Alter Blog

Was zu wünschen wäre… Eine Erwiderung auf die Rezensionen der drei Homines

dXBsb2Fkcy9hcnRpY2xlX2ltYWdlcy83NTc2ODUxMDIxYzMyOGY2NGQ5ODE0YWFkMTA1ZjAzNDhhNzE4MTQyLmpwZw==.620.500.1.1.90Letzte Woche besprach Johannes Konstantin Poensgen die drei Teile von Frank Lissons Homines-Reihe. Eine kurze Erwiderung Lissons ging mir heute zu, ich möchte den Autor hier selbst zu Wort kommen lassen.

Gewiss, es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Bücher wie die drei Homines auf knappem Raum in angemessener Weise zu besprechen. Das Werk umfasst insgesamt rund 1.200 Seiten; es enthält etwa 2.500 Sequenzen und fast ebenso viele Gedanken oder wenigstens Nuancen. Umso bedauerlicher, eine so reichhaltige Trilogie, in der tausend subtile Beobachtungen gemacht, tausend Welten eröffnet und die verschiedensten Stoffe und Fragen behandelt werden, auf so vereinfachende, ja bisweilen grobe Weise reduziert und damit missverstanden zu sehen. Jugendlicher Aktivismus, gepaart mit einer bestimmten politischen Ausprägung und der damit verbundenen Erwartungshaltung, sind freilich nicht die besten Voraussetzungen, um der Komplexität eines solchen Werkes gerecht zu werden, das langsam und bedächtig und mit Fingerspitzengefühl gelesen werden will.

Wo philosophische Bücher in ihrer Originalitiät und Substanz nicht für sich genommen, sondern bloß auf ihre politische Verwertbarkeit hin abgesucht werden, bleibt ihr geistiger Gehalt zwangsläufig unentdeckt. Denn der Wert und die Bedeutung solcher Bücher beginnt erst hinter dem Politischen, das doch bloß die Oberfläche bildet, um zu den Problemen, auf die es ankommt, hinzuführen. Wer dagegen nicht aufmerksam, empfänglich und empfindlich genug ist, in die tieferen Schichten der Texte vorzudringen, dem werden die Homines ihrem Wesen nach verschlossen bleiben. – Denn eben diesem allgemein verbreiteten Menschentypus, der keine Freude am Denken und am gewagten Blick auf die Ungeheuerlichkeiten des Daseins hat, der keine Fragezeichen mehr setzt, sondern nur noch nach Bestätigung der eigenen Anschauung verlangt, eben diesem Typus wollen die drei Homines ihr ganz „Eigenes“ entgegensetzen, das sie weit über jenes Allgemeinmenschliche erhebt…

Das Durcheinanderwerfen von Begriffen wie „Tendenz“ und „Zustand“, die nur unzureichend erfasst worden sind, ähnlich wie „Determinismus“ und „Evolution“, oder die Verwechslung der Homines mit dem Autor selber, ist noch hinnehmbar; nicht aber das Zitieren von Begriffen, die im Text überhaupt nicht vorkommen, wie etwa „Konsumschweinchen“. Das alles führt völlig in die Irre und lässt auf eine eher nachlässige, eilige Lektüre schließen, die ein so umfangreiches, tiefschürfendes, über viele Jahre sorgfältig erarbeitetes Werk doch nicht verdient haben sollte.

Daher scheinen mir die Rezensionen – bei all ihrer wohlwollenden Kritik – kaum geeignet, einen authentischen Eindruck von den Büchern zu vermitteln. Mein Fehler war, immer wieder Reizwörter und Polemiken gegen die Machenschaften des Regimes in die Texte einzustreuen, was dazu verführte, sie vor allem „politisch“ zu lesen. Solche Angriffe auf die Absurditäten dieses Landes waren mir indes wichtig, denn wo gedacht und die Wirklichkeit begriffen werden will, dürfen nicht nur Zeitgeistphrasen wiederholt, sondern müssen die uns beherrschenden Übel beim Namen genannt werden. Das aber scheint den Homines zum Verhängnis geworden zu sein. Denn der sogenannte Kulturbetrieb boykottiert bekanntlich jede echte Kritik am linken Gleichschaltungsapparat, und die sogenannten Rechten beargwöhnen ebenfalls, was ihnen zu freigeistig daherkommt.

Und eben hierin besteht das große Dilemma solcher Bücher: sie geraten immer unter die Räder der Ideologien, über die sie hinauswollen. Denn das freie, unabhängige, geistreiche, schonungslos-bissige Denken scheint nirgendwo erwünscht zu sein oder gar subtilere, empathische, interessierte Aufnahmebereitschaft zu finden: weder im riesigen Machtbereich der Kulturindustrie noch in den wenigen Nischen echter politischer Opposition, wo sie zwar nicht ignoriert, dafür aber nur oberflächlich gelesen und partout missverstanden werden. – Diese Enge und Fremdheit ist auf Dauer äußerst bedrückend, ja unerträglich und zwingt letztendlich zum Schweigen.

Die Rezensionen finden sich hier:

Homo Viator

Homo Creator

Homo Absolutus

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Datenschutzinfo