waren ursprünglich ein Symbol dafür, was eigentlich an Weihnachten gefeiert wird. Die Ankunft des Erlösers der Menschheit: Jesus Christus. Das größte Geschenk, das die Menschheit je erhalten hat. Denn mit der Geburt Jesu fängt die Heilsgeschichte an, wurde die durch Adam und Eva geschlagene Kluft zwischen den Menschen und Gott überwunden.

Fest der Familie

Nach Jahrhunderten der Aufklärung, der Emanzipation und des religiösen Niedergangs ist von diesem höheren, transzendenten Verständnis von Weihnachten nicht viel übrig geblieben. Weihnachten ist nunmehr ein Fest der Familie. Man kommt zusammen, isst eine Gans und überreicht sich Geschenke vor dem funkelnden Weihnachtsbaum. Die Krippe mit dem Jesuskind, falls sie überhaupt noch aufgestellt wird, tritt in den Hintergrund. Diese Haltung der kleinbürgerlichen Aufgeklärtheit spiegelt sich auch in dem Titel des eingangs zitierten Artikels wider. „Die Hauptsache ist, wir bekommen noch Geschenke.“

Nicht verwunderlich ist es daher, dass die Bedeutung der Adventszeit nicht mehr geläufig ist. Advent, vom lateinischen „adventus“ (Ankunft), ist die Zeit, in der auf das Kommen des Herrn gewartet wird. Damit verbunden ist der Versuch, Ruhe in den stressigen Alltag einkehren zu lassen, um sich entsprechend darauf vorzubereiten. Sozusagen in andächtiger Stille. Nicht umsonst gilt die Adventszeit in der katholischen Tradition als Bußzeit.

Advent oder Vorweihnacht?

Heute sagt man aber nicht mehr Adventszeit, sondern Vorweihnachtszeit. Eine Zeit, die offenbar schon zum freudigen Fest der Weihnacht gehört. So geht es in den Wochen vor Weihnachten noch stressiger zu, wie im übrigen Jahr. Die Gedanken werden beherrscht von den Überlegungen, wo man seine Geschenke herbekommt. Man hetzt von einem Laden zum anderen und füllt sich in den Pausen dazwischen kräftig mit Glühwein ab, der auf den inflationär aus dem Boden wachsenden Weihnachtsmärkten angeboten wird. Sehr besinnlich!

Natürlich ist das jetzt etwas überspitzt formuliert. Auch der Autor hat es sich nicht nehmen lassen, das eine oder andere Gläschen zu trinken. Dennoch: Vor lauter Weihnachtstrubel kommt die eigentliche Botschaft des Advents schon viel zu lange viel zu kurz.

Wer weiß denn noch, was „Weihnacht“ eigentlich bedeutet? Denn geweiht oder geheiligt wird eine Nacht nicht durch Geschenke oder eine leere Flasche Wein. Auch nicht durch das Besinnen auf die Familie oder strahlende Kinderaugen, wenn sie die tollsten Dinge unter dem Baum finden. Diese Nacht ist heilig, weil in ihr das Wort Fleisch geworden ist, um es einmal mit den Worten des Evangelisten Johannes zu sagen. Und dabei spielt es nur untergeordnet eine Rolle, dass Jesus nicht in der Nacht von einem 24. auf einen 25. Dezember geboren worden ist.

Fazit: Wenn es ohnehin nur noch um Geschenke und das familiäre Zusammensein an Weihnachten geht, ist es wirklich nicht tragisch, wenn die Geschenke von einem alten, weißen, dicken Mann, der angeblich am Nordpol wohnt, oder einer Frau gebracht werden. Ob eine „nicht-binäre“ Person hingegen den Weihnachtsmensch* mimen sollte, ist aufgrund erziehungstechnischer Problematiken und einer etwaigen Gefährdung für die seelische Unversehrtheit der Kinder zu überdenken, beziehungsweise zu verwerfen.

(Bild: Pixabay)

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