„Prometheus gibt nicht auf.“ Dies ist der Titel eines Werkes von verschiedenen deutschen Professoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen über Hans Blumenbergs Mythosbegriff.
Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass der Prometheusmythos in Deutschland generell schon seit Langem einen der Lieblingsmythen darstellt – und das nicht erst in Bezug auf Hans Blumenbergs Mythosbegriff. So war es Goethe, der zwar mit einer eigenwilligen Interpretation, aber dennoch mit starker Bewunderung über den Prometheus sprach.
Im 20. Jahrhundert war es Hans-Georg Gadamer, der über diesen berühmten Mythos sogar ein eigenes Werk verfasste. Und sogar gewisse Medizinbücher tragen in Deutschland den Begriff „Prometheus“. Zu groß ist wohl die Faszination für den „Schicksalsmythos des Abendlandes“ zwischen der Metapher des Feuers, welches metaphorisch für Erkenntnis steht – grammatisch auf der einen Seite für ein wichtiges Hilfsmittel, das ein Element darstellt, aber auf der anderen Seite durchaus auch für Vernichtung stehen kann.
Die seltsame damit einhergehende Bestrafung, das Anketten an einen Felsen im Kaukasus (Hesiod), ist von einer unglaublichen Faszination geprägt. Einer, der lange Zeit in Deutschland bei bekannten klassischen Philologen und Philosophen studierte und lehrte, war der klassische Philologe und Religionswissenschaftler aus Ungarn, nämlich Karl Kerényi. Dieser untersuchte detailliert den Prometheusmythos in seinem Werk. Unter anderem untersucht er die Rezeption des Prometheusmythos bei Goethe. Er schreibt diesbezüglich: „Goethe’s Prometheus is no god, no titan, no man, but the immortal prototype of man as the original rebel and affirmer of his fate: the original inhabitant of the earth, seen as an antigod, as Lord of the Earth.“
Diese Sichtweise Goethes wirkt auf der einen Seite, als sollte man den Mythos in Goethes Sicht als eine Art Bewältigungsstrategie wahrnehmen. Diese Sichtweise ist durchaus modern, und unter anderem auch bei Hans Blumenberg zu finden. Schließlich versucht diese Sichtweise die Frage zu beantworten, was der Mythos des Prometheus uns wirklich sagen will: Welche unbewussten oder doch bewussten, aber codierten anthropologischen Bestimmungen spielten hier eine Rolle et cetera?
Das Problem, das sich jedoch auftut, ist, dass diese Interpretation durchaus möglich ist, aber eben nicht wirklich griechisch – wie es Kerényi verdeutlicht. Sie wirkt eher von gnostischer Natur. Kerényi will uns mit seinem Buch zeigen, dass solche Mythen wie der Prometheusmythos als Fundament unserer gesamten westlichen Zivilisation zu verstehen sind – nicht mehr ganz wie bei C. G. Jung als Archetypen, aber sehr ähnlich, also als eine Art Urbilder. Was aber, wenn dieses Urbild die Ganzheit des Menschen beinhaltet und somit Sequenzen voraussagt? Was, wenn dieses Urbild uns als Antizipation des Endes dienlich sein soll? Was, wenn im Anfang bereits das Ende bestimmt ist? Bei sehr vielen weiteren Mythologien ist dies der Fall, hier aber besonders. Die Erkenntnis wird in diesem Schöpfungsmythos als Raub verstanden – als eine Art Ungerechtigkeit: zwar aufgrund der Liebe zur Menschheit von Prometheus, aber dennoch als Affront gegenüber den erzürnten Göttern. Ähnlich wie auch im Alten Testament im zweiten Schöpfungsbericht. Es wurde etwas Verbotenes getan, sei es der Raub des Feuers von Hephaistos oder das Essen einer Frucht des Baumes der Erkenntnis. Die Übereinstimmung ist interessant.
Bei beiden Mythen müssen die Menschen, um mündig zu werden, etwas Verbotenes, nicht Konformes leisten, damit sie sich entwickeln können (Feuer bzw. Baum der Erkenntnis). Bei beiden wird jedoch gerade dieser Keim der Entwicklung zum Verhängnis; beide werden stark bestraft: Felsankettung bzw. Vertreibung aus dem Paradies. Auf der anderen Seite ist gerade diese Entwicklung doch so notwendig; deshalb könnte man die biblische Urgeschichte des zweiten Schöpfungsberichts auch als eine Art Erwachsenwerden bezeichnen, das sich Stück für Stück ereignet. Dieses Erwachsenwerden hat jedoch seinen Preis – den Sündenfall und den Tod (die „Sünde-Sold“-Lehre des Paulus). Bei Prometheus ist es noch schlimmer – er darf nicht einmal sterben!
