Die mangelnde Wirkung von Entwicklungsprojekten – vor allem in Afrika – ist seit Langem bekannt. Trotz eines riesigen Schuldenbergs werden Milliarden für meist unsinnige Projekte weiterhin mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen. Jeder, der sich – wie ich seit 40 Jahren – mit dem Thema 17 Jahre vor Ort befasst hat, weiß, dass unsere Politik versagt hat.
Viel zu wenig wird überprüft, was die Hilfsprojekte und Programme für die afrikanischen Bevölkerungen vor Ort bringen. Nötig sind striktere Erfolgs- und Wirksamkeitskontrollen. Man muss verbindliche Zwischenziele mit den Regierungen definieren. Falls sie nicht erfüllt werden, sollte man Projekte abbrechen. Das geschieht bis heute nicht.
Ein neues Afrikakonzept sollte in Richtung einer realistischeren und kritischeren Politik als bisher gehen. Die afrikanische Eigenverantwortung und endlich auch die Kontrolle der Wirksamkeit und Effizienz der eingesetzten Mittel sollten im Vordergrund stehen. Dann werden wir auch wieder ernst genommen. Heute werden moralische Initiativen von Deutschland (wie der Klima-Aktivismus oder eine Gender-Transformation, wie z.B. in Kamerun) nur belächelt oder sogar verärgert zur Kenntnis genommen. Wir zahlen und haben keinen Einfluss.
Dazu gehört auch die Ausbeutung der Afrikaner durch westliche Prominente. Auch sie verhindern afrikanische Entwicklungsanstrengungen. Wir müssen endlich der Wirklichkeit in die Augen sehen, fragen, ob Hilfeleistung vielleicht ein Teil des Problems Korruption und des Hungers ist. Vor den Entwicklungshelfern gab es Mitte der 1960er Jahre in Westafrika und auch in den anderen subsaharischen Ländern keine Hungersnöte. Guinea hat nach meiner Erinnerung sogar Reis in benachbarte Länder exportiert. Das sollte uns zu denken geben.
Die Schwärmer in den Ländern des Nordens sind de facto die Fanklubs afrikanischer Autokraten. Afrikanische Politiker, oft von deutschen Gesinnungsethikern unterstützt, führen die Misere in ihren Ländern ausschließlich auf die Kolonialzeit zurück, um als Opfer von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Bis hinein in die expandierende Kolonialismusforschung wird das Narrativ gepflegt, die Ursache des afrikanischen Elends sei der Kolonialismus und der Sklavenhandel. Wohlgemerkt ausschließlich der westliche.
Man will auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der muslimischen Welt an der Sklaverei den der westlichen erheblich übertraf. Zugleich wird der Blick dafür verstellt, dass die Ursachen des Rückstands zumeist in Afrika selbst zu suchen sind. Weiße Kolonialherren wurden durch schwarze Kolonialherren ersetzt. Die Folge: Zu Beginn der Unabhängigkeit in den 1960er Jahren hatten Nigeria, der Kongo oder Ghana bessere Entwicklungsindikatoren als etwa Südkorea.
Weshalb können Amtsträger in Afrika riesige Reichtümer anhäufen? Wir brauchen eine offene Kritik. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern von Entwicklungshilfe müssen aufgebrochen werden. Die Aufmerksamkeit muss auf die Frage gelenkt werden, wie sich Afrika von einer Hilfe befreien kann, die in den letzten 60 Jahren nicht funktioniert hat.
