Gesichtet

Franz Kafka: Ein Wahrsager der heutigen Zeit

Franz Kafka ist nun in aller Munde. Es ist das Kafka-Jahr 2024. Vor 100 Jahren am 3. Juni 1924 starb der begnadete Schriftsteller in Kierling bei Wien. Zeitungen schreiben über ihn, neue Bücher bzw. besser gesagt Interpretationen und intellektuelle Biographien werden veröffentlicht. Es gibt sogar eine Serie über ihn auf ARD.

Dieser Artikel will sich in keinem Sinne diesem „Hype“ anschließen, will aber vielmehr aus konservativ-rechter Sicht das Werk, vor allem den Prozess, Kafkas erläutern und einen gedanklichen Anstoß liefern, welcher in dem benannten Hype selbstredend nicht genannt wird.

Es ist der Totalitarismus in Deutschland. Als hätte Kafka für und über unsere Zeit geschrieben. Das Werk Der Prozess ist aktueller denn je. Es ist vor allem stets der Anschein, der Anstrich, und die Fassade, welche natürlich bei Kafka durch groteske und narrative Stilmittel zur Sprache kommt.

Das, was der Fassade zugrunde liegt, also das, worauf es ankommt, widerspricht jedoch völlig der Fassade. Aber dieses Groteske ist bei Weitem nicht nur ein narratives Stilmittel. Es ist tatsächlich real. Josef K., der Protagonist in dem Werk, wird verhaftet, der Grund des Verhaftens bleibt jedoch offen. Dazu darf er aber zur Arbeit gehen, trotz der Verhaftung. Allein der Name, die Anonymisierung des Nachnamens spricht dafür, dass es jeden treffen kann, der seine Gedanken und Meinungen äußert oder Freunde hat, welche das Regime kritisieren oder einfach nicht in das Regierungsprofil passt. Kafka ist also bei Weitem nicht nur kafkaesk, er ist nicht nur der Mann des Grotesken an sich, wobei selbstredend auch das Leben an sich starke groteske Züge hat, welche unter anderem durch dieses narrative Stilmittel zum Ausdruck kommen.

Noch nie wurde unsere Zeit so detailiert beschrieben, wie in Kafkas Prozess. Die vollkommene digitale Überwachung, oder mit der Sprache Kafkas: das Gericht tagt überall. Jeder Schritt, jedes Handeln wird vom Regime verfolgt, protokolliert und bearbeitet. Der Protagonist Josef K. versucht die Strafe des Regimes dadurch zu lindern, indem er sich diesem anbiedert bzw. mit diesem in einer gewissen Art und Weise zusammenarbeitet und zwar genau genommen gegen sich selbst. Schließlich endet die Geschichte tragisch. Josef K. wird wie ein Hund ermordet. Das Anbiedern an das Regime, das genaue Befolgen des Totalitarismus führt zu keiner Linderung, ganz im Gegenteil.

Das beste Kurznarrativ zur Erklärung des Sachverhalts bietet die Türhüterparabel.

Der Türhüter bewacht den Eingang zum Gesetz. Ein Mensch will Zugang zum Gesetz haben.

Er will verstehen, er will sich juristisch mit dem Gesetz wehren, gegen das, was ihm vorgeworfen wird.

Aber der Zugang wird durch einen Türhüter bewacht. Der Türhüter beschreibt eindeutig seine Funktion, nämlich den Zugang zum Gesetz zu beschützen. Der Mann wird von diesem Türhüter erschüttert, vor allem weil dieser, also der Türhüter dem Mann sagt, dass er nur einer von vielen Türhütern ist, welche den Eingang zum Gesetz bewachen. Der Mann traut sich nicht sich ihm entgegenzustemmen. Der Türhüter redet dann mit ihm über alles Mögliche, aber eben nicht darüber, worauf es ankommt. Er versucht ihn abzulenken und ihn zu beschwichtigen, ihn von seinem Weg abzubringen. Man könnte hier eindeutig sagen, er versucht ihn zu täuschen. Aber der Mann lässt sich auch täuschen, er geht auf das Spiel des Türhüters ein. Der Mann ist das Sinnbild eines Opportunisten, genau wie Josef K., spielt er mit dem Regime mit, aber auch dieser endet tragisch. Zum Schluss aber, kurz bevor der Mann stirbt, sagt ihm der Türhüter:

Diese Tür war für Dich bestimmt. Ich gehe nun und schließe sie.

Die Bösartigkeit des Türhüters ist kaum zu übertreffen. Er lenkt den Mann ab, macht ihm Angst und dann, wo der Türhüter weiß, dass der Mann nicht im Stande ist, hinein zu gehen, bzw. sich gegen den Türhüter aufzustemmen, zeigt der Türhüter dem Mann seine Optionen auf, die er nun nicht mehr ergreifen kann.

Aber es ist nicht nur die Bösartigkeit des Türhüters, welche den Schluss dieses Narrativs braucht, der Schluss führt auch zum finalen Sinn dieser Geschichte. Der Eintritt zum Gesetz war also prinzipiell möglich. Die Ablenkungen und die Einschüchterung des Türhüters sorgten dafür, dass der Mann sich dagegen entschieden hat gegen diesen vorzugehen.

Der Türhüter steht für einen Handlanger des Regimes, er versucht die Menschen sowohl ganz offiziell, wie auch ganz subtil abzulenken und macht ihnen Angst – in dem Sinne, dass diese nicht bestimmte Bewegungen oder Parteien unterstützen sollen.

Leider verstehen viele Menschen in totalitären Regimen das böse Spiel erst im Nachhinein vollkommen, oder, und dass spricht eher für die heutige Zeit, sie wollen es nicht so richtig aus Bequemlichkeit oder Angst verstehen.

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