Wir müssen dennoch den Bezug von Anfang und Ende im Blick behalten. Interessanterweise findet sich gerade dieses Zoll-Zahlen für die eigene Entwicklung oder eine Art Weg zurück ins Paradies. Hervorzuheben ist, dass die Menschheit irgendwann ein Ende findet, denn die Sonne – interessanterweise ebenfalls als Feuer zu verstehen – wird immer größer. Irgendwann schluckt die Sonne die Erde; bevor dies jedoch passiert, ist die Menschheit ohnehin schon tot, denn es wird zu heiß sein, um auf der Erde zu überleben. Anfang und Ende sind hier wie zwei Seiten einer Medaille und beschreiben neben dem Ende der Welt den Menschen sehr genau. Kollektiv gesprochen ist die Menschheit an einem Punkt der werdenden Selbstvernichtung.
„Wer Menschheit sagt, der will betrügen“, so schlussfolgert Carl Schmitt in seinem berühmten Werk Der Begriff des Politischen, und er soll Recht behalten. Der Begriff der Menschheit ist ein Abstractum. Deswegen – und aus diesem Grund – ist die Menschheit zur Selbstzerstörung programmiert, und da braucht es auch keine sich der Erde immer weiter nähernde Sonne. Der Mensch, kollektiv gesehen, lebt von seinen kulturellen und technologischen Errungenschaften und geht gerade durch diese zugrunde. Er ist angekettet an den Felsen dieser Errungenschaften – und diesmal wird kein Herakles kommen.
Dafür aber hoffentlich Christus!
Somit endet dieser Denkanstoß mit einem der ersten Sätze der Philosophie, nämlich mit dem Spruch des Anaximander, welcher den Grundgedanken dieses Kurzessay entbirgt:
„Woher die Dinge ihre Entstehung haben, dahin müssen sie auch zugrunde gehen nach der Notwendigkeit; denn sie müssen Buße zahlen und für ihre Ungerechtigkeit gerichtet werden, gemäß der Ordnung der Zeit.“ (Friedrich Nietzsches Übersetzung, zu finden bei Heidegger, Der Spruch des Anaximander, in: Holzwege, S. 321.)
„Prometheus gibt nicht auf.“ Dies ist der Titel eines Werkes von verschiedenen deutschen Professoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen über Hans Blumenbergs Mythosbegriff.
Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass der Prometheusmythos in Deutschland generell schon seit Langem einen der Lieblingsmythen darstellt – und das nicht erst in Bezug auf Hans Blumenbergs Mythosbegriff. So war es Goethe, der zwar mit einer eigenwilligen Interpretation, aber dennoch mit starker Bewunderung über den Prometheus sprach.
Im 20. Jahrhundert war es Hans-Georg Gadamer, der über diesen berühmten Mythos sogar ein eigenes Werk verfasste. Und sogar gewisse Medizinbücher tragen in Deutschland den Begriff „Prometheus“. Zu groß ist wohl die Faszination für den „Schicksalsmythos des Abendlandes“ zwischen der Metapher des Feuers, welches metaphorisch für Erkenntnis steht – grammatisch auf der einen Seite für ein wichtiges Hilfsmittel, das ein Element darstellt, aber auf der anderen Seite durchaus auch für Vernichtung stehen kann.
Die seltsame damit einhergehende Bestrafung, das Anketten an einen Felsen im Kaukasus (Hesiod), ist von einer unglaublichen Faszination geprägt. Einer, der lange Zeit in Deutschland bei bekannten klassischen Philologen und Philosophen studierte und lehrte, war der klassische Philologe und Religionswissenschaftler aus Ungarn, nämlich Karl Kerényi. Dieser untersuchte detailliert den Prometheusmythos in seinem Werk. Unter anderem untersucht er die Rezeption des Prometheusmythos bei Goethe. Er schreibt diesbezüglich: „Goethe’s Prometheus is no god, no titan, no man, but the immortal prototype of man as the original rebel and affirmer of his fate: the original inhabitant of the earth, seen as an antigod, as Lord of the Earth.“
Diese Sichtweise Goethes wirkt auf der einen Seite, als sollte man den Mythos in Goethes Sicht als eine Art Bewältigungsstrategie wahrnehmen. Diese Sichtweise ist durchaus modern, und unter anderem auch bei Hans Blumenberg zu finden. Schließlich versucht diese Sichtweise die Frage zu beantworten, was der Mythos des Prometheus uns wirklich sagen will: Welche unbewussten oder doch bewussten, aber codierten anthropologischen Bestimmungen spielten hier eine Rolle et cetera?