In unserem Geltungsdrang geben wir – als größtes Geberland weltweit – pro Jahr rund 30 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe aus. 10,28 Milliarden Euro kommen derzeit aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Auch beim UN-Klimafonds ist das kleine Deutschland der wichtigste Finanzier. Daneben fördert das BMZ noch 400, teils sehr fragwürdige, sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
NGO suggeriert Unabhängigkeit von staatlichen Strukturen. Die finanzielle Abhängigkeit vom Staat verletzt das Neutralitätsgebot des Staates. So werden – über Umwege – oft politische Vorgaben der Regierung erfüllt, die mit Steuergeld nicht gefördert werden dürften. Dafür sind nach meinem Empfinden nur die parteinahen Vorfeldorganisationen wie die politischen Stiftungen, die es in vielen afrikanischen Staaten gibt, zuständig. Ich habe mit drei Stiftungen (KAS, FES und FNF) vertrauensvoll zusammengearbeitet.
Während wir uns weltweit aufdrängen, wird hierzulande erklärt, dass wir für die maroden Straßen, Brücken etc. und die Sanierung der Schulen, für Senioren, die ihre kümmerliche Rente mit Flaschensammeln aufbessern müssen (jeder sieht sie im Stadtbild), und Normalverdiener, die sich immer mehr einschränken müssen, keine finanziellen Spielräume mehr haben. Im Ahrtal z.B. warten die Menschen auch vier Jahre nach der Flutkatastrophe auf weitere notwendige Mittel. Die Milliardenschulden werden auch nicht wie versprochen in den Infrastrukturausbau verwendet, sondern zur Haushaltsdeckung missbraucht.
Wir können Afrika nicht „retten“
Wer auf Fehlsteuerungen in der Entwicklungshilfe hinweist, gerät unvermeidlich in einen Wirbelsturm der Erregungen, weil er die angeblich knappen Mittel gefährde. Und muss sich zudem dem Vorwurf der Herzlosigkeit, Rassismus usw. aussetzen. Dumm ist nur, dass die Hilfsschwemme von sechs Marshallplänen seit 1960 so wenig an der Misere Afrikas verändert hat. Die Milliarden, die Jahr für Jahr nach Afrika fließen, sind oft fehlinvestiert und kontraproduktiv. Deshalb ist es geboten, auf ein Ende der bisherigen Entwicklungshilfe hinzuarbeiten und sie durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Das würde den afrikanischen Staaten auf dem Weg zur Eigenständigkeit helfen.
Allerdings sind die beispielhaften Reformer noch dünn gesät. Das wird sich auch nicht ändern, solange der Westen Afrika als unmündigen Hilfsempfänger sieht. Die fortdauernde Aufrechterhaltung der Entwicklungshilfe-Industrie missachtet die Würde und Eigenverantwortung der Menschen in Afrika und bedeutet eine ständige Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Außerdem ist es Rassismus, wenn es unseren Bessermenschen schwer fällt, selbständig handelnde Menschen in afrikanischen Ländern zur Kenntnis zu nehmen.
Entwicklung in Afrika kann und darf nur von Afrikanern gemacht werden. Die afrikanischen Länder müssen wissen, was sie wollen, und planen, was sie können. Wenn sie dabei Unterstützung anderer Länder brauchen, müssen sie das sagen und begründen. Und wenn die Gründe gut sind, sollten sie Hilfe bekommen. Helfen sollten wir nur noch Ländern, die nach der Erkenntnis handeln, dass sie in erster Linie für die Bewältigung ihrer Zukunft verantwortlich sind. Wichtig ist auch redliche Haushaltsführung. Die heute bei uns so beliebten Haushaltszuschüsse sollten nur noch an Länder gehen, deren Haushaltssysteme einer strengen Prüfung standgehalten haben.
Es fehlt nicht an Geld für Afrika. Wir können Afrika nicht mit noch mehr Geld „retten“. Die Ärmsten erreichen wir nach meinen Beobachtungen ohnehin nur unzureichend. Der indische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Amartya Sen hat nachgewiesen, dass es in einem unabhängigen, demokratischen Land mit Pressefreiheit noch nie eine Hungersnot gab. Zu Hungerkatastrophen kam es immer in Ländern, in denen Macht und Kontrolle über die Bevölkerung ausgeübt wurden.
Wir sollten keine Regime mehr unterstützen, die das Elend der Bevölkerung als Ressource nutzen. Denn eine arme Bevölkerung sorgt dafür, dass weiterhin Hilfe fließt. Wir sollten nur dort unterstützen, wo es öffentliche Debatten gibt, wie sich ein Land entwickeln soll. Ich meine ernsthafte Förderung von Bildung und Gesundheit, Eigentumsrechte an Grund und Boden, Förderung der Landwirtschaft. In den Ländern, in denen ich 17 Jahre gelebt habe, haben die Bürger nicht das Gefühl, dass die Regierungen ihre Interessen vertreten und an einem bescheidenen Wohlstand für alle arbeiten.
James Shikwati aus Kenia sagt: „In den Industriestaaten wird immer der Eindruck erweckt, ohne Entwicklungshilfe würde Afrika untergehen. Dem verheerenden Drang, Gutes zu tun, lässt sich bisweilen nicht mit Vernunft begegnen. Wenn die Entwicklungshilfe eingestellt würde, wären die politischen Eliten das erste Opfer, weil ihre Machtstrukturen dadurch gesprengt werden. Die Frage einer eigenständigen afrikanischen Lösung wäre dann auf dem Tisch“. Das sagt ein Afrikaner. Auch wenn man wie ich nicht sofort die Hilfe abschaffen will, muss man doch feststellen, dass heute die Öffentlichkeit bei uns und in den betreffenden Ländern nur sehr unzureichend über die konkrete Verwendung der Gelder informiert wird. Man tut Gutes und das muß reichen.
Zweifel an der Wirkung der Entwicklungshilfe sind nicht politisch korrekt. Die Hilfsindustrie hat einen Sonderstatus, der scheinbar jegliche Kritik verbietet. Es ist unverständlich, wenn derartige Organisationen, die erhebliche wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgen, sich nicht damit anfreunden können, dass ihr Handeln kritisch hinterfragt wird.
Die effizienteste Hilfe ist Bildungs- und Wirtschaftsförderung. Eine Investition in Wissen bringt die besten Zinsen. Es wäre sinnvoll, z.B. auch den Ausreisepflichtigen eine Rückkehr und eine Ausbildung im Heimatland zu bezahlen. Europäische Staaten könnten in den Ländern, aus denen die meisten Migranten kommen, duale Berufsausbildungszentren eröffnen, in denen die Ausbilder vor Ort die Lebensumstände der Migranten kennenlernen würden. Denkbar wäre auch eine europäische Berufsausbildungsinitiative, eine Art Senior Expert Service. Es gibt nach meiner Erfahrung genug europäische Handwerker im Rentenalter, die gerne ihr Wissen weitergeben würden. Europäische Entwicklungshilfegeber könnten für ein paar Jahre Wagniskapital zur Verfügung stellen. Die dann gegründeten Unternehmen, etwa in allen Handwerksbereichen, in Infrastruktur, Lebensmittelverarbeitung, Medizintechnik, Biotechnologie, Pharmazie und IT, würden dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen.
Mehr Entwicklungshilfe wird nicht „mehr“ helfen. Im Gegenteil: Die Entwicklungshilfe ist Teil des Problems. Die Zahlungen haben vor allem eine riesige Helferindustrie mit Zigtausenden hoch bezahlten Mitarbeitern geschaffen, die ein privilegiertes Leben führen. Viel Geld verwenden die staatlichen Organisationen und die Hunderte NGOs für Verwaltung, PR-Budgets, Konferenzen, Workshops und Studien. Und zu viel Entwicklungshilfegeld landet über Umwege in den Taschen der Herrschercliquen. Es stabilisiert korrupte Regime.
Volker Seitz’ Bestseller „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“, dtv, 2025 (Nachdruck) ist eines der wichtigsten Bücher der Entwicklungshilfe-Debatte.
Die mangelnde Wirkung von Entwicklungsprojekten – vor allem in Afrika – ist seit Langem bekannt. Trotz eines riesigen Schuldenbergs werden Milliarden für meist unsinnige Projekte weiterhin mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen. Jeder, der sich – wie ich seit 40 Jahren – mit dem Thema 17 Jahre vor Ort befasst hat, weiß, dass unsere Politik versagt hat.
Viel zu wenig wird überprüft, was die Hilfsprojekte und Programme für die afrikanischen Bevölkerungen vor Ort bringen. Nötig sind striktere Erfolgs- und Wirksamkeitskontrollen. Man muss verbindliche Zwischenziele mit den Regierungen definieren. Falls sie nicht erfüllt werden, sollte man Projekte abbrechen. Das geschieht bis heute nicht.
Ein neues Afrikakonzept sollte in Richtung einer realistischeren und kritischeren Politik als bisher gehen. Die afrikanische Eigenverantwortung und endlich auch die Kontrolle der Wirksamkeit und Effizienz der eingesetzten Mittel sollten im Vordergrund stehen. Dann werden wir auch wieder ernst genommen. Heute werden moralische Initiativen von Deutschland (wie der Klima-Aktivismus oder eine Gender-Transformation, wie z.B. in Kamerun) nur belächelt oder sogar verärgert zur Kenntnis genommen. Wir zahlen und haben keinen Einfluss.
Dazu gehört auch die Ausbeutung der Afrikaner durch westliche Prominente. Auch sie verhindern afrikanische Entwicklungsanstrengungen. Wir müssen endlich der Wirklichkeit in die Augen sehen, fragen, ob Hilfeleistung vielleicht ein Teil des Problems Korruption und des Hungers ist. Vor den Entwicklungshelfern gab es Mitte der 1960er Jahre in Westafrika und auch in den anderen subsaharischen Ländern keine Hungersnöte. Guinea hat nach meiner Erinnerung sogar Reis in benachbarte Länder exportiert. Das sollte uns zu denken geben.
Die Schwärmer in den Ländern des Nordens sind de facto die Fanklubs afrikanischer Autokraten. Afrikanische Politiker, oft von deutschen Gesinnungsethikern unterstützt, führen die Misere in ihren Ländern ausschließlich auf die Kolonialzeit zurück, um als Opfer von ihrem eigenen Versagen abzulenken. Bis hinein in die expandierende Kolonialismusforschung wird das Narrativ gepflegt, die Ursache des afrikanischen Elends sei der Kolonialismus und der Sklavenhandel. Wohlgemerkt ausschließlich der westliche.
Man will auch nicht zur Kenntnis nehmen, dass der Anteil der muslimischen Welt an der Sklaverei den der westlichen erheblich übertraf. Zugleich wird der Blick dafür verstellt, dass die Ursachen des Rückstands zumeist in Afrika selbst zu suchen sind. Weiße Kolonialherren wurden durch schwarze Kolonialherren ersetzt. Die Folge: Zu Beginn der Unabhängigkeit in den 1960er Jahren hatten Nigeria, der Kongo oder Ghana bessere Entwicklungsindikatoren als etwa Südkorea.
Weshalb können Amtsträger in Afrika riesige Reichtümer anhäufen? Wir brauchen eine offene Kritik. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern von Entwicklungshilfe müssen aufgebrochen werden. Die Aufmerksamkeit muss auf die Frage gelenkt werden, wie sich Afrika von einer Hilfe befreien kann, die in den letzten 60 Jahren nicht funktioniert hat.
In unserem Geltungsdrang geben wir – als größtes Geberland weltweit – pro Jahr rund 30 Milliarden Euro an Entwicklungshilfe aus. 10,28 Milliarden Euro kommen derzeit aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Auch beim UN-Klimafonds ist das kleine Deutschland der wichtigste Finanzier. Daneben fördert das BMZ noch 400, teils sehr fragwürdige, sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
NGO suggeriert Unabhängigkeit von staatlichen Strukturen. Die finanzielle Abhängigkeit vom Staat verletzt das Neutralitätsgebot des Staates. So werden – über Umwege – oft politische Vorgaben der Regierung erfüllt, die mit Steuergeld nicht gefördert werden dürften. Dafür sind nach meinem Empfinden nur die parteinahen Vorfeldorganisationen wie die politischen Stiftungen, die es in vielen afrikanischen Staaten gibt, zuständig. Ich habe mit drei Stiftungen (KAS, FES und FNF) vertrauensvoll zusammengearbeitet.
Während wir uns weltweit aufdrängen, wird hierzulande erklärt, dass wir für die maroden Straßen, Brücken etc. und die Sanierung der Schulen, für Senioren, die ihre kümmerliche Rente mit Flaschensammeln aufbessern müssen (jeder sieht sie im Stadtbild), und Normalverdiener, die sich immer mehr einschränken müssen, keine finanziellen Spielräume mehr haben. Im Ahrtal z.B. warten die Menschen auch vier Jahre nach der Flutkatastrophe auf weitere notwendige Mittel. Die Milliardenschulden werden auch nicht wie versprochen in den Infrastrukturausbau verwendet, sondern zur Haushaltsdeckung missbraucht.
Wir können Afrika nicht „retten“
Wer auf Fehlsteuerungen in der Entwicklungshilfe hinweist, gerät unvermeidlich in einen Wirbelsturm der Erregungen, weil er die angeblich knappen Mittel gefährde. Und muss sich zudem dem Vorwurf der Herzlosigkeit, Rassismus usw. aussetzen. Dumm ist nur, dass die Hilfsschwemme von sechs Marshallplänen seit 1960 so wenig an der Misere Afrikas verändert hat. Die Milliarden, die Jahr für Jahr nach Afrika fließen, sind oft fehlinvestiert und kontraproduktiv. Deshalb ist es geboten, auf ein Ende der bisherigen Entwicklungshilfe hinzuarbeiten und sie durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Das würde den afrikanischen Staaten auf dem Weg zur Eigenständigkeit helfen.
Allerdings sind die beispielhaften Reformer noch dünn gesät. Das wird sich auch nicht ändern, solange der Westen Afrika als unmündigen Hilfsempfänger sieht. Die fortdauernde Aufrechterhaltung der Entwicklungshilfe-Industrie missachtet die Würde und Eigenverantwortung der Menschen in Afrika und bedeutet eine ständige Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Außerdem ist es Rassismus, wenn es unseren Bessermenschen schwer fällt, selbständig handelnde Menschen in afrikanischen Ländern zur Kenntnis zu nehmen.
Entwicklung in Afrika kann und darf nur von Afrikanern gemacht werden. Die afrikanischen Länder müssen wissen, was sie wollen, und planen, was sie können. Wenn sie dabei Unterstützung anderer Länder brauchen, müssen sie das sagen und begründen. Und wenn die Gründe gut sind, sollten sie Hilfe bekommen. Helfen sollten wir nur noch Ländern, die nach der Erkenntnis handeln, dass sie in erster Linie für die Bewältigung ihrer Zukunft verantwortlich sind. Wichtig ist auch redliche Haushaltsführung. Die heute bei uns so beliebten Haushaltszuschüsse sollten nur noch an Länder gehen, deren Haushaltssysteme einer strengen Prüfung standgehalten haben.
Es fehlt nicht an Geld für Afrika. Wir können Afrika nicht mit noch mehr Geld „retten“. Die Ärmsten erreichen wir nach meinen Beobachtungen ohnehin nur unzureichend. Der indische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Amartya Sen hat nachgewiesen, dass es in einem unabhängigen, demokratischen Land mit Pressefreiheit noch nie eine Hungersnot gab. Zu Hungerkatastrophen kam es immer in Ländern, in denen Macht und Kontrolle über die Bevölkerung ausgeübt wurden.
Wir sollten keine Regime mehr unterstützen, die das Elend der Bevölkerung als Ressource nutzen. Denn eine arme Bevölkerung sorgt dafür, dass weiterhin Hilfe fließt. Wir sollten nur dort unterstützen, wo es öffentliche Debatten gibt, wie sich ein Land entwickeln soll. Ich meine ernsthafte Förderung von Bildung und Gesundheit, Eigentumsrechte an Grund und Boden, Förderung der Landwirtschaft. In den Ländern, in denen ich 17 Jahre gelebt habe, haben die Bürger nicht das Gefühl, dass die Regierungen ihre Interessen vertreten und an einem bescheidenen Wohlstand für alle arbeiten.
James Shikwati aus Kenia sagt: „In den Industriestaaten wird immer der Eindruck erweckt, ohne Entwicklungshilfe würde Afrika untergehen. Dem verheerenden Drang, Gutes zu tun, lässt sich bisweilen nicht mit Vernunft begegnen. Wenn die Entwicklungshilfe eingestellt würde, wären die politischen Eliten das erste Opfer, weil ihre Machtstrukturen dadurch gesprengt werden. Die Frage einer eigenständigen afrikanischen Lösung wäre dann auf dem Tisch“. Das sagt ein Afrikaner. Auch wenn man wie ich nicht sofort die Hilfe abschaffen will, muss man doch feststellen, dass heute die Öffentlichkeit bei uns und in den betreffenden Ländern nur sehr unzureichend über die konkrete Verwendung der Gelder informiert wird. Man tut Gutes und das muß reichen.
Zweifel an der Wirkung der Entwicklungshilfe sind nicht politisch korrekt. Die Hilfsindustrie hat einen Sonderstatus, der scheinbar jegliche Kritik verbietet. Es ist unverständlich, wenn derartige Organisationen, die erhebliche wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgen, sich nicht damit anfreunden können, dass ihr Handeln kritisch hinterfragt wird.
Die effizienteste Hilfe ist Bildungs- und Wirtschaftsförderung. Eine Investition in Wissen bringt die besten Zinsen. Es wäre sinnvoll, z.B. auch den Ausreisepflichtigen eine Rückkehr und eine Ausbildung im Heimatland zu bezahlen. Europäische Staaten könnten in den Ländern, aus denen die meisten Migranten kommen, duale Berufsausbildungszentren eröffnen, in denen die Ausbilder vor Ort die Lebensumstände der Migranten kennenlernen würden. Denkbar wäre auch eine europäische Berufsausbildungsinitiative, eine Art Senior Expert Service. Es gibt nach meiner Erfahrung genug europäische Handwerker im Rentenalter, die gerne ihr Wissen weitergeben würden. Europäische Entwicklungshilfegeber könnten für ein paar Jahre Wagniskapital zur Verfügung stellen. Die dann gegründeten Unternehmen, etwa in allen Handwerksbereichen, in Infrastruktur, Lebensmittelverarbeitung, Medizintechnik, Biotechnologie, Pharmazie und IT, würden dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen.
Mehr Entwicklungshilfe wird nicht „mehr“ helfen. Im Gegenteil: Die Entwicklungshilfe ist Teil des Problems. Die Zahlungen haben vor allem eine riesige Helferindustrie mit Zigtausenden hoch bezahlten Mitarbeitern geschaffen, die ein privilegiertes Leben führen. Viel Geld verwenden die staatlichen Organisationen und die Hunderte NGOs für Verwaltung, PR-Budgets, Konferenzen, Workshops und Studien. Und zu viel Entwicklungshilfegeld landet über Umwege in den Taschen der Herrschercliquen. Es stabilisiert korrupte Regime.
Volker Seitz’ Bestseller „Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“, dtv, 2025 (Nachdruck) ist eines der wichtigsten Bücher der Entwicklungshilfe-Debatte.
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