Das Problem, das sich jedoch auftut, ist, dass diese Interpretation durchaus möglich ist, aber eben nicht wirklich griechisch – wie es Kerényi verdeutlicht. Sie wirkt eher von gnostischer Natur. Kerényi will uns mit seinem Buch zeigen, dass solche Mythen wie der Prometheusmythos als Fundament unserer gesamten westlichen Zivilisation zu verstehen sind – nicht mehr ganz wie bei C. G. Jung als Archetypen, aber sehr ähnlich, also als eine Art Urbilder. Was aber, wenn dieses Urbild die Ganzheit des Menschen beinhaltet und somit Sequenzen voraussagt? Was, wenn dieses Urbild uns als Antizipation des Endes dienlich sein soll? Was, wenn im Anfang bereits das Ende bestimmt ist? Bei sehr vielen weiteren Mythologien ist dies der Fall, hier aber besonders. Die Erkenntnis wird in diesem Schöpfungsmythos als Raub verstanden – als eine Art Ungerechtigkeit: zwar aufgrund der Liebe zur Menschheit von Prometheus, aber dennoch als Affront gegenüber den erzürnten Göttern. Ähnlich wie auch im Alten Testament im zweiten Schöpfungsbericht. Es wurde etwas Verbotenes getan, sei es der Raub des Feuers von Hephaistos oder das Essen einer Frucht des Baumes der Erkenntnis. Die Übereinstimmung ist interessant.
Bei beiden Mythen müssen die Menschen, um mündig zu werden, etwas Verbotenes, nicht Konformes leisten, damit sie sich entwickeln können (Feuer bzw. Baum der Erkenntnis). Bei beiden wird jedoch gerade dieser Keim der Entwicklung zum Verhängnis; beide werden stark bestraft: Felsankettung bzw. Vertreibung aus dem Paradies. Auf der anderen Seite ist gerade diese Entwicklung doch so notwendig; deshalb könnte man die biblische Urgeschichte des zweiten Schöpfungsberichts auch als eine Art Erwachsenwerden bezeichnen, das sich Stück für Stück ereignet. Dieses Erwachsenwerden hat jedoch seinen Preis – den Sündenfall und den Tod (die „Sünde-Sold“-Lehre des Paulus). Bei Prometheus ist es noch schlimmer – er darf nicht einmal sterben!
Wir müssen dennoch den Bezug von Anfang und Ende im Blick behalten. Interessanterweise findet sich gerade dieses Zoll-Zahlen für die eigene Entwicklung oder eine Art Weg zurück ins Paradies. Hervorzuheben ist, dass die Menschheit irgendwann ein Ende findet, denn die Sonne – interessanterweise ebenfalls als Feuer zu verstehen – wird immer größer. Irgendwann schluckt die Sonne die Erde; bevor dies jedoch passiert, ist die Menschheit ohnehin schon tot, denn es wird zu heiß sein, um auf der Erde zu überleben. Anfang und Ende sind hier wie zwei Seiten einer Medaille und beschreiben neben dem Ende der Welt den Menschen sehr genau. Kollektiv gesprochen ist die Menschheit an einem Punkt der werdenden Selbstvernichtung.
„Wer Menschheit sagt, der will betrügen“, so schlussfolgert Carl Schmitt in seinem berühmten Werk Der Begriff des Politischen, und er soll Recht behalten. Der Begriff der Menschheit ist ein Abstractum. Deswegen – und aus diesem Grund – ist die Menschheit zur Selbstzerstörung programmiert, und da braucht es auch keine sich der Erde immer weiter nähernde Sonne. Der Mensch, kollektiv gesehen, lebt von seinen kulturellen und technologischen Errungenschaften und geht gerade durch diese zugrunde. Er ist angekettet an den Felsen dieser Errungenschaften – und diesmal wird kein Herakles kommen.
Dafür aber hoffentlich Christus!
Somit endet dieser Denkanstoß mit einem der ersten Sätze der Philosophie, nämlich mit dem Spruch des Anaximander, welcher den Grundgedanken dieses Kurzessay entbirgt:
„Woher die Dinge ihre Entstehung haben, dahin müssen sie auch zugrunde gehen nach der Notwendigkeit; denn sie müssen Buße zahlen und für ihre Ungerechtigkeit gerichtet werden, gemäß der Ordnung der Zeit.“ (Friedrich Nietzsches Übersetzung, zu finden bei Heidegger, Der Spruch des Anaximander, in: Holzwege, S. 321.)
Teilen mit: